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Indik ruft Aussies

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„Nyai Loro Kidul“ (Meereskönigin des Südens) heißt auf Java ein altes Märchen. Das moderne Märchen hingegen heißt heute „Inidik — die Friedenszone“, eine Frdedenszone allerdings, die der neue australische Premierminister Malcolm Fräser im Verlauf eines Interviews mit dem Reporter von Radio Australia, Tony Walker, sehr bezweifelte.

Im Herbst des Jahres 1975 gab es in den beiden größten Staaten unter dem Kreuz des Südens, in Australien und Neuseeland, einen politischen Erdrutsch und einen strategischen Szenenwechsel. Am 29. November gewann die konservative National Party Neuseelands mit 53 Parlamentssitzen gegenüber 34 Sitzen der Labour Party den Wahlkampf. In Australien verlor die Labour Party Gough Whitlams am 13. Dezember mit knapp 39 Sitzen, gegenüber 84 der Koalitionsparteien (Liberty Party und Country Party) mit Malcolm Fräser an der Spitze, die Wahlen.

Sicherlich hatte Whitlam seine Chancen durch eine innenpolitische Misere vertan. Die roten Ziffern des Budgets beliefen sich bereits auf jährlich über eine Milliarde US-Dollar; die Inflation stieg auf 16,9 Prozent. All dies geschah zum ersten Male in den bisherigen 40 Jahren australischer Geschichte. Natürlich bildeten auch die außenpolitischen Probleme wichtige Faktoren. Die Aussies waren infolge der drastischen Änderungen im Verhältnis der Weltmächte zueinander unsicher geworden.

Unter Whitlam tendierte Canberra immer mehr der Detente zu, sowohl China, als auch der UdSSR gegenüber. Whitlam wollte die SEATO verlassen, verhielt sich dem Fünf-Mächte-Pakt (Großbritannien, Australien, Neuseeland, Malaysia und Singapur) gegenüber eher passiv, und nur den ANZUS-Pakt hielt er für einen Strohhalm der nationalen Sicherheit Australiens. „Australien steht am Rande beunruhigender Entwicklungen“, meinte der Präsident der australischen Labour Party.

Die Pazifik-Doktrin, die Präsident Ford am 7. Dezember 1975, am 34. Jahrestag von Pearl Harbour, auf Hawaii verkündete, unterscheidet sich von der „Deklaration von Gu-am“ Nixons vor sieben Jahren grundsätzlich. Der Rückzug wurde zur Offensive. Von dieser Politik beeindruckt, steuert Fräser seinen neuen Kurs. Der geographischen Position des Sechsten Kontinents wegen

muß Fräser mit den ASEAN-Ländern, vor allem mit Indonesien, eine Politik der guten Nachbarschaft betreiben. Australien wird des weiteren intensive' Kontakte zu China und Japan pflegen. Es schenkt anderseits der Landesverteidigung jetzt größere Aufmerksamkeit als früher. In strategischer Hinsicht legt es großen Wert auf Indik, durch den die lebenswichtigen Verbindungslinien zu den arabischen Erdöl- und den europäischen Industriestaaten verlaufen. Es zeigt sich der zunehmenden starken Präsenz der sowjetischen Seemacht im Indik wegen zutiefst beunruhigt.

Für Canberra decken sich die außen- und militärpolitischen Aspekte fast zur Gänze. Südafrika, Mittelost und Timor... alle diese Fragen können für Australiens Sicherheit entscheidend sein. Die Unruhen vor Australiens Haustür, auf Osttimor, in Westpapua und Papua-Neuguinea beweisen, daß Australien

zwar ein Land der Weißen bleiben wird, sich aber energischer denn je mit Asien beschäftigen muß. Die Torres-Straße ist neben Bering, Pe-rousa, Taiwan, Malakka, Hormuz und Dab el Mandeb zu einer der sieben wichtigsten Meeresengen Asiens geworden.

Unter solchen Überlegungen baut Australien seine militärischen Engagements auf dem asiatischen Festland zwar zur Gänze ab, konzentriert sich jedoch auf die Verteidigung im Iradäk. Fräser unterstützt offen das Vorhaben der USA auf Diego Garcia, sogar unter dem Risiko, sich dabei die Abneigung Indiens zuzuziehen. Die australischen Ko-kos- und Christmas-Inseln sind

schon jetzt sichere Stützpunkte der US-Marine für Reparaturen und Versorgung.

Schon 1963 schloß Canberra mit. Washington das Nordwestkap-Abkommen, das Australien in die Lage versetzt, sich an Verwaltung, Betrieb und technischer Überwachung der Station zu beteiligen, die unter an-

derem der Verbindung mit den Atom-U-Booten im Indik dient. Auf dem australischen Kontinent gibt es fünf amerikanische Nachrichtenbasen: Nurringer, Pine Gap, Woomera, Alice Spring und Mamelin Pool; sie funktionieren vorwiegend als ein Teil des globalen Kommunikations-netzes der USA, als Zwischenglied für Nachrichtensatelliten.

Fräser hat unterdessen den Seestreitkräften der USA und Großbritanniens im Indischen Ozean Marinestützpunkte in Westaustralien angeboten, darunter Cockburn Sound und Freemantie, beide nahe von Perth. Cockburn Sound war Marinestützpunkt der Westmächte während des Zweiten Weltkriegs, und ist

heute für die Benützung durch Atom-U-Boote ausgebaut worden. Eine Erweiterung des Hafens für die gleichzeitige Benützung durch vier Zerstörer und Unterseeboote soll bis 1978 abgeschlossen sein. Cockburn Sound wird also ebenso wichtig werden wie etwa Diego Garcia und Simonstown bei Kapstadt.

Collin, US-Politologe und Ex-Chef des OIR (Office of Intelligence Research) im Department of State, schlug nach dem Verlust der US-Festlandbrückenköpfe in Indochina und im östlichen Mittelmeer die Bildung einer „Allianz der 14 Inselstaaten“ mit weltweiter Insel-Strategie vor. Australien nimmt in diesem Konzept einen wichtigen Platz ein.

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