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In Freude Christ

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Zum Wort „Lebensfreude“ auf einem Bierplakat in Salzburg-Nonntal hatte ein kritischer Zeitgenosse vor dem Papstbesuch „Ohne Kirche“ hinzugemalt. Und als ob er es gewußt hätte, sagte der Papst in seiner Sonntagspredigt auf dem Residenzplatz: „Laßt euch nicht die Freude nehmen, Mensch und Christ zu sein, denken und lieben zu dürfen!“ Und erntete lebhaften Beifall bei den weit über 20.000 Gläubigen, die Lebensfreude und Kirche offenbar sehr gut miteinander vereinbaren können.

Salzburg beherbergte den Papst drei Nächte im Kapuzinerkloster und den ganzen Sonntag, an dem Johannes Paul II. ein wahres Monsterprogramm bestritt, beginnend mit einem völlig außerprotokollarischen Krankenbesuch zu Fuß bei einer 90j ährigen Frau, die von dieser überraschenden Visite völlig überwältigt war. Ähnlich erging es anschließend den Alten, Kranken und Behinderten im Dom angesichts der bewegenden menschlichen Zuwendung, die der Papst ihnen entgegenbrachte. „Ihr seid nicht die vergessenen Kinder Gottes“ und „Wir brauchen euch“ versicherte der Papst seinen Zuhörern.

Während der Messe auf dem Residenzplatz wies der Papst—eine Totenerweckung im Evangelium bot den Ausgangspunkt dafür - auf die vielfachen Bedrohungen des Lebens hin und trat — wie bei fast allen seinen Predigten - besonders für die Ungeborenen ein, erinnerte aber auch an den erstmals begangenen „Internationalen Tag gegen Mißbrauch und illegalen Handel von Drogen“ der Vereinten Nationen.

Man solle jene, die christliche Werte wie Ehe und Familie, Treue und Verzicht lächerlich machen, nicht als Feinde sehen, meinte der Papst, „aber gegen ihr Verhalten müßt ihr euch stemmen und dabei nicht resignieren“. In diesem schlichten Aufruf, für christliche Werte Zeugnis abzulegen, spüren wohl zu Unrecht manche schon einen intoleranten und fundamentalistischen Geist.

Hatte man auf der ganzen Reise den Eindruck, der Papst hüte sich, innerkirchlich kontroversielle Themen allzu deutlich anzuschneiden, galt das für Salzburg ganz besonders. „Seid als Eltern bereit, Kindern das Leben zu schenken“, sagte er - keine Rede von „Humanae vitae“ oder Nennung von Empfängnisverhütung und Abtreibung in einem Atemzug.

Möglicherweise war es auch dieses spürbare Bemühen, keine Gräben zu vertiefen, das Johannes Paul II. bei den Nachmittagsveranstaltungen nicht sehr auf die an ihn herangetragenen Probleme eingehen ließ, obwohl ihm die Texte der Vorredner lange bekannt sein mußten.

Das galt vor allem für die Begegnung mit etwa 100 Jugendlichen, die ihm aufgrund einer Umfrage unter 9000 jungen Menschen ein ungeschminktes Bild der religiösen Situation präsentierten, dabei aber fast schwerfälliger, kulturpessimistischer und weniger engagiert wirkten als der rund fünfzig Jahre ältere Gast aus Rom. Irgendwie mißlang dieses Treffen, das besonders des Abweichens vom Protokoll, der Spontaneität auch seitens v des Papstes bedurft hätte, ein wenig.

Sehr aufmerksam lauschten dann etwa 2000 Wissenschafter, Künstler und Publizisten im Großen Festspielhaus dem Papst (siehe Seite 8). „Kritik und Toleranz gehören zusammen!“ hatte eingangs der Salzburger Universitätsrektor Fritz'Schweiger gemeint und die Theologie als Wissenschaft „vor autoritären Maßnahmen“ in Schutz genommen.

Toleranz sei ein Raum zur Suche nach der Wahrheitsfrage, nicht aber zu ihrer Suspendierung, erwiderte der Papst erstaunlich direkt, ohne andere von Schweiger aufgeworfene Fragen (Sexualität, Rolle der Frau, Befreiungstheologie) aufzugreifen. Trotzdem war diese Papstrede großartig, und wirklich konkret ging der Papst nur bei der Ökumene-Begegnung, die diesen langen Tag abschloß, auf seinen Vorredner ein. HEINER BOBERSKI

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