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In Krisen funktioniert Europa noch

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An wirklich großen Krisen wächst ein Mensch, ein Volk und auch ein Staatenbund.

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An wirklich großen Krisen wächst ein Mensch, ein Volk und auch ein Staatenbund.

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Die Metallarbeiter der Bundesrepublik Deutschland stehen vor einem Streik. In Frankreich hat sich eine sozialistisch-kommunistische Regierung schon seit Wochen des organisierten Massenwiderstandes zu erwehren. An Bagatellbeträgen scheitern Gipfelkonferenzen der Europäischen Gemeinschaft. Die transatlantische Verteidigungspolitik steckt in ihrer bisher tiefsten Krise. Dankt Europa ab?

Man kann es als Optimist auch anders sehen. Nicht Krisen sind es, die beunruhigen, sondern die Mickrigkeit vieler von ihnen. An wirklich großen Krisen wächst ein Mensch, ein Volk und auch ein Staatenbund. Nur an solchen, die den Namen nicht verdienen, geht man ein.

Die Frage der Rückerstattung von Beitragszahlungen an Großbritannien ist ein mickriger Problemfall. Daran erwürge sich, wer es nicht lassen kann. Die Krise der westlichen Sicherheitspolitik dagegen ist echt. Auf ihre Bewältigung aber darf man hoffen.

Selbst der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß hat zum Auftakt des Europa-Wahlkampfes der CSU die Vision beschworen, daß ein innerlich gefestigtes Europa auch mit der Sowjetunion zu einem Arrangement gelangen könne, bei dem „die Möglichkeit eines bewaffneten Konfliktes endgültig verschwindet."

Der SPÖ-Minister Karl Blecha aber warnte in einer bemerkenswerten Rede vor der Europäischen Akademie vor einem „bloßen Pazifismus" ebenso wie vor einer „Uberbewertung des Militärischen", wenn es um die Sicherheit und Sicherung Europas geht.

Eine andere echte Krise ist die Strukturproblematik in der Industrie. Es gilt, Dutzende Millionen von Arbeitslosen mit Phantasie und Mut in zukunftsträchtige Produktions- und Leistungszweige umzuleiten. Mit Streiks dürfte das am allerwenigsten erreichbar sein.

Der Zwang der Verhältnisse erfordert kühne Schritte. Aber zu diesen „Verhältnissen" zählen auch die römischen Integrationsverträge von 1958. Ohne sie hätte eine französische Linksregierung keine Legitimation, ihre jetzige Politik der Strukturbereinigung durchzuziehen.

Von einem „österreichischen Weg" kann dabei freilich keine Rede mehr sein. Das war ein Schlagwort nach der Amtsübernahme Mitterrands, das blitzartig ausgedient hatte. Die französische Regierung traut sich heute doppelt so viel wie die österreichische.

Derzeit freilich muß man auch dem in Wien tagenden 13. Gewerkschaftskongreß der Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie bestätigen, daß er in einer Atmosphäre verantwortungsbewußter Realitätsnähe vorbereitet und begonnen worden ist.

Ausschließlich Realitätssinn wird auch Europa retten können.

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