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INNSBRUCK: DIE JUNGEN LEUTE FEHLEN

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Große Änderungen stehen dem Tiroler Landestheater in Innsbruck in Kürze bevor: Der langjährige Intendant Kammerschauspieler Helmut Wlasak geht mit Ende der laufenden Spielzeit in Pension, sein Nachfolger heißt Dominique Mentha, der zudem von einem eigenen Schauspieldirektor, Dietrich Hübsch, unterstützt wird.

Ein Effekt, den Wlasaks bevorstehender Abgang bewirkt, wird am Theater mit Erstaunen registriert. Die Zuschauer stürmen derzeit das Landestheater wie selten zuvor, allein die Auslastung des sogenannten „Großen Hauses", das 800 Plätze umfaßt und an dem im allgemeinen die aufwendigsten Musiktheater- und Schauspielproduktionen herauskommen, betrug bereits in der Spielsaison 1990/ 9182 Prozent, für die laufende Saison ist eine Steigerung zu erwarten.

Ein zweiter Effekt ist beträchtliche Beunruhigung bei Teilen des Ensembles. „Es ist logisch und gut, daß eine neue Leitung auch frischen Wind bringt", stellt Betriebsdirektor Harald Mayr jedoch klar. „Vor allem bin ich mir sicher, daß Mentha und Hübsch es schaffen, auch junge Leute, Studenten etwa, die bisher kaum als Publikum gewonnen werden konnten, ins Theater zu bringen."

Die, jungen Leute" stellten bislang tatsächlich das Problempotential des Tiroler Landestheaters dar. Trotz preisgünstiger Jugendabonnements und 40prozentigen Ermäßigungen im freien Verkauf verirrte sich die junge Generation kaum in das pompös-klassizistische Große Haus und die vom Ambiente her muffig-verstaubten Kammerspiele, die zweite, 350 Plätze umfassende Bühne des Theaters, die hauptsächlich dem Schauspiel, in geringerem Umfang auch Ballettproduktionen, Gastspielen anderer Ensembles und sonstigen Veranstaltungen vorbehalten ist. Und von der Existenz des Werkraumtheaters (100 Plätze), in dem häufig auf Jugendliche zugeschnittene Produktionen herauskommen, wissen laut Direktor Mayr überhaupt nur die wenigsten Exponenten der Zielgruppe. Dementsprechend gering ist mit 60 Prozent (1990/91) auch die Auslastung des Werkraumtheaters.

Geldgeber: Stadt & Land

Was das Ambiente der Kammerspiele betrifft, so wird derzeit daran gearbeitet, es grundlegend zu verändern. Seit Monaten ist das Haus wegen Umbauarbeiten geschlossen (bespielt wird inzwischen eine Probebühne), am 11. April dieses Jahres soll die moderne, runderneuerte Bühne eröffnet werden.

Insgesamt sind am Tiroler Landestheater rund 500 Schauspieler, Sänger, Tänzer und Orchestermusiker, Techniker sowie Verwaltungsangestellte im Dienst der Kunst und damit der jährlich rund 174.000 (Zahlen der abgelaufenen Spielzeit) Theaterbesucher beschäftigt. Rechtsträger sind das Land Tirol und die Stadt Innsbruck, die den heuer budgetierten Abgang von 136 Millionen Schilling zu gleichen Teilen finanzieren. Bereits in diesem Betrag enthalten sind 29 Millionen Schilling Subvention vom Bund. Mit Ausnahme des Stadttheaters Klagenfurt ist der Subventionsbedarf des Tiroler Landestheaters der niedrigste aller Bundesländertheater.

Die Leitung des Theaters liegt in den Händen des Intendanten, der für das künstlerische Personal und die Vertretung des Theaters gegenüber der Öffentlichkeit zuständig ist, sowie des Betriebsdirektors, der für technische sowie administrative Belange verantwortlich zeichnet und das Budget erstellt und überwacht. Der übergeordnete siebenköpfige Theaterausschuß wird von Stadt und Land besetzt und muß unter anderem das Budget, den Dienstpostenplan und den Spielplan genehmigen.

Einen fixen Bestandteil der Kalkulation des Landestheaters bilden die Abonnements, pro Saison werden rund 7.200 Dauerkarten in den Kategorien Premieren- beziehungsweise Hauptabonnement, Landabonnement, Samstagsabonnement, Familien- und Jugendabonnement verkauft. Abonnements umfassen je nach Kategorie zwischen zehn und 16 Vorstellungen und bieten gegenüber Einzelkarten zehn- bis 50prozentige Preisnachlässe. Die Dauerkarten sind übertragbar, zusätzlich bekommen Abonnenten die monatlich erscheinende Theater- und Konzertzeitung „Publicum" kostenlos zugeschickt. In der Sitzplatzkategorie I des kombinierten Abonnements (Großes Haus und Kammerspiele) sind die Preise für die Abonnements von 3.714,50 Schilling (16 Premieren) bis 1.495 Schilling (zehn Vorstellungen im Jugendabonnement) gestaffelt. In der schlechtesten Kategorie (VII) können Jugendliche zehn Vorstellungen bereits um 337,50 Schilling besuchen.

Mehr Zeitgenossen

Einzelkarten der Kategorie I kosten im Großen Haus 350 (Musiktheater) beziehungsweise 300 Schilling (Schauspiel), in der Kategorie VII sind Karten um 65 beziehungsweise 50 Schilling zu haben, und Stehplätze kosten 40 Schilling. In den Kammerspielen kosten die Plätze zwischen 170 und 100 Schilling, im Werkraum generell 100 Schilling.

Jährlich werden an den Bühnen des Landestheaters rund 25 Produktionen neu erarbeitet, wobei der Schwerpunkt auf Opern (sechs) und Schauspielen (13) liegt.

Ein Fixpunkt als vorweihnachtliche Premiere ist eine Märchenproduktion (in dieser Saison etwa das Märchenmusical „Robin Hood"). Die Gastspieltätigkeit fällt kaum ins Gewicht, „das ist zu teuer und zu aufwendig, weil die Stammbühnen ja gleichzeitig auch bespielt werden müssen", erklärt Mayr.

Konventionelles überwiegt momentan im Spielplan (vor allem des Großen Hauses), stärker jedoch in der Publikumsgunst: Während etwa Bi-zets „Carmen" auf Monate hinaus ausverkauft ist, ist das Experiment mit George Taboris „Mein Kampf in Sachen Publikumsgunst gründlich schiefgegangen.

Die Premiere von Johann Strauß' Operette „Die Fledermaus" ging vor wenigen Tagen vielumjubelt über die Bühne, auf dem Opernprogramm dieser Spielzeit stehen unter anderem noch Alban Bergs „Lulu" und Richard Strauß' „Daphne". Johann Nestroys „Lumpazivagabundus" wird auf dem Schauspielsektor die Freunde des klassischen Volkstheaters ansprechen, für die Kammerspiele geplant sind Molieres „Die Schule der Frauen", Alejandro Casones „Bäume sterben aufrecht" und Jura Soyfers „Broadway Melodie 1942".

Wie der erste Spielplan der neuen Intendanz genau aussehen wird, steht noch nicht fest, allgemein wird jedoch erwartet, daß sich unter Men-thas und Hübschs Führung die Gewichtung in Richtung „zeitgenössischer Klassiker" verschieben wird.

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