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Digital In Arbeit

In der Telefonzelle das Terminal?

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Die Individualkommunikation im Printsektor ist der Brief, die Drucksache, die Postkarte, alles, was man körperlich von Punkt zu Punkt überträgt. Mittel der Individualkommunikation im Bereich der Teleübertragung sind Telefon, das Fernschreiben und die Datenkommunikation von einem Büro zum anderen.

Eine Unterscheidung innerhalb der Telekommunikation ist die Bandbreite. Unser Telefonsystem operiert im Bereich von wenigen tausend Hertz. Vier Kilohertz ist die Bandbreite. Deshalb kann man über dieses System nur das gesprochene Wort übertragen. So auch im Hörfunk, der eine schmalbandige Kommunikationsform ist.

Das Fernsehen braucht eine andere Bandbreite. Unser mitteleuropäisches Fernsehen operiert mit fünf Megahertz, also fünf Millionen Hertz. Man braucht beim Sprung vom Hörfunk zum Fernsehen die tausendfache Bandbreite.

Wollte man breitbandig in die Individualkommunikation gehen, hätte man die Multiplikation der Superlative. Dann hätte man das organisatorisch höchstentwickelte Netz, nämlich Individualkommunikation mit bewegten Bildern.

Abgesehen davon, daß alle Marktstudien bisher zeigten, daß dies gar nicht auf eine breite Bedarfsstruktur stößt, hat man hier auch mit Kosten zu rechnen, die nach Berechnungen, die in der Bundesrepublik Deutschland angestellt wurden, in der Größenordnung von 200 Milliarden D-Mark (über 1500 Milliarden Schilling) Investition liegen und damit, wenn nicht durch die Glasfaser eine völlige Zerrüttung aller Kosten entsteht, in absehbarer Zeit nicht möglich sind.

Mit dem international standardisierten und bereits 1979 realisierten sogenannten Telefaxdienst deutet sich eine viel größere Revolution an als die des Kabelfernsehens. Denn hier haben wir es nicht mit wenigen tausend, sondern mit mehreren hunderttausend Mitarbeitern zu tun - in Europa hängen etwa eine Million Arbeitskräfte daran, da Telefax die Grundlage der neuen elektronischen Post sein wird.

Telefax erlaubt es, den handgeschriebenen Brief, der nicht computerfähig ist, der keine codierten Signale enthält, sondern ein Bild darstellt, zu übertragen. Ein handgeschriebener Brief ist kein Text, sondern eine Graphik. Seine Übertragung ermöglicht das sogenannte Fernkopieren. Man legt eine Seite auf das Aufnahmegerät, wo das Bild abgetastet wird, und überträgt es dann auf bereits weltweit standardisierten Geräten.

Angesichts der Transportdauer bei Uberseebriefen ist hier im Weitverkehr bereits ein Vorteil ersichtlich. Im Nahverkehr in Europa noch nicht so sehr.

Weiß man aber, daß in der Briefpost von Jahr zu Jahr die Personalkosten steigen, Energiekosten und Umweltbelastungen eine Rolle spielen, ist die Substitution von Briefpost durch elektronische Post noch in diesem Jahrhundert zu erwarten.

Der nächste Schritt wird darin bestehen, daß wir elektronische Briefkästen bekommen, die in den Telefonzellen angebracht sind. Sie erlauben es, einen Brief einzustecken, abzutasten und entweder direkt zum Gerät des Empfängers oder zu seiner Post zu Ubertragen.

Die Berührung mit der Massenkommunikation liegt hier in der sogenannten Faksimile-Zeitung. Diese ist nach dem Urteil der Rundfunkanstalten und der für die Gesetzgebung zuständigen staatlichen Stellen kein Rundfunk, sondern eine körperliche Zeitung. Endprodukt ist also eine Printkommunikation. Die Faksimile-Zeitung ist technisch vorhanden, wirtschaftlich aber noch nicht lohnend. Sie kann nach dem augenblicklichen Entwicklungsstand nichrin den Bereich des Möglichen eingeordnet werden.

Ein anderes System erhielt eine Bezeichnung, die leider zu Mißverständnissen führt: Teletex. Teletex ist international der Begriff für die Übertragung von Schreibmaschinentexten von einem Punkt zum anderen, also ein System der Individualkommunikation. Man braucht dazu eine elektrische Schreibmaschine, einen Speicher und einen Anschluß an das schmalbandige öffentliche Fernmeldenetz.

Man kann einen Brief in diesen Speicher hineinschreiben und entweder sofort, wenn es eilig ist, oder in den Nachtstunden zu geringeren Gebühren direkt zum Partner übertragen. Und das nicht nur wie heute schon beim Telex in einer Schrift, die der eines Telegramms gleicht, sondern mit dem vollen Zeichenvorrat einer Schreibmaschine, mit allen großen und kleinen Buchstaben und Sonderzeichen. Teletex ist heute die elektronische Post der Geschäftskommunikation.

Auch hier wieder eine Berührung mit der Massenkommunikation: Wer an einem solchen Gerät sitzt, der möchte gern auch in den Brief hinein Computerinformation verarbeiten (Aufträge, Preise, mögliche Lieferzeiten, Konditionen etc.).

Univ.-Prof. Eberhard Witte (Institut für Organisation der Universität München) ist ein international anerkannter Fachmann für neue elektronische Medien. Aus einem Vortrag.

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