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In Moskau Rücksichtslosigkeit

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Noch im Juni polemisierten einige Vertreter osteuropäischer Universitäten auf der Wiener Konferenz der Europäischen Rektorenkonferenz gegen diese Institution als „Überbleibsel des Kalten Kriegs“. Sie wollten damit durchsetzen, daß eine neue, gemeinsame europäische Universitäts-Union gebildet würde, in der Ost und West versammelt wäre und in der nichts mehr an die bisher bestehenden. Organisation erinnern sollte. Keine drei Monate später exerzierten ihre Kollegen vor, wie dort die Mehrheitsverhältnisse ausgenützt werden, wo sie und ihre Anhänger dominieren. Bei der sechsten Generalkonferenz der Internationalen Assoziation der Universitäten — einer nongoüvernemen-talen UNESGO-Untergliederung — wurde ein neuer Verwaltungsrat gewählt, in dem Moskau ungehindert den Ton angibt.

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Noch im Juni polemisierten einige Vertreter osteuropäischer Universitäten auf der Wiener Konferenz der Europäischen Rektorenkonferenz gegen diese Institution als „Überbleibsel des Kalten Kriegs“. Sie wollten damit durchsetzen, daß eine neue, gemeinsame europäische Universitäts-Union gebildet würde, in der Ost und West versammelt wäre und in der nichts mehr an die bisher bestehenden. Organisation erinnern sollte. Keine drei Monate später exerzierten ihre Kollegen vor, wie dort die Mehrheitsverhältnisse ausgenützt werden, wo sie und ihre Anhänger dominieren. Bei der sechsten Generalkonferenz der Internationalen Assoziation der Universitäten — einer nongoüvernemen-talen UNESGO-Untergliederung — wurde ein neuer Verwaltungsrat gewählt, in dem Moskau ungehindert den Ton angibt.

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In Moskau versammelten sich Ende August 500 Rektoren, Präsidenten und Vizekanzler von Universitäten und wissenschaftlichen Hochschulen des ganzen Globus zur Tagung, die die „Hochschulbildung am Beginn des 21. Jahrhunderts“ diskutieren sollte. Intensive Sachdiskussionen über Hochschulbildung und ihre Entwicklungsprobleme oder die Universität und ihre Neuerungen wurden mitunter durch politische Fleißauf-gaben beeinträchtigt, etwa, wenn afrikanische Sprecher die Grußbotschaft des Parteisekretärs Breschnjew zur Eröffnung als Richtlinie für die künftige Arbeit der IAU apostrophierten.

Kritisch wurde es aber erst, als es um die Neuwahl der Organe ging, die — wie bei allen solchen Konferenzen und Gremien — nach bestimmten Schlüsseln und vorherigen Absprachen1 ablaufen sollte. Österreich war auf der Konferenz durch Wiens Universitätsrektor Professor Siegfried Korninger vertreten, der schon die Wiener Konferenz mit harter Hand geleitet hatte. Er sollte — so war es ausgemacht — als Sprecher des deutschen Sprachraums im Sinn der Regionalisierung der UNESCO in den Verwaltungsrat gewählt werden und wußte die Kollegen aus der BRD, der meisten anderen nord- und nordwesteuropäischen und der südamerikanischen Universitäten hinter sich.

Nicht aber die Kollegen aus dem Osten — sie hatten andere Pläne. Sie legten Wert darauf, den Vertreter der DDR „unterzubringen“, und nicht etwa auf dem Sitz des europäischen Ostens, sondern zusätzlich. Deswegen nominierten sie ihn als Sprecher — des deutschen Sprachraums. Da hinter ihrem En-bloc-Vorschlag nicht nur die sozialistischen Staaten, sondern auch die meisten Afrikaner und Asiaten standen und viele der für den Gegenvorschlag vergatterten Südamerikaner entsetzt über endlose Debatten lieber Moskau besichtigten, als mitzustimmen, ging der Wunsch des Ostens mit ganz knapper Mehrheit schließlich in Erfüllung.

Neben diesen Diskussionen war naturgemäß kaum Zeit, sich über eine Wiederaufnahme der in Wien gescheiterten Bemühungen um eine gemeinsame Kooperationsbasis zu unterhalten. Das Kontaktkomitee, das schon in Bologna im September 1974 eingesetzt worden war, trat zweimal zusammen. Es wäre Illusion gewesen, zu erwarten, man könne nun im Moskauer Sommer in kleinem Kreis bereinigen, woran die Vollversammlung gescheitert war: das Bekenntnis zur Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre (und seine Verankerung in der Charta), das Bekenntnis zur Kontinuität der CRE (und.der Hinweis darauf in der neuen Verfassung), schließlich die Frage, in welcher Reihenfolge die Umwandlung vor sich gehen sollte — alle diese Punkte standen nach wie vor zwischen den Streitparteien.

Nun wird sich zunächst im November in Brüssel ein Ausschuß der CRE erneut damit befassen. Für Jahresanfang aber hat Rektor Carcacini, unermüdlicher Kämpfer für die Zusammenarbeit, die Universitäten aus ganz Europa nach Trlest eingeladen, um dort über die Folgerungen der Konferenz für Zusammenarbeit und Sicherheit in Europa für die Wissenschafter zu diskutieren.

Im Korb III der Papiere von Genf und Helsinki ist auch der wissenschaftliche Bereich breit vertreten. „Erleichterungen im zwischenmenschlichen Bereich“ lassen sich natürlich am leichtesten dort intensivieren, wo sie auch bisher schon weitgehend üblich waren. So sprechen die Empfehlungen vom verbesserten Austausch von wissenschaftlichen und technischen Informationen, von Wissenschaftern und Spezialisten, von Büchern und Zeitschriften, von gemeinsamen Veranstaltungen, gemeinsamen Projekten bis hin zum Wunsch, die akademischen Grade und Diplome vergleichbawzu machen und gegenseitig anzuerkennen. Ein „wissenschaftliches Forum“ solle endlich „zusammenhängende Probleme von gemeinsamem Interesse auf dem Gebiet gegenwärtiger und zukünftiger Entwicklungen der Wissenschaften und zur Förderung des Ausbaus von Kontakten, Verbindungen und des Informationsaustausches zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen und zwischen Wissenschaftern“ beraten.

Durchwegs Aufgaben, die für den Wissenschafter im Westen seit je oder mindestens seit vielen Jahren selbstverständlich sind, die meist kaum Probleme aufwerten, höchstens solche der Bürokratie oder des Geldes. Für die Kollegen im Osten sind sie dagegen absolut nicht selbstverständlich. Umso erklärlicher wird daher ihr Wunsch, auf dieser Basis eine institutionalisierte Zusammenarbeit mit den Kollegen im Westen zu erreichen. Noch sind die aufgezählten Aufgaben gebremst durch Klauseln, wie „unter gegenseitig annehmbaren Bedingungen“ oder „wo angebracht“; sollen sie das Hintertürl bieten, durch das man ausbrechen kann, wenn man glaubt, weitere Verbesserungen des gegenseitigen Kontakts seien „nicht mehr angebracht“?

Die Konferenz von Triest wird hier vielleicht einen Einblick erlauben, und darüber hinaus einen Test über Möglichkeiten, die eine gesamteuropäische Rektorenkonferenz bieten könnte.

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