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Inspektionen vor Ort

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Ein noch junger politischer Begriff scheint erwachsen zu werden und Karriere zu machen: Vertrauensbildende Maßnahmen. Geboren 1975 bei der KSZE in Helsinki, blieb er zunächst unverbindlich und daher unbeachtet. Seit 19. September 1986 bekennen sich alle 35 KSZE-Staaten zu einer zweiten Generation eines neuen und politisch verbindlichen Verhaltens, das ab Jänner 1987 in Kraft treten soll.

Manöver ab einer Größe von 13.000 Mann oder 300 Kampfpanzern sind 42 Tage vorher anzukündigen, wenn diese einer Division oder zwei Brigaden beziehungsweise Regimentern angehören. (Dies gilt auch für Luftmanöver, wenn mehr als 200 Einsätze geflogen oder 3.000 Mann Fallschirmjäger oder Marinelandetruppen eingesetzt werden.) Uberschreiten die beabsichtigten Manöver jedoch die Stärke von 17.000 Mann (bei Fallschirm- und Marinelandekräften 5.000), dann sind KSZE-Beobachter ebenfalls 42 Tage vorher einzuladen.

Daraus wird auch eine Grundidee dieser zweiten Generation von vertrauensbildenden Maßnahmen sichtbar: ein Manöver, das rechtzeitig angekündigt wird und im Hinblick auf seine „nicht bedrohliche Natur“ beobachtet werden kann, kann mehr Vertrauen schaffen als ein überraschendes und geheimgehaltenes Manöver.

Da jedoch auch in Zukunft solche überraschenden Manöver möglich sein könnten, sehen die in Stockholm beschlossenen neuen Maßnahmen einen sensationellen Mechanismus vor: Sollten Zweifel an der Einhaltung der KSZE-Bestimmungen bestehen, so sind auf Verlangen des zweifelnden Staates „Inspektionen vor Ort“ möglich, wobei kein KSZE-Staat verpflichtet ist, mehr als drei Inspektionen pro Kalender zuzulassen oder mehr als eine Inspektion durch ein und denselben Teilnehmerstaat zu dulden.

Wenn man sich vor Augen hält, daß diese Verpflichtung vom Atlantik bis zum Ural möglich ist, so ist dies ohne Zweifel als neue Qualität der militärischen Vertrauensbildung zu bewerten. Daß die Inspektion innerhalb von 36 Stunden nach Ansuchen zu Lande und in der Luft von einem vier Mann starken Inspektionsteam durchgeführt werden kann, unterstreicht nur das Gewicht dieser völlig neuen Möglichkeit.

Zur Abrundung dieser Maß-

nahmen haben sich alle KSZE-Staaten verpflichtet, jährlich bis zum 15. November in Form von „Jahresübersichten“ diese an-kündigungspflichtigen Manöver darzulegen. Sollte ein Manöver mehr als 40.000 Mann umfassen, ist sogar eine zweijährige Vorankündigung gefordert. Nicht zuletzt sind Übungen mit mehr als 75.000 Mann ohne diese zweijährige Vorankündigung sogar untersagt.

Zusammen haben diese Maßnahmen politisch ein nicht unbedeutendes Gewicht, und auch die militärische Gewichtigkeit wäre gegeben, wenn diese zweite Generation Realität in der Verhaltenspraxis der KSZE-Staaten werden könnte.

Der Autor ist Abteilungsleiter im Büro für Wehrpolitik des Bundesministeriums für Landesverteidigung.

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