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Inflationsmadier Fiskus

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Das „Sparbudget” des Finanzministers — die FURCHE berichtete darüber schon im Sommer — wird einen Rekordanstieg der Ausgaben um 16 Prozent aufweisen, also weit über der Inflationsrate von 10 Prozent liegen. Wenn das Wirtschaftsforschungsinstitut vor kurzem prognostiszierte, daß trotz voraussichtlich sinkender Weltmarktpreise die österreichische Inflation im kommenden Jahr kaum geringer als in diesem Jahr sein werde, so ist dies — neben der überzogenen Lohnpolitik der Gewerkschaften — in erster Linie auf die neuerliche Explosion der Staatsausgaben zurückzuführen, welche uns der Finanzminister infolge seiner merkwürdigen Vorstellungen von Sparsamkeit bescheren wird.

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Das „Sparbudget” des Finanzministers — die FURCHE berichtete darüber schon im Sommer — wird einen Rekordanstieg der Ausgaben um 16 Prozent aufweisen, also weit über der Inflationsrate von 10 Prozent liegen. Wenn das Wirtschaftsforschungsinstitut vor kurzem prognostiszierte, daß trotz voraussichtlich sinkender Weltmarktpreise die österreichische Inflation im kommenden Jahr kaum geringer als in diesem Jahr sein werde, so ist dies — neben der überzogenen Lohnpolitik der Gewerkschaften — in erster Linie auf die neuerliche Explosion der Staatsausgaben zurückzuführen, welche uns der Finanzminister infolge seiner merkwürdigen Vorstellungen von Sparsamkeit bescheren wird.

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Sollte es sich dabei wirklich, wie er behauptet, um ein Minimalbudget handeln, so läßt das nur den einen Schluß zu: Mit der ganzen Budgetpolitik stimmt etwas nicht, sie hat einen entscheidenden Konstruktionsfehler. Was in den Zeiten der rasanten Nachkriegsexpansion der Wirtschaft und der relativ stabilen Preise, wenn- schon nicht richtig, so doch tolerabel war, wird in der Periode der Inflation und der Roh- stoffknapphei’t zur tödlichen Gefahr. Die Budgetpolitik des Staates und der Gebietskörperschaften muß sich fundamental ändern, oder wir schlittern allmählich in ein wirtschaftliches, soziales und politisches Chaos hinein, dessen erste noch relativ harmlose Indizien — die aber bereits schlimm genug sind — wir heute in Italien beobachten können.

Man sollte meinen, daß es einer Regierung, die die Systemänderung auf ihre Fahnen geschrieben hat, nicht schwerfällt, auch in der Fi nanzpolitik umzudenken. Doch weit gefehlt: Von der Reformfreude, die sie beim Rundfunk, ^beim ungeborenen Leben, an den Schulen, bei der Bodenbeschaffung, beim Scheidungsrecht und beim Strafvollzug an den Tag legt, ist dort, wo dergleichen wirklich notwendig wäre, nichts zu merken. Beim Budget wird die traditionelle Expansionspolitik nicht nur beibehalten, sondern auch noch zu ungelegenster Zeit heftig forciert.

In was für eine unhaltbare Situation wir dabei schlittern, hat erst \Por kurzem eine Studie des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen der Paritätischen Kommission über die künftige Entwicklung des Staatsbudgets in alarmierender Weise erkennen lassen. Dabei ging der Beirat von außerordentlich günstigen Voraussetzungen aus, wie sie in der Wirklichkeit wahrscheinlich kaum gegeben sein werden.

Er nimmt nämlich ein reales Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent im Jahresdurchschnitt an, eine Infla tionsrate von „nur” bis 7,5 Prozent, und er geht des weiteren davon aus, daß die Budgetexpansion hinter der nominalen Wachstumsrate des Bruttonationalprodukts von anfänglich 12, später von 10 bis II Prozent Zurückbleiben wird,— was sicherlich alles nicht gerade großartig ist, in der heutigen Situation aber doch eher als schöner Wunschtraum erscheinen muß.

Aber selbst unter solchen relativ günstigen Umständen wird sich der Budgetrahmen von 165 Milliarden im Jahr 1974 auf nicht weniger als 252 Milliarden im Jahr 1978 erweitern, was einen Anstieg von über 50 Prozent in nur vier Jahren bedeutet. Das jährliche Budgetdefizit wird sich sogar verdoppeln (von 12,4 auf 24,7 Milliarden), die Gesamtschuld wird von 60 auf 93,5 Milliarden steigen, die ‘Inlandsschuld von 49 auf 67 Milliarden, die Auslandsschuld von 11 auf 26,5 Milliarden.

Da auch die Länder, Gemeinden und Sondergesellschaften Finanzierungswünsche haben werden, wird dies eine weitgehende Blockierung des inländischen Kapitalmarkts durch die öffentliche Hand bedeuten, trotzdem aber auch noch darüber hinaus eine stark steigende Verschuldung im Ausland. Die Politik des Schuldenmachens, einst der ÖVP-Regierung so vehement vorgeworfen, hat unter SPÖ-Ägide schon jetzt Rekordmarken erreicht und wird, wenn die Budgetpolitik gleich bleibt, grandiose Dimensionen annehmen.

Dabei hatte die Regierung Klaus eine Rezession zu überwinden — was seit Erfindung der aktiven Konjunkturpolitik vorzugsweise mit Hilfe von Budgetdefiziten durchgeführt wird —, während die Regierung Kreisky eine Konjunkturüberhitzung zu dämpfen gehabt hätte, also über alle Chancen zum Sparen verfügt haben würde. Wie wird erst das Budget und wie wird in seinem Gefolge die Inflationsrate ausschauen, sind wir unter den heutigen Vorbedingungen mit einer Rezession konfrontiert?

Die bisherige Politik, daß zunächst einmal — von Regierung oder Parlament — Ausgaben beschlossen wurden und dann von Finanzjahr zu Finanzjahr dazugesehen werden mußte, wie diese gedeckt werden könnten, war in den letzten Jahren noch forciert worden, also zu einer Zeit, in der man hätte daran gehen müssen, dieses System zu ändern. Wollen wir je die Inflation wieder loswerden, dann wird dies nur gelingen, wenn auch die Budgetpolitik um 180 Grad gedreht wird: In Zukunft müßte auf Grund der Einnahmenschätzung der Budgetrahmen festgelegt werden, und diesem müßten die Ausgaben angepaßt werden. Damit wird keineswegs ein Verstoß gegen die aktive Konjunkturpolitik begangen, denn dieser geschah bereits, als in Zeiten der Hochkun- junktur die Entwicklung zusätzlich angeheizt wurde. Jetzt müssen wir sehen, wie wir die Dinge einigermaßen wieder ins Lot bekommen.

Daß sich die Ausgaben nach den Einnahmen zu richten haben, ist im Grunde genommen eine Banalität und gilt selbstverständlich für den privaten ebenso wie für den öffentlichen Haushalt. Gewiß kann man unter gewissen Umständen sein Budget überziehen, speziell, wenn bald neue Einnahmen zu erwarten sind, aber jene permanente Schuldenausweitung, wie sie heute zur finanzpolitischen Mode geworden ist, führt — und wir erleben es heute mehr und mehr — direkt in die Inflation. Diese ist aber kein Garant gegen die Arbeitslosigkeit, sondern hypnotisiert diese — auch dafür gibt es Beispiele — geradezu herbei.

Ohne maßvolle Budgetpolitik ist jedenfalls die Inflation nicht zu überwinden. Solange es aber Etatdefizite in der Größenordnung von 16 Prozent gibt, sind alle Stabilisierungsversprechungen leeres Geschwätz.

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