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In zehn Jahren „Nummer eins“!

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Österreichische Musikkultur triumphiert in Japan. Das Publikum füllt die Riesenhallen, die Kritik jubelt. „Selten hat es eine so umfangreiche, glanzvolle Selbstdarstellung Österreichs im Ausland gegeben. Wir werden auf Händen getragen!“ Euphorie ist in den Worten zu spüren, mit denen etwa

Direktor Claus Helmut Drese kürzlich den Erfolg der Wiener Staatsoper beim Gastspiel in Tokyo beschrieb.

Aber auch von den japanischen Veranstaltern und dem Management hört man nur begeisterte Worte über dieses von Japans Privatwirtschaft gesponserte- Gastspiel, in dessen Rahmen in vier Wochen (bis 20. November) vier Wiener Produktionen in siebzehn Aufführungen gezeigt werden: „II Viaggio a Reims“ und „Wozzeck“ (unter Claudio Abbado). „Parsifal“ (unter Heinrich Hollreiser) und „Die Zauberflöte“ (Hans Graf/Nikolaus Hanoncourt).

Bei dem Österreich-Boom sind auch andere Institutionen Nutznießer: So feierten die Wiener Philharmoniker und der Staatsopernchor in ihrem (TV-) Allerheiligenkonzert einen Triumph; die Wiener Symphoniker touren unter Georges Pretres Leitung zwei Wochen lang durch Japan und werden für ihre Wiedergaben von Gustav Mahlers I. und Beethovens VII. Symphonie enthusiastisch gefeiert. Aber auch das ORF-Symphonieorchester unter Pinchas Steinberg, das Volksopernorchester, das Johann-Strauß-Orchester und Kammermusikformationen wie das Alban-Berg-Quartett und das Ensemble Wien-Berlin reisen in den kommenden Wochen nach Japan.

Ein Grund für diese Intensivierung der japanisch-österreichischen Kontakte ist das 120jährige Bestehen des Freundschaftsvertrags, der 1869 zwischen Kaiser Franz Joseph und Japans Tenno geschlossen wurde. Aber es kann nicht der einzige Grund sein. Noch nie hat Japan eine so expansive Politik betrieben, der Versuch der Aufarbeitung europäisch-amerikanischer Kultur in den japanischen Metropolen war noch nie so deutlich. Künstler wie Placido Domingo, Luciano Pavarotti, Jose Carre-ras oder Jessye Norman, Spitzenorchester oder Kunstschätze sind hier häufiger präsent als in den alten

Kunstzentren Europas. Und stets treten Konzerne als Sponsoren auf, die diese Art der kulturellen Förderung - wie etwa die „Sony“-Unter-nehmer Aiko Morita und Norio Ohga bestätigen - als eine Art moralische Verpflichtung verstehen.

Morita und Ohga, zwei Namen, die für viele stehen, haben soeben um rund 25 Milliarden Schilling den gesamten Klassiksektor des amerikanischen Plattenunternehmens CBS sowie den musikalischen Produktionsnachlaß Herbert von Karajans, 17 Fernseh- und 48 Videoproduktionen, aufgekauft. Sie betonen, daß sie gezwungen sind, ihre kulturellen und Mediengroß-projekte mit europäischen Institutionen durchzuführen. „Für uns besteht keine Frage, daß vor allem New York, Berlin, Mailand und Wien die Zentren sind, in denen heute ein Musikangebot wie nirgends in der Welt besteht. Wir müssen unsere Produktionen an diesen Zentren organisieren, wenn wir uns für die Zukunft internationale Spitzenproduktionen sichern wollen“, bestätigte kürzlich Günther Breest, Präsident des neu geschaffenen „SonyClassical“-Imperiums, das letztlich ein Ziel hat: Mit seinen Musikproduktionen

„in zehn Jahren die Nummer eins in der Welt“ zu sein.Um dieses Ziel zu'erreichen, bedarf es eines wahrhaft weltumspannenden Musik-und Kulturpublikums, das - ähnlich wie in den Yamaha-Musikschulen - von Anfang an diese Musikprodukte gewöhnt oder, krasser gesagt, für sie „erzogen“ wird. Da muß das Mutterland Japan selbst mit seinen riesigen Konsumentenscharen mitspielen.

In Europa und Japan ist die Nachfrage nach „europäischen Musikproduktionen“ die nach Japans technischem Know-how gestylt werden, ohnedies garantiert. In Japan muß die Nachfrage danach aber angeheizt werden. Für Europas Kultur zu werben, werden die japanischen Medienkonzerne daher heute nicht müde. Denn nur wenn Japans Millionenpublikum etwa von Wiens Musikkultur fasziniert ist, wird es in Hinkunft auch ein bedingungsloser Abnehmer von Videos, Bildplatten und CD's der Wiener Herkunft sein. Japans Konzernen, den Großeinkäufern europäischer Kultur, sollen höchst moralische Motive nicht abgesprochen werden. Aber, mindestens ebenso groß ist ihr Interesse auch in der Kulturvermarktung in zehn Jahren die Nummer eins zu sein.

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