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Indiras Griff

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Mehr als 250 Mdlilianien Mensctei gehen diese Woche in Indien zur Wahl. Sde wählen für oder gegen die Tochter Nehirois. 1966 war Indiana Gandhi noch eine Verleigenheiits-lösung geweaen. Nach dem Tod des Miinisterpräsddenten Shaistni landein sich die Gewaltigen uniter den Nachfahren Gandhds in einuem macht-polibisohen Patt.

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Mehr als 250 Mdlilianien Mensctei gehen diese Woche in Indien zur Wahl. Sde wählen für oder gegen die Tochter Nehirois. 1966 war Indiana Gandhi noch eine Verleigenheiits-lösung geweaen. Nach dem Tod des Miinisterpräsddenten Shaistni landein sich die Gewaltigen uniter den Nachfahren Gandhds in einuem macht-polibisohen Patt.

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Zur gleichen Zeit hatte sich auch das Spiel der Großmächte um Indien in die Nähe eines Gledchgewiichts entwickelt. Die UdSSR verteidigte ihre Positionen aus der Zeit Neihrus. Dais Ūbereinlcommen zwischen Palii-stan und Indien nach dessen Uniter-zeichnung in Taschkent. Doch Sbastri, der „letzte Rechtschaffene aus dem Ashram Gandhis", hatte Washington und London einige Türen geöfftiet. Er strebte nach einer neuen Akzentverteiluing in der außenpolitischen Fassung der indischen Neutralität. Der 51jährigen Tochter des Jawaharlal Nehm traute man genug Einsicht ziu, am Patt im inmienpolitischen Spiel, am Gleichgewicht der Großmächte im Machit-spiel um Indien nichts verändern zu wollen. Die Königsoiachar des Natioinalkcrigresses haititen ihire Rechnung ohne die junge Königin giemadit Die sofisit so scblauien Alten mußten in arem Verlangen nach Kontinuitäit der gewlnnbwin-genden Stagnation übersehien haben, was gamz offiansichtlich war, daß Frau Mdiira Gandhi eine sehr unge-diulddige Tteme war. Die Dame packte zu.

Das Wort ,;5oziialismus", das ton Nationalkongreß selbst vmiter Nehru nur ästhetisch-folklorisitischen Wert hatte, prägte sie zu einem Leitmotiv ihrer Kongtreßpartei und ihrer Regierungspolitik. Als dairob die Kongreßpartei zerfiel, verstand sie es, der Partei ihrer Gegner die Bezeichnung „der Alte Kongreß" aufzuzwingen. EhTe eigene Gruppe wurde „der Neue Kongreß", der Kongreß zur Verwirklichung der Emiainzipation der Parias, der Bodenreform, des Sozialismus. Je weiter die Schere zwischen den sozialisrtiischen Versprechungen und der indischen Wirklichkeit wurde, desto enger mußten Indira und ihre Komgreßpartei sich an die Kommu-oistisahe Partei Indiens (sowjetischer Prägung) hallten. Indira Gandhi wurde das beste Modell einer „fortschrittlichen Demokratin" in Asien, die größte Hoffnung jener Macht,, die überall die „Amrtümpera-listische Einheit" als ihren eigenen Einaatz pflegt.

Im vergangenen Jahr verlagerte siioh das sowjetische Intoesse stärker imd unverhüllter von Indien auf den Indischen Ozean. Fabaiikien ziur Montage und zur Produktion der MIG, Werften für den Bau von Kriegsschiffen, Bntwicklungisanlagein, für den Bau von Unterseebooten — nach sowjetischer DokumenitaiUon und uniter sowjetischer Anleitung — entstanden entlang der indischen Küste. Sowjetische MIG-Instruk-teure, MIG-PUoten und Ingenieuire führen ein abgesondertes und ziemlich geruhsames Leben in gutbürgerlichen Hotels der Indischen Hafenstädte. MüMooen von Rupiahs, die Moskau aus den sowjetischen Lieferungen für Indien auf Rupiah-basis gehortet hat, kontrollierten immer größene Sektoren der indischen Wirtschaft.

Frau Ganidhi ließ sich vom den Sowjets nicht abhalten, auf vielen Wegen die Versöhnung mit Peking zu suchen. Dem WahUriieden mit der kommunistiischen Partei Indiens sowjetischer Richtung mußte sie ihre Chdnapolitik zumindest temporär opfern. Selbst in der Zeit der intensivsten Investitionen sowjetischer Mittel und sowjetischen Einflußes in Indien hat Indira Gandhi Sorge geitragen, Washington nicht jieder Hoffnung auf einen Meinen Anteil’ an der indischen Neutralität zu berauben. Im politischen Spanniungs-feld hat Indira Gandhi aber jede Pruidenz m den Wind geschlagen. Uberall ist es sichtbar, daß diesie Wahl dn Indien zur Indirą-Gjindhi-Watol geworden isit. Übenall ist es fliGihtbair, daß mit dem Übergewicht der Indira Gandhi auch die Gewichtigkeit des sowjetischen Einflusses in Indien, des sowjetischen Einsatzes im Indisohien Ozean wachsen wird.

Die Frau Ministerpräsident hat keine freie Rollbahn vor sich. Rechts von ihr, der Alte Kongreß, ist zwar durch die Teilhaberschaft der alten Herren am 24jährigen Fäulungsprozeß des Erbgutes Mahatma Gandhis kompromittiert. Von den anderen Parteien der Opposition zur Rechten der Indira Gandhi hat die Partei des Hindu-Zelotentums Jana Sangh sich viel zu spät besonnen, daß Dunkelmännertum aus den Tiefen der Tempel im lazistischen Indien nicht sonderlich attraktiv sein könnte. Die liberale Swatana-Partei kann sich wieder des Rufes nicht entledigen, eine Partei der Kapitalisten, der Maharadschas, und was am ärgsten ist, der anglisierten Inder zu sein. Doch plötzlich haben sich einige erfolgreiche Wirtschaftskapitäne zur Kandidatur für die Lokh-Sabha gemeldet, vor allem ein Mitglied der konservativen Industriedynastie Birla und ein Sohn des kühnsten und sozial fortschrittlichsten Industriellenklans Tata, ein Parse aus Bombay. Endlich treten Männer, die früher nur im Hintergrund operiert hatten, in den politischen Vordergrund, und diese Männer verfügen über das technisdie Know-how, dem vagen Sozialismus der Indira Gandhi eine klare Alternative entgegenzusetzen. Und sie verfügen über die Mittel, das Gegengewicht zum sowjetisch dominierten öffentlichen Sektor der sozialistischen Wirtschaft Indiens zu sdiaffen. Freilich haben zum Unterschied von der UdSSR die USA die realen Möglichkeiten viel zu spät erkannt und sie sind wie die Engländer in das Hintertreffen der indischen Politik und der indischen Wirtschaft geraten. Moskaus wucherndem Einfluß stehen nur schwache Kräfte der westlichen Großmächte gegenüber, doch die gefährlichsten Feinde des Indira-Regimes sind weit links zu suchen. Die Linkskommunisten der KPI (Marxisten) blockieren den Weg im stärksten und vitalsten Bundesstaat der Indischen Republik. Die Stadt Kalkutta ist zum täglichen Kampfgebiet

Mao-kommunistischer Gruppen geworden. Das Hinterland Kalkuttas ist zum Operationsgebiet der maokommunistischen Dorfpartisanen „Naxaliten" geworden. Die KPI-Marxisten haben nach einer Regierungszeit der ,JEinheitsfront" den Bundesstaat Westbengalen zum Synonym von Chaos gemacht. Naxaliten und Linkskommunisten überzogen von der Universität her Kalkutta, die Neunmillionenstadt, die stärkste Stadt auf dem Kontinent, die Stadt des fiebrigen Lebens aus dem Zerfall, mit permanentem Terror. Siegen Indira Gandhi und ihre Teilhaber bei den Wahlen in der Indischen Republik, so wird Westbengalen ihr dennoch von Mao- und Linkskommunisten streitig gemacht werden,

Indira Gandhi ist aber weder zur Marionette geschaffen noch mit dem Temperament versehen, ein willenloses Werkzeug zu werden. Neben ihrem Ehrgeiz hat die Unlösbarkeit der Probleme Indira in die Nachbarschaft der KPI getrieben. Doch 1969 habe ich in Bombay gesehen, wie sie als Muttergestalt aus Brahma-nen-FamUie Millionen Hoffnungsloser mit Hoffnung erfüllte und an sich fesselte. Die Dame verfügt nicht nur über einen festen Griff, sie verfügt auch über Charisma. Sie hat Macht über die Menschen, die sie einmal selbständig einsetzen könnte. Ganz beruhigt fühlen sich die Sowjets nie in der Nähe dieser beunruhigenden Frau. Und erfolglos suchen sie auf dem einzigen Sektor einzudringen, der ihnen von Indira Gandhi verwehrt wird. Indien ist die größte Macht der Atomforschung im nichtkommunistischen Asien; gleichwertig Japan. In den Forschungsanstalten für Atomphysik gibt es keinen sowjetischen Einfluß.

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