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In Laibach war man mit „Draga” unzufrieden

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Draga ist ein Weiler nahe von Triest. In diesem idyllischen Ort fanden zehn Jahre lang überaus fruphtbare slowenische Kulturbegegnungen statt, geleitet und organisiert von Professor Jože Peterlin, einem Exilslowenen, der in der Nachkriegszeit begonnen hatte, unter den katholischen Slowenen Triests eine lebhafte kulturelle Tätigkeit zu entfalten.

Bei den Kulturtagen von Draga trafen einander slowenische Literaten, Wissenschaftler und prominente Persönlichkeiten aller Weltanschauungen, um gemeinsame nationale Probleme zu diskutieren. „Draga” erhielt daher binnen weniger Jahre eine breite Popularität unter der slowenischen Intelligenz, in der Heimat sowohl, wie in aller Welt. Pluralismus war sozusagen Voraussetzung der „Draga”, obwohl Professor Peterlin und die Gruppe der slowenischen Triestiner Intellektuellen, der die Organisation oblag, eindeutig zur katholischen Gemeinschaft zählten. Heuer und im Vorjahr organisierte man ‘„Draga” in Opicina (Opcine), einem Ort vor den Toren Triests, der verkehrstechnisch wesentlich günstiger liegt als der Weiler Draga. In beiden Fällen fand die „Draga” ohne ihren Gründer, Professor Peterlin, statt, der vor zwei Jahren gestorben ist.

Am ersten Samstag und Sonntag des September versammelten sich somit heuer, wie jedes Jahr, im Finzgar-Haus von Opicina (Opčine) slowenische Intellektuelle, die vom Kulturreferenten der Landesregierung Friaul-Küsten- land (Friuli-Venezia Giulia), dem Christdemokraten Mizzau, begrüßt wurden. Mizzau betonte in seiner Ansprache die Unterschiede zwischen der christlichen und der marxistischen Weltanschauung - Unterschiede, die in Italien nun auch schon auf Landesebene im Zeichen des,.Historischen Kompromisses” verwischt werden. Kein Wunder, daß Mizzaus Rede vom kommunistischen slowenischen Tagblatt unter die Lupe genommen und scharf kritisiert wurde.

Die linken slowenischen Kreise Triests versuchen jetzt dementsprechend „Draga” zu boykottieren, als nicht pluralistisch und antijugoslawisch zu brandmarken, um so mehr, als ja in Jugoslawien der liberale Kurs vor etwa vier Jahren von einem orthodox-marxistischen verdrängt wurde. Gelegenheit, solchen härteren Tendenzen Luft zu machen, bot sich vor zwei Jahren gelegentlich eines Vortrags über die slowenische Rėsistence im Küstenland zwischen den beiden Weltkriegen. Die Zeitung ,.Primorski Dnevnik” bezeichnet« damals als „wahren Widerstand” nur die Aktion nach 1941, als die Partisanen des Küstenlands unter kommunistisch-jugoslawischer Führung standen.

In „Draga” wurde aber ein Referat über den slowenischen Widerstand in Küstenland nach dem Ersten und vor dem Zweiten Weltkrieg angekündigt, über Aktionen von slowenischen IntellektueUen und Priestern, die in der Folge vom faschistischen Regime Italiens konflniert oder zu hohen Strafen verurteilt wurden.

In Slowenien reagierte man auf die Ankündigung des Vortrags damit, daß dem schon angemeldeten Referenten aus Laibach von einer Teilnahme an der Tagung in Draga „abgeraten” wurde. Seitdem herrscht in der Republik Slowenien Mißtrauen gegenüber „Draga”. Dieses Mißtrauen wird durch die regelmäßige Teilnahme von nichtkonformistischen slowenischen Schriftstellern wie Alojz Rebula und Boris Pehor, von Priestern und Vertretern des slowenischen Kirchenlebens in Triest und Görz, vor allem aber durch die in Draga übliche kritische Diskussion über politische Probleme Sloweniens nur noch größer. Laibachs wachsende Ängste finden allemal Ausdruck in dem erwähnten links- dralligen Triestiner Tagblatt.

Heuer referierten in „Draga” ein beliebter Triestiner Reporter namens Saša Martelanc, Weihbischof Lojze Ambrožič und Vinko Ollak aus Pre- valje in Slowenien. Wenn der Titel des Referates von Weihbischof Ambrožič ,Licht und Schatten der postkonzilia- ren Erneuerung” als durchaus gemäßigt bezeichnet werden konnte (der Weihbischof sorgt in der Diözese Toronto für die slowenische Volksgruppe), so löste der Titel des Referats von Vinko Ošlak „Drei Geräte, um die Welt zu verändern: Sichel, Hammer, Kreuz” eine lebhafte Diskussion aus. Denn die slowenische geistige Landschaftist schon seit einigen Jahren von der Idee einer Koexistenz der Gläubigen und Nichtgläubigen geprägt. Doch in „Draga”, im Laufe einer freien Diskussion, vermögen die Marxisten nicht Schritt zu halten und offene Kritik an der Marx’sehen Ideologie zu widerlegen.

So verlor „Draga” nun mit dem offiziellen Boykott seitens der Republik Slowenien zwar eine ideologische Dimension, bewahrte sich aber den weltanschaulichen Pluralismus und den freien Meinungsaustausch.

Neben den küstenländischen Teilnehmem, wie Drago Stoka und Drago LegiSa, haben in den vergangenen beiden Jahren auch zahlreiche slowenische Persönlichkeiten aus Kärnten Vorträge gehalten; so Reginald Vo- spernik, Valentin Inzko, Pavel Apov- nik, Feliks Bister, Vinko Zwitter und Janko Messner. Aus Amerika kamen die Professoren Jože Velinkorya (Seattle), Toussaint HoČevar (New Orleans) und ‘Andrej Kobal (Washington), aus der Bundesrepublik Deutschland Dr. Janež Zdesnar und aut der Schweiz Lojze Šustar, einstmals Sekretär der europäischen Bischofskonferenz. „Draga” will auch in der Zukunft seiner Aufgabe treu bleiben, von Geistesfreiheit zeugen und die slowenischen Intellektuellen aus der Heimat mit der großen Welt verbinden, wie die Organisatoren versichern.

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