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Interesse oder Lethargie -ist das überhaupt die Frage?
Wo öffentlich diskutiert wird, steht am Beginn gerne die Präsentation eines - zumindest von den Urhebern als wichtig bewerteten - Umfrageergebnisses. So legte denn die österreichische Hochschülerschaft an der Universität Wien, ehe sie zu einer Diskussion zum Thema „Für wen forschen die Unis?“ einlud, erst einmal Resultate einer Umfrage vor:
• 77 Prozent der Studenten wollen zwar wissen, was an ihrem Institut geforscht wird,
• 75 Prozent kennen aber kein einziges Forschungsprojekt, und
• 90 Prozent haben noch nie selbst an Forschungen mitgearbeitet.
Was die Studentenvertreter damit offenbar beweisen wollten: Von studentischer Seite sei großes Interesse an der Forschung vorhanden, aber die Professoren fänden es nicht der Mühe wert, die Studenten über laufende Projekte zu informieren oder gar dafür heranzuziehen. (Den Vorwurf, die Professoren ließen nur die Assistenten und Studenten die grobe Forschungsarbeit machen und schmückten sich dann mit den Ergebnissen, hat man allerdings auch schon sehr oft gehört.)
Dabei ist die Umfrage vor allem für die Studenten nicht schmeichelhaft Warum wollen 23 Prozent nichts über die Forschungstätigkeit ihres Institutes wissen? Muß man bei den übrigen 77 Prozent nicht deutlich zwischen dem bloßen Wunsch nach Information über Forschungsvorhaben und der Bereitschaft unterscheiden, selbst Forschungsarbeit zu leisten, was - so Prof. Hans Tuppy in der Diskussion - ein „ständiges Engagement“ bedeutet?
Sind die 75 Prozent, die kein Forschungsprojekt kennen, nicht zum Teil selbst daran schuld, weil sie jene Lehrveranstaltungen, wo sie darüber informiert werden könnten, in der Regel kaum besuchen, weil diese nicht Pflichtveranstaltungen sind und die meisten Studenten an einem schnellen Abschluß mit Erwerb eines akademischen Grades viel mehr interessiert sind als an der Beteiligung an Forschungsvorhaben. Daß in einer Massenuniversität zehn Prozent der Studenten an Forschungen mitarbeiten, scheint gar keine so schlechte Bilanz zu sein.
Die Lethargie der Studenten gegenüber der Forschung zeigte sich auch im “Verlauf der Diskussion und wurde dort nur noch durch die völlige Abstinenz des Mittelbaus übertroffen. Die anwesenden Studenten überließen die Wortgeplänkel in erster Linie den Eingeladenen auf dem Podium sowie anwesenden Professoren und ÖH-Funk-tionären.
Der Bogen der angerissenen Themen
war aber doch bald so weit gespannt, daß der Blick für das Wesentliche manchem Zuhörer verloren gegangen sein mag. Da wurde etwa dem frischgebackenen SPÖ-Abgeordneten Prof. Ewald Novotny vorgehalten, Professoren könnten nicht zugleich Politiker sein, ohne ihre Aufgaben an der Hochschule zu vernachlässigen. Da wurde eine Abhängigkeit der universitären Forschung von der Wirtschaft suggeriert, wie sie in diesem Ausmaß sicher nicht vorhanden ist und auch kaum „den korrupten Professoren“ vorgeworfen werden kann. Die müssen sich eben, wenn das staatliche Forschungsbudget nicht reicht, Geld und Geräte holen, wo sie können. Rektor Prof. Kurt Komarek klärte dann eindeutig darüber auf, daß der 47-Pro-zent-Anteil der Wirtschaft an der gesamten Forschung in Österreich zum größten Teil die Forschung in den Betrieben betrifft.
Dem massiven Vorwurf, die Hochschulen kämen ihrem Gesetzesauftrag - Verbindung von Forschung und Lehre - nicht mehr nach, trat Komarek sofort entgegen: „Ich könnte mir keinen Ersatz für diese Kombination von Forschung und Lehre, wie sie'die Uni-
versität als einzige Stätte nach wie vor bietet, vorstellen.“ Zweifellos sei es notwendig, daß die Studenten an der Forschung partizipieren; dazu bedürfe es aber einer gewissen Grundausbildung, die man erst nach mehreren Semestern erhalte. Im übrigen begrüßte der Rektor jedes Bestreben, den Informationsfluß zu fördern, und wies auf eine Forschungsdokumentation der Universität Wien von 1976 hin.
Dr. Erhard Busek klopfte für die Politiker an die Brust und meinte, die Politik habe den Universitäten bei stark steigenden Studentenzahlen zu wenig Hilfe geboten, die Probleme zu lösen. Ein Mangel an Forschungsbewußtsein herrsche nicht nur unter den Studenten, in der gesamten Öffentlichkeit sei man den „Experten“ gegenüber skeptischer geworden.
Am Ende zweifelten die ÖH-Leute an ihrer eigenen Umfrage, während der Meinung, Forschung werde immer Sache einer kleinen, qualifizierten Minderheit sein, nicht mehr widersprochen wurde. Daß die Österreicher je ein Volk von Forschern werden, ist also nicht zu erwarten.
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