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Industrie, Handwerk, Wirklichkeit

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In der österreichischen Kunst gibt es noch immer eine Menge zu entdecken: Eine Ausstellung der Arbeiten Erika Giovanna Kliens führte etwa zu Rehabilitierungsversuchen des „Wiener Futurismus“, genauer: der Wiener Kinetik, die aus der Schule Cizeks hervorgegangen ist; die Galerie nächst Sankt Stephan versuchte vor einem Jahr Österreichs Avantgarde 1900 bis 1938 in ihrem eigenbrötlerischen Wesen neu zu entdecken und präsentierte eine der wichtigsten Ausstellungen seit Jahren. Ein dicker Katalog bezeugt, wie kreativ Österreich in diesen zwanziger und dreißiger Jahren war und auch wie unerhört modern, an der vordersten Front sozusagen. Und nun präsentiert ebenfalls die Galerie nächst Sankt Stephan eine Schau „Frühes Industriedesign - Wien 1900 bis 1908“, eine Wiener Privatsammlung, die einige sehr respektable Stücke von Otto Wagner, Kolo Moser, Adolf Loos, Josef Hoffmann, Olbrich, Ofner und anderen vereinigt.

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In der österreichischen Kunst gibt es noch immer eine Menge zu entdecken: Eine Ausstellung der Arbeiten Erika Giovanna Kliens führte etwa zu Rehabilitierungsversuchen des „Wiener Futurismus“, genauer: der Wiener Kinetik, die aus der Schule Cizeks hervorgegangen ist; die Galerie nächst Sankt Stephan versuchte vor einem Jahr Österreichs Avantgarde 1900 bis 1938 in ihrem eigenbrötlerischen Wesen neu zu entdecken und präsentierte eine der wichtigsten Ausstellungen seit Jahren. Ein dicker Katalog bezeugt, wie kreativ Österreich in diesen zwanziger und dreißiger Jahren war und auch wie unerhört modern, an der vordersten Front sozusagen. Und nun präsentiert ebenfalls die Galerie nächst Sankt Stephan eine Schau „Frühes Industriedesign - Wien 1900 bis 1908“, eine Wiener Privatsammlung, die einige sehr respektable Stücke von Otto Wagner, Kolo Moser, Adolf Loos, Josef Hoffmann, Olbrich, Ofner und anderen vereinigt.

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Vor allem aber will Geleriechef Oswald Oberhuber damit dokumentieren, daß innerhalb von Kunstgewerbeschule und Wiener Werkstätte schon um die Jahrhundertwende Versuche in Richtung Industriedesign gemacht wurden. Doch so einfach, wie Oberhuber das sieht, ist es leider nicht. Gewiß, einzelne Produkte, wie etwa Hoffmanns Papierkorb aus industriell gefertigtem Gitterblech, mögen in diese Richtung weisen. Aber wer die Prozedur etwa der Möbelherstellung überlegt, wer Otto Wagners und Josef Hoffmanns penible Konzepte, Vorstellungen und Arbeitsweisen kennt, weiß auch, wie sehr sie der Qualität hoch- qualifizierten Kunsthandwerks an- hingen, wie sehr sie gerade gegen das Produktionssystem des Historismus mit seiner frühen „Fertigteilindustrie“ zu Feld zogen (man denke nur an die Vorfabrizierung von Architekturelementen aus Blech!), wie sehr sie auch die Massenkonfektion verteufelten, zu der manche Industriezweige dann den Jugendstil heranzogen, und warum ein Hoffmann schließlich in der Wiener Werkstätte das Ideal erlesener zeitgemäßer Gebrauchsgegenstände verwirklicht sehen wollte.

Doch abgesehen davon vereinigt die Ausstellung ein paar Meisterstücke: Adolf Loos’ berühmte Uhr von 1902 etwa, schön proportionierte Glasdosen aus Kolo Mosers Schule, die wunderschönen Lampen der Wiener Kunstgewerbeschule, die metallenen oder silbernen Gittervasen und -körbe usw. Und wie immer die theoretischen Überlegungen über „Frühformen des Industriedesign“ oder doch mehr handwerkliche Orientierung ausgehen mögen, die Objekte allein machen einen Besuch zum Ereignis.

Eine neue Malergruppe stellt in der Galerie Peithner-Lichtenfels (Seilergasse) aus. Dr. Peithner, dessen kleine Galerie schon einmal Heimstätte war, und zwar der prominentesten Wiener Phantasten, setzt jetzt auf eine neue, ganz junge Formation: Kabas, Wondrusch, Tiefner, Rusche und Hofer sind eingezogen, junge Maler, die alle einen mehr oder minder starken Zug zum Realismus kultivieren und sich deshalb für’s erste zusammengeschlossen haben. Ob sie freilich auf die Dauer eine marktgerechte Gruppe ergeben werden, bleibt abzuwarten.

Der bekannteste, erfolgreichste von ihnen ist Helmut Rusche. Der ehemalige Hausner-Schüler ist mit seinen photorealistisch gestalteten Problemen alter Menschen bereits zu internationalen Kunstmarktehren gekommen. Ein sorgfältiger Maler, der in seinen sauberen Porträtbildern auch eine Vielfalt von Assoziationen verpackt. Gedankeneinblendungen, Kritisch-Analytisches, das mit Realem verflochten wird. Ebenfalls dem Porträt steht auch Ferdinand Wondrusch nahe: zarte Frauengesichter, illusionistisch oder sensualistisch verschum- mert, mit einem Hauch des Erotischen. Von seinen mythischen Lie- besbildern in Pharaonengräbern ist er abgerückt und hat an realistischer Intensität hinzugewonnen.

A. R. Hofer malt Landschaften. Richtiger: er erschafft Landschaften, struppige Bergwelten, haarige Rasenflächen, die vor dem Beschauer durchs Fenster wallen. Ein Landschaftstheater von seltsamer Ver- sponnenheit. Unromantisch, ja kri- tisch-analytisch geben sich hingegen Robert Kabas und Gerd F. Tiefner. Bei Kabas: ein Traum vom Fliegen, Natur scheint zu explodieren, Humor ist nicht ausgeschlossen. Bestandsaufnahmen einer fragmentarischen Welt, in der immer und überall Explosionsgefahr herrscht. Und das ist das „Moderne“ an Kabas, der seinen emotionsgeladenen Studien mitunter sogar die Gründlichkeit statistischer Einblendungen gibt. Noch kühler, intellektueller gibt sich Tiefner. Ein sparsamer Maler und Zeichner. Oft genügen ihm informationstheoretische Signale, ein paar Konturen, Statistisches. Realismus heißt für ihn: Analyse der Trümmer von Wirklichkeit und der Versuch, Neues zusammenzufügen. Ich bin gespannt, ob und wie sich diese fünf, von denen im Moment noch jeder seinen Weg geht, zur echten Gruppe formieren werden.

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