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In Kärnten herrscht ein völlig neues ÖVP-Gefiihl

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Äußerlich geradezu mit stoischer Gelassenheit traf die Kärntner ÖVP eine Personalentscheidung, die seit dem von Herbert Bacher und Karl Schleinzer erzwungenen Rücktritt von VP-Landeshauptmannstell- vertreter Thomas Truppe die wohl ent- scheidenste ist: Der erst vor wenigen Monaten zum ÖAAB-Obmann gekürte und damit erstmals mit Hausmacht ausgestattete Stefan Knafl wird Bacher beim Landesparteitag im Mai kommenden Jahres ablösen. Knafl wird die Volkspartei auch bei den Landtagswahlen im Jahre 1980 als Spitzenkandidat führen. Die Tradition, daß der Kärntner ÖVP ein Bauernbündler vorsteht, wurde damit gebrochen.

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Äußerlich geradezu mit stoischer Gelassenheit traf die Kärntner ÖVP eine Personalentscheidung, die seit dem von Herbert Bacher und Karl Schleinzer erzwungenen Rücktritt von VP-Landeshauptmannstell- vertreter Thomas Truppe die wohl ent- scheidenste ist: Der erst vor wenigen Monaten zum ÖAAB-Obmann gekürte und damit erstmals mit Hausmacht ausgestattete Stefan Knafl wird Bacher beim Landesparteitag im Mai kommenden Jahres ablösen. Knafl wird die Volkspartei auch bei den Landtagswahlen im Jahre 1980 als Spitzenkandidat führen. Die Tradition, daß der Kärntner ÖVP ein Bauernbündler vorsteht, wurde damit gebrochen.

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Bacher hat mit seinem Entschluß, den Führungsanspruch zugunsten Knafls zu räumen, gewiß innere Größe gezeigt. Nachdem die Bündeobmän- ner nach den für die ÖVP enttäuschend verlaufenden Landtagswahlen im März 1975 - wohl wegen unzweifelhaft vorhandener Eigennutzinteressen - es verabsäumt haben, an der Spitze für klare Verhältnisse zu sorgen, saß Bacher zwei Jahre später fester denn je in seinem Sattel. Aber es wird wohl so sein, wie es der Kärntner Gründungsobmann der ÖVP, Hermann Gruber, formuliert: „Damals war die Zeit für Knafl noch nicht reif!”

Natürlich nicht! Erst rückblickend begreift man Bachers Absicherungsstrategie: ÖAAB-Obmann Walter Suppan - ihn löste Knafl ab - und Bauernbundobmann Valentin Deutschmann waren in Wien als Nationalratsabgeordnete verankert, Wirtschaftsbundobmann Karl Bauerecht zeigte als Unternehmer neben Bacher k,aum Interesse an Führungsarbeit. Blieb als einziger, ernstzunehmender Gegner innerhalb der Partei der gelernte Lehrer Knafl. Just ihn holte Bacher in die Landesregierung (zuerst als Frem-, denverkehrsreferent, später als Straßenbaureferent) und war sich dadurch seiner Loyalität gewiß.

Daß Bacher nach drei erfolglos geschlagenen Wahlen den Parteiobmann kampflos seinem Nachfolger Knafl überläßt, begründet der Bauer aus Viktring einleuchtend: Seit 1975 habe er vor allem von der Parteibasis her immer wieder den Ruf nach Erneuerung innerhalb der Partei vernommen. Und in einer Wahlauseinandersetzung sei es haltuch wichtig, den unteren Parteikader zu motivieren.

Das sollte Knafl, der nicht nur auf programmatische Anerkennung hoffen darf, sondern wohl auch darauf* mindestens so sympathisch von den Plakatwänden zu lächeln wie Kärntens „Strahler 70”, Leopold Wagner, eigentlich gelingen. Das Ziel ist vorgegeben: Endlich das 13. Mandat im Landtag zu erreichen. Ihm eilen die ÖVP-Führer seit den zweiten Wahlen nach 1945 nach, wenn auch unter unterschiedlichen Voraussetzungen.

Die Vormachtstellung der SPÖ in Kärnten begründen viele, sogar maßgebende Konservative, damit, daß es der ÖVP-Mann der ersten Stunde, Gruber, verabsäumt habe, seine Organisation für die parteilos gewordenen Nationalsozialisten zu öffnen. Diesen Vorwurf weist der heute 78jährige, der immer noch eine unglaubliche körperliche und geistige Elastizität hat, entschieden zurück.

Daß sich die Machtverhältnisse in Kärnten so entwickelten, sei allein der Haltung des Gauobmannes Rainer zuzuschreiben, der in den letzten Kriegstagen bereits alle Schlüsselpositionen den Sozialisten Lukas, Newole, Herke und vor allem Piesch zugespielt habe. „Die wesentlichsten Referate des öffentlichen Dienstes innerhalb des Konsultativausschusses wurden von Sozialisten verwaltet, sie hatten von Anfang an die geistige Elite unter Kontrolle” (Gruber). Deshalb sei es logisch gewesen, daß viele, die Beamtenarbeit suchten, sich nicht an den VP-Mann Gruber wandten, sondern an die SPÖ, die zudem noch den Vorteil hatte, mit der Aufbauarbeit ihrer Organisation unmittelbar an ihr Parteiverbot in den dreißiger Jahren anzuschließen, während die ÖVP sich gänzlich neu aus der

Christlich-Sozialen Partei, dem Landbund und den Großdeutschen erst sammeln mußte.

Den Mandatsstand vermochten seither weder Schleinzer, noch sein jahrelanger Platzhalter Bacher (er war bis 1971 „nur” geschäftsführender Obmann, da Schleinzer sich erst mit seiner Wahl zum ÖVP-Generalsekre- tär entschloß, endgültig in Wien zu bleiben) zu vergrößern. Einer, dem Gruber eine Veränderung der Parteilandschaft in Kärnten zugetraut hätte, der frühere Landesstraßenbaureferent Truppe, wurde bereits 1966 auf eine, wie Gruber meint, recht unfeine Art von Bacher mit Hilfe Schleinzers ausgebootet. Seither erlebte die Partei in Kärnten weder Höhen noch Tiefen.

Mit viel Optimismus glaubte Bacher 1975, endlich aus dem Schattendasein gegenüber der SPÖ heraustreten zu können. Nach den ÖVP-Erfolgen bei den Gemeinderatswahlen zwei Jahre zuvor, rechnete er mit dem Gewinn zumindest eines Mandats. Gruber gegenüber äußerte er sich sogar, daß die ÖVP mit 14 Mandaten in den Landtag einziehen werde. Was bei der Wahl schließlich herauskam, ist bekannt.

Bacher tritt nächstes Jahr nipht von der politischen Bühne ab - für den dann erst 50jährigen wäre das wohl noch ?u früh -, sondern einen Schritt zurück. Er bleibt der Landesregierung als Agrarreferent erhalten, eine Funktion, die er bereits seit 16(!) Jahren ausübt. Er gehört damit zu den

„dienstältesten” Politikern des Landes. Sollte er sich eines Tages gänzlich der Tagespolitik entsagen, dürfte er den Weg suchen, der ihm bereits 1975 gezeigt worden war: zum Schreibtisch des Raiffeisenverbandsobmannes.

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