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INDIANISCHE RECHTE: NAHELIEGENDE EXOTIK

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Schon kurze Zeit, nachdem die sogenannte „Neue Welt" ins Gesichtsfeld Spaniens geraten war, wurde auch die Frage nach den Rechten der dort einheimischen Bevölkerung aufgeworfen. Waren die „Indianer" genannten Menschen wahrhaftige Eigentümer ihres Landes? War es legitim, die Herrschaft christlicher Könige in jenen Ländern aufzurichten?

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Schon kurze Zeit, nachdem die sogenannte „Neue Welt" ins Gesichtsfeld Spaniens geraten war, wurde auch die Frage nach den Rechten der dort einheimischen Bevölkerung aufgeworfen. Waren die „Indianer" genannten Menschen wahrhaftige Eigentümer ihres Landes? War es legitim, die Herrschaft christlicher Könige in jenen Ländern aufzurichten?

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In Spaniens Universitäten setzte sich zwar - gegen Ansichten die von berechtigter militärischer Unterwerfung der „Eingeborenen" ausgingen - eine Lehre durch, die mit dem Namen des als Mitbegründer der Völkerrechtswissenschaft bekannten Vitoria verknüpft ist. Dieser in Salamanca wirkende Gelehrte hatte die unter den heidnischen Indianern geltende Ordnung als solche anerkannt und deren Legitimität auf „natürliches Recht" gestützt.

Die Regeln dieses Naturrechtes sollten unter allen Menschen gelten -auch unter Heiden. Weder Papst noch christliche Fürsten konnten eine Oberhoheit über die „heidnischen Fürsten" beanspruchen nur weil diese keine Christen waren, es sei denn die Heiden selbst brachen die natürliche Ordnung und behinderten insbesondere die friedliche Verkündung des Christentums. Die Lehre ging in die „Neuen Gesetze" ein (1542), den Indianern wurde persönliche Freiheit und Eigentum zugesichert. Sie war jedoch von den politischen Realitäten in der „Neuen Welt" bereits überholt worden. Iberische politische Herrschaft hatte in Amerika Fuß gefaßt und auch nach deren Zusammenbruch entstand keine Welt „indianischer Staaten" im nunmehr „Lateinamerika" genannten Kontinent.

Die neuen Staaten sahen es als Aufgabe, die indianischen Gruppen in die sogenannte „nationale" Gesellschaft zu integrieren und erkannten ihnen weder kulturelle noch politische Eigenständigkeit zu: Paradoxerweise sollte gerade im Völkerrecht, an dessen Wiege die Frage um die indianischen Rechte Pate gestanden hatte, kein Platz für Indianer sein: Völkerrecht war das Recht von Staaten, nicht von Völkern geworden.

Seit dem Zweiten Weltkrieg wird Wahrung der Menschenrechte zunehmend als internationale Aufgabe anerkannt (vergleiche die Charta der Vereinten Nationen oder den KSZE-Prozeß in Europa).

Indianische Völker (und andere Eingeborenenvölker der Erde) haben deshalb auch mit zunehmendem Erfolg auf die Situation hingewiesen, der sie sich wegen einer auf Zwangsassimilierung ausgesetzten staatlichen Politik ausgesetzt sehen. 1971 haben deshalb die Vereinten Nationen eine Studie über die Diskriminierung eingeborener Völker in Auftrag gegeben. In dem vom lateinamerikanischen Juristen Martinez Cobo nach einigen Jahren vorgelegten Bericht wird das ganze Ausmaß an gravierenden Menschenrechtsverletzungen deutlich, von denen eingeborene Völker betroffen sind. Femer zeigt sich beim Lesen dieser Studie, daß Probleme eingeborener Völker nicht einfach als Diskriminierung verstehbar sind.

Zentrale Schwierigkeit der indiani-

sehen Völker liegt im Leben in einer staatlichen Welt, welche sich auf Souveränität beruft, um indianische Lebensweise(n) zu verändern, und die ein „öffentliches Interesse" in Anspruch nimmt, um auf natürliche Ressourcen des Lebensraumes indianischer Völker zu greifen.

Staatlichen Bedrohungen menschlicher Freiheit kann wirksam mit menschenrechtlichem Schutz begegnet werden. Die Vereinten Nationen sind sich dieser Herausforderung bewußt und haben 1982 eine Arbeitsgruppe für eingeborene Völker eingesetzt, in deren Rahmen derzeit eine - von UN-Insidern „Bill of Rights" der Eingeborenenvölker genannte - Deklaration der Generalversammlung vorbereitet wird. Die Arbeitsgruppe hat eine im gesamten UN-System einzigartig offene Arbeitsweise entwickelt, die es Hunderten Vertretern eingeborener Völker - darunter zahlreiche Indianervölker Amerikas - möglich gemacht hat, an den jährlich in Genf stattfindenden Arbeitssitzungen teilzunehmen. Das bisher in Arbeitsentwürfen vorliegende Dokument zeigt einige Hauptmerkmale, die Antwortenauf die notorischen schweren Menschenrechtsverletzungen gegen eingeborene Völker darstellen:

Widerstand einiger Staaten

Diese Völker sollen sich unter Wahrung ihrer eigenen kulturell-ethnischen Identität selbst entwickeln können. Die besondere Bedeutung des eigenen Lebensraumes für diese Gruppen kommt in einer Reihe von Bestimmungen zum Ausdruck, die sich auf den Schutz dieses Lebensraumes gegen Entziehung und gegen ökologische Zerstörung von außen beziehen. Ebenso sind Garantien traditioneller Wirtschaftsaktivitäten (zum Beispiel Jagdrechte) enthalten.

Ferner ist die Deklaration vom Grundsatz der „Partizipation" durchzogen, die betroffenen Eingeborenenvölker sind dementsprechend in Pla-nungs- und Entscheidungsprozesse, die ihren Lebensraum oder sie selbst betreffen, einzubinden.

Optimisten schien die Verabschiedung einer Deklaration über „Rechte eingeborener Völker" im Jahre 1992 - als mehr als nur symbolischer Akt angesichts staatlich verordneter Jubiläums-Jubelfeiern- realistisch zu sein, jedoch hat die unerwartete Komplexheitder Problematik und auch der Widerstand einiger Staaten das Vorhaben erheblich verzögert.

In letzter Zeit wurde im Rahmen der Diskussionen um Eingeborenenrechte die Tatsache thematisiert, daß das Schicksal eingeborener Völker nicht von Entscheidungen „ihrer" Regierungen alleine abhängt. Einwirkungen auf den Lebensraum brasilianischer Indianer zum Beispiel werden nicht nur in Brasilia entschieden, sondern auch am Sitz der Weltbank und in Staaten, die mit Brasilien wirtschaftlich zusammenarbeiten.

Es wäre daher verkürzt, als Adressaten von Menschenrechten, wenn es etwa um Indianer geht, nur Regierungen amerikanischer Staaten zu sehen. Menschenrechte sind auch hier Sache universeller Verantwortung - auch jener Österreichs:

Österreich hat Sitz und Stimme in internationalen Finanzinstitutionen,

deren Projekte den Lebensraum eingeborener Völker zerstören (zum Beispiel Brasilien: Kraftwerksbau). Österreich exportiert technische Produkte, die ohne Partizipation eingeborener Völker in deren Lebensraum eingesetzt werden. Und Österreich im-

portiert Naturprodukte gegen deren Gewinnung eingeborene Völker Widerstand leisten und deswegen kriminalisiert werden (zum Beispiel tropi sehe Hölzer).

Schließlich existiert eine österreichische Entwicklungszusammenar-

beit, die meines Wissens von der Erarbeitung der Standards indigener Rechte bisher kaum Notiz nimmt, obwohl sie hier - soweit eingeborene Völker betroffen sind - eine konkrete Basis zur Ausrichtung ihrer Inhalte finden könnte.

Das Jahr 1992 sollte besonderen Anlaß bieten, die nicht neue, aber wiedererwachte Aktualität des Ringens um Menschenrechte für Indianer aufzuzeigen. Internationale Verflechtungen sind heute intensiver und, für die Betroffenen, massiver denn je. Dieser Bereich kann auf Dauer nicht einer menschenrechtlichen Beurteilung entzogep werden und von den Staaten in die formal zuständigen Gremien der Vereinten Nationen abgeschoben werden. Ein wichtiger Schritt wäre die Zurkenntnisnahme der spezifischen Probleme eingeborener Völker durch das offizielle Österreich. Vielleicht könnte dann auch unser dritter Leitsatz bald von der Realität überholt werden.

Der Autor ist Universitätsassistent an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und arbeitet in Forschung und Lehre Uber die rechtliche Situation eingeborener Völker.

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