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Inspirierend, mitgestaltend

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Am 21. August 1984, am 20. Todestag von Prälat Karl Rudolf, starb nach schwerer Krankheit Prälat Karl Strobl. Michael Pfliegler, Karl Rudolf, Otto Mauer und Karl Strobl haben seit den dreißiger Jahren nicht nur das Leben der Kirche von Wien, sondern auch der Kirche von Österreich wesentlich mitgestaltet.

Als Bauernsohn am 20.1.1908 in Wilhelmsdorf bei Poysdorf gebo-

ren, wurde er 1931 zum Priester geweiht. Ab 1938 hatte er die verantwortungsvolle Aufgabe der Hochschulseelsorge in Wien. In der Zeit des Nationalsozialismus sammelten sich um ihn Studenten in St. Peter. In diesen schwierigen Jahren entstand „Gemeinde". Er verwirklichte „Gemeinde", bevor es die Gemeindetheologie gab. 1945 gründete er die „Katholische Hochschulgemeinde" Wien und initiierte 1946 die Gründung der Katholischen Hochschuljugend Österreichs, deren Geistlicher Assistent er bis 1969 blieb.

Prälat Strobl hatte die Gabe, junge Menschen zu sammeln und in Freiheit das geistliche und geistige Wachstum zu fördern, ohne Abhängigkeiten zu schaffen. Un-

zähligen war er Begleiter auf dem Weg zu einem Leben aus dem Glauben. Viele, die gegenwärtig im kirchlichen, wissenschaftlichen, kulturellen und politischen Leben als überzeugte Christen wichtige Aufgaben innehaben, wurden in den Gruppen der Hochschulgemeinde auf die Aufgabe vorbereitet und in sie eingeübt.

Uberzeugt, daß Kirche dort präsent sein soll, wo sich geistiges Leben entfaltet, führte er mit der Hochschulgemeinde viele Veranstaltungen und Aktionen auf Hochschulboden durch. Die gleiche Intention bewegte ihn auch später zur Gründung des Otto-Mauer-Fonds und des „Forums St. Stephan" für Gespräche zwischen Wissenschaft, Kultur und Kirche.

Prälat Strobl war in ständigem Dialog mit geistig wachen Menschen. Er ließ sich inspirieren und inspirierte andere. Er war voll Dynamik bis zu seinem Tod. Als er 1969 die Hochschulseelsorge seinem Nachfolger übergab und

Domkapitular von St. Stephan wude, übernahm er die Aufgabe des Geistlichen Assistenten der Katholischen Aktion Österreichs und 1973 - nach dem Tod von Otto Mauer — auch die Geistliche Assistenz beim Akademikerverband der Erzdiözese Wien.

Für die beiden ORF-Studienprogramme „Wozu glauben?" und „Wem glauben?", die zu einem unerwarteten Erfolg wurden, war er Gesamtredakteur und Hauptautor der Textbücher.

Prälat Strobl hatte die Gabe, die jeweils aktuellen und vordringlichen Themen aufzuspüren, wie auch beim Katholikentag 1974 angesichts der Weltlage das Thema Versöhnung. Bei der Vorbereitung des Katholikentages 1983 und des Papstbesuches hat er im Hintergrund in vielen Gesprächen maßgeblich mitgewirkt. In den letzten Jahren seines Lebens war Prälat Strobl sehr besorgt über die Tendenzen des Rückzuges der Kirche aus dem öffentlichen Leben. Er setzte sich für eine

weltzugewandte Kirche ein, für eine Kirche, die von den Sorgen und Hoffnungen des Menschen bewegt wird.

Obgleich Prälat Strobl so sehr der Welt und den Menschen zugetan war, begann für ihn das Vaterunser nicht mit der Bitte: Gib uns das tägliche Brot, sondern — zwei Zeugen haben dies eindrucksvoll einen Tag vor seinem Tod erlebt — mit der Bitte: Geheiligt werde dein Name. Gott zu erkennen und ihm die Ehre zu geben, war für ihn wichtig. So war er auch in theologischen Fragen ungemein vorsichtig in der Wahl der Worte und voll Skepsis gegenüber einer Sprache, die das Eigentliche nicht berührt.

Prälat Strobl hat in selbstloser Weise für die Kirche und für viele Menschen gelebt. Er wurde in seiner Krankheit in großartiger Weise von seinen Verwandten und Freunden umsorgt. Wir sollen nicht trauern, daß er gestorben ist, sondern uns freuen, daß er gelebt hat.

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