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Inhaltliche Barriere zur SPÖ

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Grünen-Klubobfrau Madeleine Petrovic im FuRCHE-Gespräch über ihre ideologischen Barrieren zur Vranitzky-SPÖ.

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Grünen-Klubobfrau Madeleine Petrovic im FuRCHE-Gespräch über ihre ideologischen Barrieren zur Vranitzky-SPÖ.

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Die Grün-Alternativen stünden für etwaige Koalitionen nach der Nationalratswahl 1994 nicht zur Verfügung, lautete die vereinfachte Quintessenz der ORF-Pressestunde mit Grünen-Klubobfrau Madeleine Petrovic. Im FURCHE-Ge-spräch argumentiert sie, unter welchen Voraussetzungen eine Regierungsbeteiligung der Grünen in Frage kommen könnte - und warum diese nicht sehr realistisch ist.

Prinzipiell sei eine Regierungsbeteiligung der Grünen vorstellbar, meint Petrovic: „Von den Mehrheitsverhältnissen her wäre aber nur eine Zusammenarbeit mit der SPÖ realistisch. Gerade gegenüber der SPÖ habe ich aber weit größere inhaltliche Bedenken als gegenüber der ÖVP." Für die grüne Spitzenkandidatin ist der Kurs der Sozialdemokraten unter Kanzler Franz Vranitzky nicht mit der Politik der Grünen in Einklang zu bringen: „Wenn ich an die Kernfragen der ökologischen Ausrichtung der Steuerreform und der Ausländerpolitik denke, dann hat es bei der ÖVP eine weit größere Nachdenklichkeit gegeben." Die SPÖ

hingegen habe „in beiden Bereichen mit voller Rückendeckung Vranitzkys beinhart agiert. Die große ökologische Bremse kommt derzeit von der SPÖ." Die große Linie der Sozialdemokraten - auch im Hinblick auf die Wahlen -laute „Arbeitsplätze oder Umwelt". Und für diesen Kurs seien die Grünen nicht zu haben.

Eine Regierungsbeteiligung sei daher nur vorstellbar, wenn ihre Partei nicht mit Alibi-Kompetenzen abgespeist werde, konkretisiert Petrovic: „Man würde uns wahrscheinlich das Umwelt- und das Gesundheitsministerium anbieten. Das sind ,ampu-tierte' Ressorts ohne Kompetenzen." Grüne Regierungs-verantwortung sei nur denkbar, wenn es echte Kompetenzen gebe: „Etwa das Wirt-schafts- oder das Verkehrsministerium."

Nicht endgültig ist für Petrovic das Nein der Grünen zum EG-Beitritt: „Ich hoffe, daß es langfristig eine andere europäische Integration als

die bisherige geben wird." Daß dabei an der Gemeinschaft kein Weg vorbeiführe, sei klar: „Die EG ist der einzige greifbare europäische Ansatz."

Und die Chancen, daß sich die Zwölfergemeinschaft im Zuge der Erweiterung verändere, stünden gut: „Die Sorgen in der Bevölkerung sind überall die gleichen - die Angst um den Arbeitsplatz und Umweltthemen. Und auch in der EG weiß man angesichts der Stimmung in der Bevölkerung, daß sich etwas ändern muß." Allerdings habe sie kein Vertrauen in die österreichische Regierung, daß diese im Zuge der Beitritts-verhandlungen mögliche Veränderungen durchsetzen wolle.

Die Grünen würden ihr Nein zum EG-Beitritt jedenfalls „nicht auf die Spitze treiben", versichert die Klubche-fm: „Natürlich erwarten wir nicht, daß alles, was wir uns vorstellen, auch tatsächlich umgesetzt wird, bevor wir unsere Haltung überdenken. Notwendig wäre aber zumin-

dest eine ernste Absichtserklärung - etwa ein genauer Zeitplan bei einer gemeinsamen Sozial- und Umweltpolitik, vergleichbar mit den Beschlüssen zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EG."

Reformbedarf ortet Petrovic auch beim Parlamentarismus - sowohl in Österreich als auch in der EG: „Wir sollten das Legalitätsprinzip überdenken. Das Parlament kann nur dann aufgewertet werden, wenn es sich auf die wesentlichen Aufgaben konzentriert, etwa wenn es um die Einführung der Pflegevorsorge oder um eine ökologische Steuerreform geht." In diesem Sinne sei zu überlegen, ob kleinere Anpassungen im Rechtssystem nicht der Verwaltung überlassen werden sollten - eventuell auch durch eine Übertragung auf Landes- oder Gemeinde-Ebe->ne. Im Gegenzug müßten dann allerdings die Kontrollkompetenzen des Parlaments gegenüber der Verwaltung deutlich ausgebaut werden.

Und das EG-Parlament in Straßburg müßte überhaupt aus seiner „Marionetten-Rolle" befreit werden, befindet Petrovic: „Es gibt mehrere Rechts-Akte der Europa-Parlamentarier, wonach einer Erweiterung der Gemeinschaft nur dann zugestimmt wird, wenn dafür die Kompetenzen des EG-Parlaments erweitert werden." Auch hier hätte Österreich die Chance, im Zuge der Beitrittsverhandlun-gen dieses Reformvorhaben zu unterstützen.

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