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Institution der Machthaber

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Eine besondere Rolle kam im rumänischen Sonderweg des Kommunismus stets dem Schriftstellerverband zu. Er war nicht nur staatliches Kontrollinstrument, sondern verwaltete auch eine gut gefüllte Kasse.

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Eine besondere Rolle kam im rumänischen Sonderweg des Kommunismus stets dem Schriftstellerverband zu. Er war nicht nur staatliches Kontrollinstrument, sondern verwaltete auch eine gut gefüllte Kasse.

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Gegründet wurde der Verband 1904 als Gesellschaft der rumänischen Schriftsteller in Bukarest. Zu einer äußerst machtvollen und politisch einflußreichen Institution stieg er in der Zwischenkriegszeit auf. Schon damals setzten die literarischen Stimmträger der Nation ihr oratori-sches Talent im Parlament und in der Regierung ein. Ein halbes Dutzend von ihnen gehörte dem engeren Kreis der Spitzenpolitiker an. Die Vorstellung, daß sich ein Literat besser als ein Metzger oder Getreidehändler eignet, die kommunalen Belange zu vertreten, geht auf diese Zeit zurück. Im Gegenzug wuchs den Dichtem und Denkern eine Aura zu, an der man sie auch in den Jahren des Kommunismus maß.

1936 gelang den beiden starken Männern des Verbands - Michail Sadoveanu und Liviu Rebreanu - der einmalige Coup: Sie setzten die Einführung der sogenannten „literari-

schen Briefmarke" durch, eines Buchgroschen, den jeder Verlag für eine literarische Publikation zu entrichten hatte. Praktisch wurde jedes gedruckte (!) Buch mit einer Steuer von zwei Prozent belegt, die dem Schriftstellerverband direkt zufloß. Davon konnte er Renten, Stipendien sowie Krankenhaus- und Kuraufenthalte seiner Mitglieder finanzieren.

Freilich bestand schon immer der Verdacht, daß Michail Sadoveanu seinen Einfluß nicht so sehr seiner Stellung als Verbandspräsident verdankte; er war zugleich Großmeister der Freimaurerloge des Großen Orients (laut anderen Quellen aller vereinten Logen Rumäniens). Und die Logen machten damals Geschichte - was im Falle der Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien (1918) wörtlich zu verstehen ist. Ihr unmittelbarer Einfluß auf das Zustandekommen der Vereinigung wurde 40 Jahre lang verschwiegen, ist jetzt aber unbestritten.

Ende der dreißiger Jahre war dann eine Schriftstellergruppe wesentlich am Aufkommen des rumänischen Faschismus beteiligt. Damit wurde politisches Spaltpotential in den Verband hineingetragen - in Rebreanus Memoiren kann man über die mörderischen Grabenkämpfe nachlesen, die er mit Nechifor Crainic, einem der ideologischen Ziehväter des Faschis-

mus, ausfocht. Dieses Kapitel der Verbandgeschichte liegt noch im Dunkeln. Im Rampenlicht der Öffentlichkeit hingegen machte damals König Karl II. den Schriftsteilem eine generöse Spende: zwei prachtvolle Villen im Herzen Bukarests. Nach dem Krieg erlebte die Bukarester Kulturszene eine kurze, dafür umso heftigere Scheinblüte - Paul Celan etwa, der sie aus vollen Zügen genoß, nannte die damalige Zeit die glücklichste seines Lebens. Aber schon 1948 kam die Gleichschaltung aller Institutionen nach sowjetischem Muster.

In den folgenden Jahrzehnten wurde der Verband zu einem Instrument der Machthaber. Und trotzdem: obwohl er in Rumänien dieselbe organisatorische Struktur und Verwaltung wie jene in den „Bruderländern" hatte, seine berüchtigte „Protokollabteilung" genauso zur Überwachung aller Auslandskontakte eingesetzt wurde, unterschied er sich von ihnen in einem entscheidenden Punkt. Er hatte viel Geld. Und weil Vater Staat sowieso alles Geld verwaltete, ließ er auch die Einrichtung „Buchgroschen" bestehen - für ihn eine bequeme Art, dem Leser noch tiefer in die Tasche zu greifen.

Viel Geld um nichts

Der Schriftstellerverband verfügte auf dem Papier über fabulöse Bankguthaben. 1989, nach dem Dezemberaufstand, wurde er mit über 140 Millionen Lei in die Unabhängigkeit entlassen. Bei einem Durchschnittsgehalt von 2.500 Lei im Lande ein erklecklicher Batzen. All die Jahre hindurch durfte er kaum zehn Prozent davon für das eigene Budget benützen. Es klingt verwegen, bleibt aber schlichte Tatsache: der Staat finanzierte nicht die Schriftsteller, sondern bereicherte sich an ihnen.

Seit dem Dezember 1989 wurde er als Rechtsperson anerkannt und funktioniert in jeder Hinsicht autonom. Die Zahl der Mitglieder stieg sprunghaft von 1.200 auf 1.700 an, da seit zehn Jahren keine Neuaufnahmen stattgefunden hatten. Der Verband war in dieser Zeit zu einem Rentner- und Angepaßten-Club verkommen. Dagegen sträubte sich die Gruppe von Schriftsteilem, die während der kurzen Ceausescu-Glasnost-Zeit in den

Verband eingetreten waren. Zu dieser Gruppe gehörten: Ana Blandianä, Dinu Flamind, Mircea und Doina Uricariu, Nicolae Prelipceanu, Mircea Nedelciu, Mircea Dinescu, Andrei Plesu und zwei Dutzend mehr. Sie gingen bald in Opposition, einzelne wurden Dissidenten.

Doch auch nach eineinhalb Jahren wird die Institution weiterhin wie ein monolithischer sozialistischer Betrieb verwaltet. Die 27 Wochen- und Monatszeitschriften des Vebands mit einer Auflage von 1.500 bis 30.000 Exemplaren bringen pro Trimester einen Verlust von 26 Millionen Lei ein. Der Papierpreis, der sich versiebenfacht hat, wie die exorbitanten Drucklegungskosten trieben die durchschnittlichen Herstellungskosten eines Exemplars auf die doppelte Höhe des (kaum mehr) vertretbaren Verkaufspreises. Das Restaurant im verbandseigenen „Monteoru-Palast" (dem vielleicht schönsten Gebäude Bukarests vom Anfang dieses Jahrhunderts) macht einen lächerlichen Gewinn, da es eigentlich als Schriftstellerkantine gedacht ist. Das Hotel in Neptun am Schwarzen Meer (wie die vier anderen im Gebirge) decken

ihre Selbstkosten nicht bei den Vorzugspreisen, die den Mitgliedern gewährt werden. Untermarktwirtschaftlichen Gegebenheiten müßte der gemeinnützige Verein ganz einfach vom Unternehmen „Schriftstellerverband" getrennt werden.

Nun mahlen die Endlosdiskussionen im 120 Mitglieder umfassenden Leitungsrat Sand: Sie sind sich natürlich einig, daß man schleunigst auf die Hälfte der Zeitschriften verzichten müßte und das Verwaltungspersonal ausdünnen. Aber auch nur eine einzige Zeitschrift einzustellen oder einen einzigen Angestellten zu entlassen, geht nicht. Jede der Zeitschriften hat ihre Lobby und jeder Familienvater Kinder. Wen soll man opfern? Schlimmer ist, daß unter dem Sand der administrativen Diskussionen die Themen begraben werden, die jetzt als erste drankommen müßten: Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit, Aufdecken der eigenen Schuld, der Versuch, verbogenes Recht geradezuklopfen. Dafür bleibt keine Zeit.

Helmut Britz ist Herausgeber und Chefredakteur der rumänendeutschen Zeitschrift „Neue Literatur".

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