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Auf die industrielle Zukunft der westlichen Welt hat Österreich so gut wie keinen Einfluß. Unser Spielraum hängt von der wahrscheinlichen internationalen Entwicklung ab.

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Auf die industrielle Zukunft der westlichen Welt hat Österreich so gut wie keinen Einfluß. Unser Spielraum hängt von der wahrscheinlichen internationalen Entwicklung ab.

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Bevor man sich der Zukunft der österreichischen Industrie zuwenden kann, muß man die Frage nach der industriellen Zukunft der Welt stellen und beantworten. Österreich ist nämlich nur eine winzige Teilmenge dieser Gesamtheit.

Die industrielle Zukunft der Welt im Jahre 2000 ist nichts unabänderlich Vorherbestimmtes, sondern das Produkt menschlichen Verhaltens unter den naturgesetzlichen Bedingungen. Nicht die wünschenswerteste Zukunft, sondern die wahrscheinlichste gilt es zum Ausgangspunkt österreichbezogener Überlegungen zu machen. Österreich hat nämlich auf den Eintritt einer solchen wünschenswertesten industriellen Zukunft der Welt nur unendlich geringen und damit so gut wie

keinen Einfluß. Insofern es aber doch an Österreich liegen wird, seine eigene industrielle Zukunft zumindest teilweise aktiv mitzu-gestalten, wird jedoch vor dem Hintergrund der wahrscheinlichsten Weltentwicklung die Frage nach den Chancen und Gefahren für die Entwicklung der österreichischen Industrie im Jahre 2000 interessant.

Wenn es richtig ist, daß die westliche Industriewelt mit Ende der sechziger Jahre in eine lange Abschwungswelle vom sogenannten Kondratiefftyp eingetreten ist, so ist auch bis zur Jahrtausendwende mit keiner umfassenden industriellen Wiederbelebung zu rechnen. Die Industriewelt des Jahres 2000 wird ein weiteres Vordringen der transnationalen Gesellschaften erleben, und die mikroelektronische Revolution wird einen Höhepunkt erreicht haben. Das bedeutet den standardisierten Einsatz von Produktionsrobotern ebenso wie von integrierten Text-, Kommunikations- und Datenverarbeitungssystemen im Bürobereich.

Auch die stürmische Entwicklung der Gentechnologie wird enorme Neuerungen gebracht, aber dennoch zu keiner Technologierevolution geführt haben. In immer höherem Maße wird die industrielle Leistungsfähigkeit von der Effizienz des schon jetzt im Aufbau befindlichen quartären Sektors abhängen: Unternehmen, die innovatives Know-how in be-zug auf Technologie, Organisation oder Finanzierung produzieren und vermarkten, werden immer mehr den Ton angeben. Die Widersprüche zwischen transnationaler und nationaler Rationalität, zwischen wachsender Produktivität und Arbeitslosigkeit, zwischen wachsenden Gemeinschaftsbedürfnissen und sinkender Finanzierungsmöglichkeit und -bereitschaft werden sich verschärft haben. Der industrielle

Schwerpunkt wird sich zunehmend in den pazifischen Raum verlagern. Die Finanzierungsschwäche der Entwicklungs- und Schwellenländer wird Weltmarkt und Exporte hemmen.

Vor diesem Hintergrund der Industriewelt 2000 wird es kleineren und weniger wettbewerbsfähigen Industriestaaten immer schwerer fallen, ihre bisherige Aufwärtsentwicklung zu verfolgen. Während Österreichs Wirtschaft und Industrie bisher überdurchschnittlich expandierten und sogar Weltmarktanteile dazuge-winnen konnten, ist eine Fortsetzung dieses Trends bis zum Jahre 2000 keine Selbstverständlichkeit. Ihn fortsetzen, würde nämlich Technologie- bzw. Kostenvorteile implizieren oder andauernde Preiszugeständnisse erfordern. Auch Marketingbemühungen al-

lein werden zur Sicherung permanenter Exporterfolge kaum ausreichen.

Österreichs Industriehimmel des Jahres 2000 scheint somit eher von Gefahren umwölkt. Wenn die eher mittelfristigen Prognosen des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung ebenso wie jene der Prognos-AG (Basel) ein optimistischeres Bild liefern, so darf man nicht vergessen, daß sich deren Vorschauen schon in der Vergangenheit als überopti-

mistisch erwiesen und etwa ein-einhalbprozentige Verzerrungen nach oben aufwiesen. Darüber hinaus lassen die verwendeten Methoden keine Trendbrüche erkennen.

Für einen solchen negativen Trendbruch spricht aber die Vergrößerung des technologischen Rückstandes ebenso wie die Unmöglichkeit, auf den Exportmärkten weitere Preiszugeständnisse zu verkraften. Eine zusehends unter Druck geratene Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft allein wird jedenfalls kaum ausreichen, jenen unterdurchschnittlichen Kostenauftrieb zu ermöglichen, der dem exponierten Sektor der österreichischen Industrie als Tischlein-Deck-Dich dienen könnte. Der geschützte Industriebereich wiederum hat mit einer zunehmenden Marktenge zu rechnen und darauf Bedacht zu nehmen, daß nicht durch Marktmacht überzogene Preise die Konkurrenzfähigkeit Österreichs insgesamt beeinträchtigen.

Dennoch erachte ich die Chancen der österreichischen Industrie für wesentlich größer als diese Gefahren. Voraussetzung dafür wäre allerdings die Abwehr des sich bereits abzeichnenden negativen Trendbruchs. Dies setzt einen industriellen Aufbruch voraus.

Allzulange wurde alles Heil von intelligenten Produkten erwartgt; Intelligentes Kapital sollte jedoch lieber auf intelligentes Management setzen, dem ganz gewiß auch genügend intelligente Produkte,

Technologien, örganisations-und Marketingmethoden einfallen werden. Es ist nicht Sache von Außenstehenden, Insidern mehr oder minder unerwünschte Ratschläge zu geben, sondern die Entscheidungsträger haben die Nachfrage nach Neuerungen selbst zu entwickeln. Ein industrieller Aufbruch setzt jedenfalls eine neue Industriegesinnung und die Verkleinerung des „manage-rial gaps“ voraus. Das Management muß stärker effizienzorientiert und aus pseudofeudalen Reputationsvorstellungen herausgeführt werden: Nicht die Größe des Umsatzes, Dienstwagens, der Dienstvilla oder der Jagdtrophäen sollte das gesellschaftliche Ansehen bestimmen, vielmehr jene des echten Erfolges.

Auch der Staat kann und soll zu dieser neuen Industriegesinnung beitragen. Eine zukunftsorientierte Industriepolitik wird sich nicht darauf beschränken, seine Eigentümerrechte möglichst intelligent und damit selbstverständlich auch im gesamtwirtschaftlichen Interesse wahrzunehmen, sondern darüber hinaus

erwünschten industriellen Entwicklungen zur Seite stehen. Mehr Effizienz und Innovationsbereitschaft in Verbindung mit möglichst partizipativen Führungsmodellen sollten in der Lage sein, das Begabungs- und Ausbil-

dungsreservoir Österreichs besser zu nutzen. Gerade durch die Bildungsexplosion der siebziger Jahre wurde die Chance für eine solche Entwicklung verbreitert. In Zukunft ist die Produktion von Soft-Ware wichtiger denn je. In diesem Bereich kann uns die klein- und mittelbetriebliche Struktur sehr zugute kommen.

Die industrielle Zukunft Österreichs des Jahres 2000 kann und wird umso erfolgreicher sein, je besser es intelligentem Kapital und Management gelingt, von motivierten Mitarbeitern intelligente Produkte erzeugen und intelligent vermarkten zu lassen und je stärker die dafür erforderliche Quartärisierung fortgeschritten sein wird.

Der Autor ist Abgeordneter zum Nationalrat und war Staatssekretär im Kabinett Bruno Kreisky.

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