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In Umkehr beginnt die Auferstehung"

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Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen... Jesus aber schrie laut auf. Dann hauchte er den Geist aus" (Mk 15,34-37). Damit war das Drama zu Ende gegangen. Die Jünger Jesu flohen, kehrten an ihre früheren Arbeitsplätze zurück.

All das mit Jesus von Nazaret hatte so verheißungsvoll begonnen. Das Volk war ihm nachgelaufen, hatte seiner Predigt gelauscht. Nicht nur den oberen Schichten, vor allem den Kleinen und Armen hatte er Hoffnung gemacht. Allen Menschen hatte er das Heil angeboten. Und nun diese Katastrophe!

Seine Apostel kehrten enttäuscht und resigniert in ihren Alltag zurück, nachdem sie durch geraume Zeit auf den Wogen des Erfolges geschwommen waren. Die Emmausjünger formulieren es sehr unmittelbar: „Wir aber hatten gehofft, daß er es sei, der Israel erlösen werde." (Lk 24,21).

Nun aber war er tot. Seine Anhänger waren traurig, das offizielle Israel jubelte. Dieser lästige Mensch war beseitigt.

Da gab es plötzlich Unruhe bei den Jüngern: Die Frauen aus ihrem Kreis waren gekommen und hatten voll Aufregung und Angst berichtet, das Grab sei leer und Engel hätten ihnen gesagt, Jesus sei auferstanden. Weibergewäsch!

Die Emmausjünger erzählen ihrem geheimnisvollen Begleiter von diesem Gerede, fügen jedoch hinzu, einige Jünger wären zum Grab gegangen und hätten es leer gefunden. Resigniert aber ziehen sie den enttäuschenden Schluß: „Ihn selbst aber sahen sie nicht" (Lk 24,24).

Als die Jünger dem Thomas erzählten, der Herr sei auferstanden, erklärte er mit Bestimmtheit, sähe er nicht die Nagelwunden und Könne er nicht seine Hand in die Wunden legen, so glaube er nicht. Selbst Maria Magdalena, die den Herrn mit der ganzen Kraft ihrer Seele liebte, war blind in ihrem Schmerz. Sie begegnete ihm und erkannte ihn nicht.

Aus den Texten wird so deutlich, daß sie an alles andere eher dachten als an die Auferstehung Jesu. Er ist auferstanden? Das gibt es doch nicht! Er ist am Kreuz gestorben und wurde begraben. Er ist tot!

Doch dann kam allmählich Licht in das Dunkel ihrer Herzen. Der Herr zeigte sich ihnen und überwand ihren Unglauben. Der Lieblings jünger Johannes lief mit Petrus zum Grab und trat hinein. Er sah und glaubte. Die Jünger von Emmaus erkannten ihn beim Brotbrechen. Thomas rief aus: „Mein Herr und mein Gott!"

Maria Magdalena erkannte ihren Herrn, nachdem er sie beim Namen gerufen, und glaubte. Später sollte ein Saulus, der diesen Jesus fanatisch verfolgt hatte, erkennen, daß es vergeblich ist, gegen den Stachel auszuschlagen. Er wurde zum lebendigen Verkünder des auferstandenen Herrn..

Was immer menschlicher Verstand ersinnen mag, was immer menschliche Skepsis und Nichtglaubenwollen an Einwänden vorbringen können, um eine Tatsache kommt man nicht herum:Diese resignierte, eingeschüchterte und feige Schar der Jünger, zunächst voll von Zweifeln und Bedenken, macht plötzlich die Tore weit auf!

Sonder Angst und Furcht treten sie vor die Menschen und verkünden, was sie selbst so umwerfend erlebt haben: Der Herr ist wahrhaft auferstanden! Wie er auferstanden ist, würden alle, die an .ihn glauben, auferstehen zum Leben. Sie lassen sich durch nichts abbringen, nicht durch Einkerkerung, Folter und Tod. Sie tragen die Botschaft hinaus in alle Welt. Sie können unmöglich von dem schweigen, was sie gehört und gesehen haben. Der Glaube der Jünger, die durch ihr Leben untermauerte und bezeugte Botschaft, sind zur Herausforderung der Menschheitsgeschichte geworden.

Diese Botschaft vom Auferstandenen und von der Auferstehung am jüngsten Tag erklingt auch heute noch — in einer Zeit, die wie kaum eine andere erfüllt ist von einem Fortschrittsoptimismus babylonischen Ausmaßes, daß alles durch menschlichen Verstand und menschliches Tun machbar sei. Wir bauen unsere babylonischen Türme, die nun unter unseren Händen zerbrök-keln. Wir reden von Fortschritt, von Entwicklungshilfe, von Humanität und verstehen einander nicht mehr.

Unser Hauptaugenmerk legen wir nicht so sehr darauf, was richtig Oder falsch ist, sondern wir setzen alles ein, um zu zeigen, daß der andere mehr falsch macht als wir. Das Geschehen unserer Tage klingt wie das erschütternde Finale einer Todessinfonie.

Wenn der Mensch nur an sich selbst denkt, keine Grenzen akzeptiert, im Du das Böse sieht und nicht auch in sich selbst, wenn er nur immanentes Geschehen wahrnehmen kann und nicht mit der Möglichkeit der Transzendenz rechnet, kann er den Blick für die Zeichen der Zeit nicht haben. Er sucht nach einem Sinn — kaum eine Zeit klagt mehr über Sinnlosigkeit und Absurdität denn unsere —, aber er ist gleichsam blind, so gut er vielleicht persönlich seiner Sinne mächtig ist.

Maria Magdalena kam zum Grab und suchte ihren Herrn. Verstandesmäßig war .Jesus für sie tot. Sie hat ihn doch sterben sehen, war dabei, als man ihn ins Grab legte. Sie war so von ihrem Leid befangen, daß sie nur jammern, klagen und weinen konnte. Sie begegnete dem Herrn. Doch ihre Gedanken gehen nur in eine ganz bestimmte Richtung. Sie will den toten Herrn finden und sieht deshalb den lebendigen nicht.

In solchen Augenblicken und Situationen verstehen wir oft die klarsten Hinweise und Zeichen nicht. Sie sieht Jesus, hält ihn für den Gärtner und fragt ihn, ob er wisse, wohin man den Herrn gelegt habe. Da spricht sie Jesus mit ihrem Namen an. Sie hört in ihr Klagen hinein seine Stimme und erkennt ihn.

Maria Magdalena hatte in all ihrer Blindheit und all ihrem Jammer eines für sich: Sie suchte ihren Herrn. Solange wir suchen und solange wir unsere Grenzen in diesem Suchen sehen und dadurch bereit und offen sind, uns etwas schenken zu lassen, solange sind wir nicht verloren, solange haben wir Hoffnung, den Oster-morgen zu erleben, an dem uns bewußt wird, daß der Herr lebt.

Eines muß uns jedoch klar sein: Der Auferstandene zeigt uns einen Weg, gibt unserem Leben Sinn, doch er fordert auch Umdenken und Umkehr. Und dieses Umdenken erschöpft sich sicher nicht darin, dem anderen den schwarzen Peter zuzuschieben, sondern bei sich zu beginnen. Wann werden wir das in unserem Land erleben, in unserer großen und kleinen Welt?

Jesus hatte zu Petrus gesagt: „Wenn du dich bekehrt hast, dann gehe und stärke deine Brüder!" In dieser Umkehr beginnt die Auferstehung, die dann vorhält zu jener Auferstehung, die uns der Glaube schenkt. So ist die Botschaft von der Auferstehung alles andere als eine Vertröstung auf ein besseres Jenseits, das unser rein irdisch ausgerichteter Blick erst recht nicht sehen kann, sondern ein klarer Imperativ für unseren christlichen Auftrag im Heute und Jetzt.

Die Zeichen unserer Zeit, Terrorszenen, Militärdiktaturen und Korruptionsaffären, brutales Wirtschaftsdiktat, Völker- und Rassenhaß, sind nur die Spitze eines Eisberges. Unter dem Wasser liegt unser höchstpersönliches Unvermögen zur Liebe. Dort liegt der eigentliche Tod. So führt der Glaube an die Auferstehung zum Umdenken und zur Umkehr, und daraus fließt die zutiefst christliche Hoffnung auf die Auferstehung und das Leben.

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