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In Inferesse Österreichs: Konstruktiv weiteraheilen

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Wenn man die gesamte Wirt- schaftssituaition Österreichs aus der Sicht der Arbeitnehmer beurteilt, dann muß man zum Ergebnis kommen, daß die Lage durchaus günstig ist. Dies ist auf zwei Tatsachen zurückzuführen:

Erstens auf die vorausschauende konsequente Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, zweitens auf die unter der Bezeichnung Sozial- beziehungsweise Wirtschaftspartnerschaft , charakterisierte Zusammenarbeit der Interessenvertretungen. Dies soll keine Schönfärberei sein, sondern nur die Feststellung, daß unsere Lage äußerst günstig ist, wenn man Vergleiche mit anderen Staaten anstellt In England, in den Vereinigten Staaten und in Italien herrscht eine ausgeprägte Stagflation. Nach letzten Meldungen beträgt zum Beispiel die Arbeitslosenrate in den Vereinigten Staaten 6,5 Prozent In der Bundesrepublik Deutschland ist zwar die Inflationsrate, etwas geringer als in Österreich, doch wurde sie mit einer verhältnismäßig großen Zahl von Arbeitslosen erkauft.

Die unverändert günstig Wirtschaftslage in Österreich sollte jedoch nicht zu einer Unterschätzung der Gefahren führen, die aus der internationalen Konjunkturabschwächung und der starken Verteuerung von Energie, Rohwaren und Agrarprodukten auf uns zukommen, insbesondere wenn man unsere außenwirtschaftliche Verflechtung in Rechnung stellt. Es sind daher die im Bundesbudget für 1975 vorsorglich vorgesehenen Maßnahmen zur Erhaltung der Vollbeschäftigung zu begrüßen (Stabilisie- rungsquote, Konjunkturbelebungsbudget). Ihre Aktivierung wird um so leichter bewerkstelligt werden können, wenn es gelingt, in der Stabilisierung des

Preisniveaus Fortschritte zu erzielen.

Im Bereich der Finanz- und Währungspolitik ist festzustellen, daß der Wert des österreichischen Schilling derzeit ausgezeichnet ist, wenn man die Position unserer Währungsreserven betrachtet. Entgegen den pessimistischen Voraussagen ist es im vergangenen Jahr trotz der außerordentlichen Verteuerung der Erdölimporte gelungen, den Abfluß an Währungsreserven mit einer Milliarde Schilling wesentlich geringer zu halten als im Jahr 1973. in diesem Jahr betrug er sechs Milliarden Schilling. Die Währungsreserven der Notenbank haben sich im vergangenen Jahr insgesamt sogar um vier Milliarden Schilling erhöht. Durch die Neubewertung der Goldbestände werden sich die österreichischen Währungsreserven nunmehr auf etwa 90 Milliarden Schilling belaufen. Auf Grund der erwähnten Veränderungen im Jahr 1974 ergibt sich die starke Position der österreichischen Währung. Österreich ist beute eines der Länder mit den verhältnismäßig stärksten Währungsreserven, was seinen Ruf im Ausland gewiß erhöhen wird.

Auch bei der Auslandsverschuldung hat der Bund den wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung getragen und, relativ betrachtet, dieselben nicht erhöht. Ein Vergleich soll dies zeigen: Die Auslandsschuld des Bundes hat sich von 29,8 Prozent der gesamten Finanzschuld im Jahr 1968 auf rund 16 Prozent im Jahr 1973 verringert, ihr Anteil am Bruttonationalprodukt von 3,92 Prozent auf 1,65 Prozent. Es ist daher vertretbar, wenn der Bund nunmehr seine Auslandsschuld wieder etwas stärker ausweitet, was ja eine Schonung des inländischen

Kredit- und Kapitalmarktes mit sich bringt. Überdies trägt eine solche Mittelbeschaffung auch dazu bei, dem mit einer Passivierung der Zahlungsbüanz verbundenen Geldabfluß zu begegnen, ist also vom Standpunkt des Zahlungsbilanzausgleiches gerechtfertigt.

Was nun die Finamzterungs- lücke im österreichischen Budget betrifft, so ist diese nicht so sehr van der Ausgabenseite, sondern von der Einnahmenseite her zu erklären. Der Anteil der Ausgaben an der Gesamtwirtschaft ist eigentlich bis zum vorigen Jahr zurückgeblieben. Die massiven Steuerbegünstigungen für die gewerbliche Wirtschaft seit Mitte der sechziger Jahre haben nicht nur zu unmittelbaren Steuerausfällen geführt, sondern auch dazu, daß sie aus verteilungspolitischen Gründen durch massive Lahnsteuersenkungen kompensiert werden mußten. Dazu kam noch der Ausfall der Zölle gegenüber den Europäischen Gemeinschaften.

Das letzte Glied in dieser Kette ist das Zurückbleiben der Mehrwertsteuer. Es handelt sich dabei nicht einfach um eine Fehleinschätzung des Finanzministeriums, wie vielfach behauptet wird, denn auch der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen, in dem auch die Experten der Bundeskammer und des Wirtschaftsforschungsinstitutes mitarbeiten, hat die Mehrwertsteuereingänge noch im heurigen Sommer zu hoch eingeschätzt. Der Grund des Zurückbleibens dürfte vielmehr im Überhandnehmen legaler und illegaler Ausweichmanöver sein. In Zukunft wird daher einer verstärkten Betriebsprüfung und gegebenenfalls außer einer Steuernachzahlung einer strengen Bestrafung besonderes Augenmerk zu schenken sein.

Sollte es zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer kommen, dann müßten Waren des täglichen Bedarfes für weite Kreise der Bevölkerung und die Grundbedürfnisse jedenfalls nicht stärker besteuert werden. Keine Preisverteuerung dürfte sich daher dadurch bei Lebensmitteln, Mieten, Strom, Gas, Heizöl, den Leistungen des Verkehrs, Fremdenverkehrs sowie wichtigen Kulturgütern ergeben. Anderseits fragt es sich, ob nicht nach französischem Vorbild für echte Luxusgüter ein wesentlich höherer Steuersatz als der bisherige eingehoben werden sollte, wie zum Beispiel für Pelze, Juwelen, für Luxusbauten, wie Villen und Landhäuser, und ähnliche Waren, allenfalls auch exklusive Dienstleistungen. Dies würde zwar nicht so sehr finanziell, wohl aber sozial von Vorteil sein.

Die Budgetpolitik des Bundes hat in den letzten Jahren, anteilig betrachtet, eine Zurückhaltung bei den Ausgaben gebracht. Auch hiezu ein Beispiel: Der Anteil der Budgetausgaben am Sozialprodukt betrug im Jahr 1970 27,3 Prozent und sank auf 25,8 Prozent im Jahr 1974. Die darüber hinaus außerbudgetär, insbesondere in Sondergesellschaften, finanzierten öffentlichen Großprojekte sollten hinsichtlich der daraus für den Bund resultierenden Ausgaben aus Gründen der Budgetklarheit in den Bundeshaushalt integriert werden. Maßnahmen der indirekten Wirtschaftsförderung, insbesondere die Gewährung von Steuervorteilen, unterliegen im Gegensatz zu den direkten Fördern ngsausgaben keiner budgetpohtischen Restriktion. Aus stabilitäts- wie struk- turpolitischen Erwägungen sollte daher eine Umstrukturierung von indirekten zu direkten Förderungsmaßnahmen angestrebt werden.

Zum Abschluß möchte ich folgende Feststellung treffen: Die internationale politische und wirtschaftliche Lage ist äußerst labil. Trotz günstiger Entwicklung in Österreich bedarf es einer ständigen Überprüfung und Beachtung der sich ändernden Situation. Es wird aber auch notwendig sein, ein gemeinsames Zusammenwirken aller positiv eingestellten Kräfte in unserem Lande herbeizuführen. Die Arbeiterkammer wird alle Maßnahmen, die im Jahr 1975 gesetzt werden, vor allem unter einem Gesichtspunkt sehen: dem der Erhaltung der Vollbeschäftigung. Denn wir glauben, daß eine Spekulation mit Arbeitslosigkeit nicht nur für die österreichischen Arbeitnehmer schädlich ist, sondern auch für die gesamte Wirtschaft einen Nachteil bedeutet.

In der letzten Zeit hat immer Wieder die eine oder andere Interessenvertretung und Partei Programme, Pläne und Lösungsvorschläge zur Wirtschaftspolitik unterbreitet Im Rahmen des Arbeiterkammertages werden diese verschiedenen Vorschläge derzeit einer genauen Prüfung unterzogen. Wenn auch die anderen Interessenvertretungen sich zu dieser Sichtung der wirtschaftlichen Gegebenheiten durchringen könnten und daraus die entsprechenden Konsequenzen für die Zukunft ziehen, so wäre dies eine Grundlage für ein den wirtschaftlichen Notwendigkeiten angepaßtes Vorgehen, gemeinsam mit der Bundesregierung. Detailfragen könnten im Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen ausgearbeitet werden. Von solch konstruktiver Arbeit sollte man sich im Interesse Österreichs auch in einem Wahljahr nicht abhalten lassen.

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