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In Otto Mauers Sinn

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Der Name von Otto Mauer wird heute oft beschworen und „eitel genannt“, auch und gerade von Menschen, die ihn nicht verstanden haben oder geradezu gegensätzliche Ansichten vertreten.

Wer war Otto Mauer?

Vor dem Eingang zur Neuen Galerie der Stadt Linz steht die Plastik des „Brennenden Menschen“ von Anton Hanak: eine Gestalt, die ganz züngelnde Flamme geworden ist. Otto Mauer war ein „brennender Mensch“, eine singulare, prophetische Figur in der österreichischen Kirche unseres Jahrhunderts. Seine Wirkung beruhte auf der Verbindung einer

hohen Intellektualität mit einer leidenschaftlichen Emotionalität. Deshalb war er ein mitreißender Redner und Prediger und ein blendender Disputant. Er liebte die offene geistige Auseinandersetzung und ging ihr nie aus dem Wege — ein höchst ungewöhnliches Phänomen in diesem Lande.

Otto Mauer war mit Leib und Seele Theologe. Ihm lag die Erneuerung der Kirche am Herzen. Er wußte, daß diese Erneuerung aus dem Geist und der Spiritualität kommen muß, nicht aber durch Verordnungen oder gar die Verdächtigung Andersdenkender erzwingbar ist. Er bejahte den Diskurs mit den Zeitströmungen und war deshalb einer der Wegbereiter des II. Vaticanum.

Schon lange vor dem Konzil vertrat er das Programm einer „freien Kirche in einer freien Gesellschaft“ (Mariazeller Programm, 1952). Wichtig war ihm das Charismatische in der Kirche, in dem er ein notwendiges Gegengewicht gegen das von ihm durchaus bejahte Hierarchische sah.

In seinen letzten Lebensjahren, als bereits fundamentalistische Tendenzen in der Kirche zu erstarken begannen, warnte er vor

einer Revision des Konzils. Otto Mauer, dieser Stachel im Fleisch der österreichischen Kirche, war sich wohl bewußt, daß er es dem damals offenen Klima in der Kirche zu danken hatte, daß er frei reden und wirken konnte.

Die von ihm 1954 gegründete unbequeme „Galerie St. Stephan“ mußte er zwar umbenennen in „Galerie nächst St. Stephan“, doch immerhin brauchte er sie nicht zuzusperren. So ging es auch bei vielen anderen Aktivitäten: man förderte ihn nicht, aber man gewährte ihm einen Spielraum der Freiheit. Das verdankte er zu einem guten Teil Kardinal Franz König.

Heute verbindet man den Namen des „Monsignore“, wie er allgemein genannt wurde, am stärksten mit seinem Engagement für die Gegenwartskunst. Während die katholische Intelligenz der Nachkriegsjahre noch unter dem Eindruck des Schlagwortes vom „Verlust der Mitte“ stand, wagte er es, für die neuesten Tendenzen einzutreten und stand für Künstler gerade, die auf allgemeine Ab-

„Ein mitreißender Redner und Prediger und ein blendender Disputant“

lehnung stießen, wie etwa Arnulf Rainer. Dabei hatte er keineswegs im Sinn, die Kunst kirchlich zu vereinnahmen, vielmehr wollte er „die Kirche der zeitgenössischen Kunst näherbringen“.

Er wußte, daß man der Kunst heute Sakralität nicht verordnen kann. Dennoch spürte er gerade in der „nicht mehr schönen Kunst“ von heute die christlichen Wur-

zeln auf. Er entwarf eine Theologie der Kunst, die bis heute nicht rezipiert worden ist. Er machte sich lustig über alle jene, die von der Kunst nur „Behübschung“ erwarteten und war sich immer bewußt, daß Kunst - gerade die moderne - nicht nur eine ästhetische, sondern vor allem eine existentielle Dimension hat, die oft mit dem nur „Schönen“ in Konflikt gerät. Die christliche Dimension sah er nicht nur - wie Johannes Damascenus — in der Beziehung zur Fleischwerdung Gottes, sondern auch zum Geheinmis des Kreuzestodes Jesu und zur Botschaft vom Gericht.

Von daher bezieht Kunst ihren unerbittlichen Ernst; sie stellt den Menschen vor das Entweder-Oder im Sinne Kierkegaards, der auf Mauer schon während seines Theologiestudiums stark gewirkt hatte. Kunst war für ihn ein Feld der Auseinandersetzung, aber auch der Begegnung; er verfolgte gespannt den Weg „teiner“ Künstler (die heute den Rang der österreichischen Kunst in der Welt ausmachen).

Das war für die Kunstwelt eine neue Erfahrung: hier sprach ein Kleriker über moderne Kunst nicht im Stil des „Anathema“, der Warnungen und Verbote, wie sie es seit Jahrzehnten gewohnt war (wobei die Bannflüche auch zutiefst christlich inspirierte Künstler trafen wie Emil Nolde und Georges Rouault oder in Österreich Albin Egger-Lienz und Max Weiler), sondern mit positivem Engagement. Ein Mann wie Arnulf Rainer bekennt auf die Frage von Friedhelm Mennekes: „Wie kamen Sie zu einer intensiveren Auseinandersetzung speziell mit dem Christentum?“ klar und eindeutig: „Durch die Begegnung mit

Otto Mauer. Mit ihm hatte ich damals viele Gespräche, und er hat mir klargemacht, daß die Bezüge zwischen der Religion und dem künstlerischen Schaffen, wie ich sie sah, gar nicht so an den Haaren herbeigezogen waren, ja er hat sie ähnlich gesehen.“

Vielleicht war es bei Walter Pichler ähnlich. Was er mir kürzlich bei einem Besuch in St. Martin sagte, ist ganz im Sinne von Otto Mauer: „Kunst ohne Religion -das wird nicht funktionieren, und Religion ohne Kunst - das wird

„Er hat Künstler angeregt, sich mit dem Christentum auseinanderzusetzen“

auch nicht funktionieren; beides wird nicht funktionieren.“ Otto Mauer hat nicht vereinnahmt, aber er hat bedeutende Künstler angeregt, sich mit dem Christentum auseinanderzusetzen — kann ein Theologe mehr tun?

Es ist meine tiefste Uberzeugung, daß nur das offene Gespräch zu einem fruchtbaren Dialog zwischen Kunst und Kirche führen kann, nicht aber Verurteilungen und Anklagen, die zumeist aus einem tiefen Unverständnis hervorgehen.

Der Autor ist Leiter des Instituts für Kunst und Kirchenbau an der Kath.-Theol. Hochschule Linz und redigiert die Zeitschrift ..Kunst und Kirche“.

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