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Instinktlos

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,ßewußtseinswandel“ fordert Carl Friedrich von Weizsäcker in seinem neuen Buch. Ein Physiker, der insistierend fragt, welchen Beitrag denn die Religion zu diesem notwendigen Bewußtseinswandel leistet. Denn Weizsäcker erwartet viel von der Religion: als Wissenschaftler, der sich mit Beiträgen wie „Das Ende der Geduld“ oder „Die Zeit drängt“ auch mit aktuellen Fragen der Ökologie und des Friedens beschäftigt hat.

Weizsäcker, der Wissenschafter, sagt, daß der Streit zwischen Kirche und Wissenschaft wesenlos geworden sei, ja, daß diese einen Punkt erreicht habe, an dem sie nur noch von der Kirche Hilfe und Heil erwarten kann: „Sie hat die Kirche nicht zu bekämpfen, sondern zu fragen.“

Weil sein Anspruch aber so hoch ist, stellt er sich auch die Frage, „ob die Religionen angesichts ihrer traditionellen Gegensätze überhaupt imstande sein können, zu den gemeinsamen Problemen der Menschheit Lösungen beizutragen.“

Tatsächlich scheinen einem die Probleme, mit denen sich Kirchen derzeit herumraufen, angesichts der drängenden Forderungen nach einem radikalen Bewußtseinswandel in einer Zeitenwende, eher banal: Soll die vor 20 Jahren abgegebene Erklärung einer Bischofskonferenz revidiert oder „weitergeschrieben“ werden? Soll uns ein Schisma bedrücken, weil ein alter Erzbischof befunden hat, das letzte Konzil sei ein Werk des Teufels gewesen? Oder was veranlaßt die Anglikaner, die Einheit ihrer Kirche wegen der Frauenordination auf eine Zerreißprobe zu stellen?

Und da kommt nun ein 76jähriger Physiker und Philosoph daher, der sagt, es sei aus mit dem Mythos der Wissenschaft, die geglaubt habe, mit ihren Methoden das letzte Wesen der Dinge erkennen zu können. Und jetzt fordert er, daß die Kirche zum Partner der Wissenschaft werde, ein Partner, der sie trägt und „hält“. Der Einsicht der Wissenschafter aber bemächtigt sich die Kirche mit Triumph und Apologetik, meint Carl Friedrich von Weizsäcker: „Sie beweist eine tiefe In-stinktlosigkeit für die Dir-mension dieser Fragen ...“

Weizsäcker, der Philosoph, macht sich Gedanken über die Theologie: „£ine Theologie aber, die nicht zu denken vermag, daß im Gang der Geschichte etwas an den Tag kommt, was rückwirkend die gesamte Geschichte ändert, kann zum Atomproblem nichts Wesentliches sagen.“

Die Ratlosigkeit des „Wir sind alle in Gottes Hand“ könne man sich erst leisten, wenn man versucht habe, etwas zu tun, meint Weizsäk-ker.

Und was tun die Religionen? Sie vergleichen ihre Theologien.

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