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Indien setzt auf Österreich

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„Unsere Friedensfragen und die Sicherheit in Europa entscheiden sich vielleicht weniger in der Zahl der Atomwaffen als daran, ob zwischen Nord und Süd ein sozialer Ausgleich erreicht werden kann.“ Mit diesem Grundsatzgedanken beendete vergangene Woche der österreichische Vize- Kanzler Norbert Steger seine viertägige Südasien-Reise, die ihn in die indische Hauptstadt Neu Delhi geführt hatte.

Der formale Aufhänger des Besuchs des österreichischen Vizekanzlers in Indien war die erste Tagung der indisch-österreichischen Gemischten Kommission. Dieser neue bilaterale Kontakt kam auf Initiative der indischen Premierministerin Indira Gandhi anläßlich ihres Staatsbesuchs in Wien im Juni dieses Jahres zustande. Österreichs Antwort kam spontan und war positiv.

Gerade durch die politisch und geographisch unterschiedliche Situation gebe es für beide Seiten besonders gute Chancen der Drittlandkooperationen in den verschiedenen Weltbereichen. Die neuen verstärkten Wirtschaftsgespräche sollen laut Steger auch zum Ziel haben, daß Österreich in Indien vermehrt einkauft: „Die Wirtschaftsbeziehungen sollen keine Einbahnstraße sein.“

Indien steht an zehnter Stelle der weltweiten Industrieproduktion. Die jüngste Tagung der indisch-österreichischen Gemischten Kommission wollte diese Tatsache den 27 Firmenvertretern, die mit Steger nach Delhi gereist waren, deutlich machen.

Im Moment besteht zwischen Indien und Österreich ein klares Export-Ubergewicht zugunsten der österreichischen Seite. Um seinem Bedarf nach mehr Industrialisierung und Technologie nachzukommen, lockerte Indien in den letzten drei Jahren seine eher strengen Importbestimmungen. Dabei kam es in manchen Branchen zu Importzuwächsen von jährlich 300 Prozent.

Allein die österreichischen Exporte an Werkzeugmaschinen nach Indien stiegen 1982 um das Dreifache. Ebenso wichtig sind die österreichischen Firmenniederlassungen auf dem Subkontinent.

Älteren Datums sind die österreichischen Finanzhilfen zum Bau von indischen Stahlbauunternehmen und Kraftwerksbauten. Wichtigstes Beispiel ist das nordindische Stahlwerk Rourke- la, ein echt österreichisches „Kind“, das jetzt mit einer geschätzten Finanzhilfe von 60 Mil lionen Dollar modernisiert werden soll. Im südindischen Bundesland Karnataka planen Österreich und Indien ein weiteres Stahlwerk, bei dem. auch völlig neue Technologien zur Anwendung kommen sollen. Sie würden nicht bloß den Stahlbau-Prozeß beschleunigen, sondern durch stärkere Eigenständigkeit Indien kostbare Devisen sparen lassen.

Damit wäre auch erfüllt, was das österreichische Handelsministerium als Ziel der Kontakte mit Indien sieht: Finanz- und Entwicklungshilfe soll nicht bloß Export eigener Produkte sein, sondern muß das Partnerland in der Dritten Welt mit seinen eigenen Möglichkeiten entwickeln helfen.

Am Ende der Tagung der Gemischten Kommission in Neu Delhi, die in den Detailgesprächen auf österreichischer Seite von Ministerialrat Willenpart geleitet wurden, unterschrieben beide Seiten gemeinsame Zielsetzungen, um das Handels-Volumen im Umfang von 600 beziehungsweise 1000 Millionen Schilling möglichst rasch zu erhöhen. Indien bat Österreich, zur Ausgleichung der Zahlungsbilanz vermehrt Konsumgüter wie Tee und Kaffee, Textilien, Teppiche und Industrieprodukte wie Fahrräder und Motorrad- und Autoersatzteile abzunehmen.

Für den Vize-Kanzler war die Fülle von Ministerkontakten, die er in Delhi während der kurzen vier Tage hatte, ein klares Signal auch von der indischen Seite. Indien hofft in Österreich einen Antreiber des Nord-Süd-Dialogs, besonders unter den europäischen Ländern, zu haben.

Die österreichischen Besucher in Indien haben sich im übrigen daran erinnert, weshalb die Freundschaft zwischen den beiden Ländern so tief geht. Schon Frau Gandhis Vater Jawaharlal Nehru hatte durch seine Kontakte zu Moskau Wien große Dienste erweisen können. Als Nehru damals in der Schweiz einem indischen Botschaftertreffen beiwohnte, besuchte ihn auch der damalige österreichische Außenminister Gruber und bat ihn, bei den zähen Verhandlungen für den Staatsvertrag helfend beizustehen. Nehru reiste später nach Moskau und legte dort ein gutes Wort für ein unabhängiges Öster-reich ein.

Diesen Einsatz für seine Freiheit hat Wien den Indern nie vergessen, und so stehen sich das neutrale Österreich und das blockfreie Indien, bei allem Wissen über den Unterschied dieses Status’, nicht bloß formell, sondern persönlich nahe. Der Staatsbesuch des österreichischen Kanzlers Fred Sinowatz in Indien im ersten Halbjahr 1984 wird diese freundschaftliche Beziehung unterstreichen.

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