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Interregionale Kontakte mit Ost und West als Modellfall

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Nach dem Sturz des berüchtigten jugoslawischen Innenministers Aleksander Rankoviö im Jahre 1966, der unter dem Vorwand der staatlichen Einheit Jugoslawiens durch zentralistische Politik und Polizeidruck die sprachliche und soziale Basis für eine jugoslawische, in Wirklichkeit großserbische Nation zu bilden versuchte, verschafften sich die Teilrepubliken nach und nach größere Zuständigkeiten sowohl im wirtschaftlichen als auch im außenpolitischen Bereich.

Unter den einzelnen Teilrepubliken kam es nun zu den ersten unmittelbaren Kontakten, die vorher, bei zentralistischer Bundeskontrolle, nicht möglich gewesen waren.

Im Hinblick auf seine geopolitische Lage zwischen Osten und Westen und auf die gewaltigen Verkehrs- und Warenströme, die über sein Gebiet führen, versuchte Slowenien, auch mit den Nachbarländern Kärnten und Friaul-Küstenland Kontakte aufzunehmen. Der Versuch glückte, zahlreiche verkehrstechnische Fragen konnten mit den Nachbarstaaten gelöst, die Grenzkontrolle erleichtert, neue Grenzübergänge geöffnet werden. Der Zufluß ausländischer Währungen nahm zu.

Ermuntert durch solche Erfolge seiner interregionalen Diplomatie, knüpfte Slowenien weitere Kontakte mit europäischen Regionen an, Delegationen reisten nach dem Elsaß, nach Bayern, nach Böhmen, in die Slowakei, nach Venetien und Piemont, nach Estland und nach Ungarn, schließlich auch nach Washington. Man knüpfte Kontakte an mit der Steiermark und mit dem Burgenland, man gründete in Laibach spezielle Interessengemeinschaften für die geschäftlichen Kontakte mit Rumänien, Polen und Bulgarien.

Die außenpolitische Tätigkeit Sloweniens und anderer jugoslawischer TeilrepübÜkÄ’Wölirtö nach dem Jahre 1970, also nach der Ausschaltung liberalerer kommunistischer Führungsgruppen und nach der Rezentralisierung der Partei. Den zentralistischen Kräften gelang nämlich eine Rückkehr auf die alten Positionen nicht mehr - was sich für das gesamte jugoslawische Staatsgebilde schließlich nur positiv auswirken konnte.

Die interregionale Diplomatie weist im Vergleich zur interstaatlichen eine viel größere Elastizität auf. Slowenien ist im wesentlichen zwar der Nationalstaat des slowenischen Volkes und dürfte als solcher eigentlich nicht auf gleicher Ebene mit den Regionen und Bundesländern der Nachbarstaaten, die nur „Provinzen” sind, verhandeln, zumal diese von der internationalen Diplomatie nicht als Völkerrechtssubjekte anerkannt werden. Aber die Macht der Tatsachen führte zu neuen Lösungen. Man ließ in Slowenien die Theorie vom Nationalstaat beiseite und knüpfte weitere Kontakte auf interregionaler Ebene an. Die ansonsten äußerst zentralistischen „sozialistischen” Staaten zeigten sich dabei viel aufgeschlossener als die westlichen, so daß es gerade die Beziehungen zwischen Ungarn und Slowenien sind, die heute als Vorbild für eine mitteleuropäische und europäische Zusammenarbeit gelten können.

Zwischen diesen beiden Nationen gab es in der Vergangenheit fast keine Kontakte. Die panslawistische Ideologie schleuste nach Slowenien viel eher Informationen aus dem russischen Zentralasien als aus dem Nachbarland ein, natürlich auch aus dem deutschsprachigen und dem italienischen Kulturraum, wo zahlreiche Slowenen studierten und die Sprachen beherrschten. Aber die Sprache des ungarischen Nachbarn kannte man ebensowenig, wie man in Ungarn die slowenische verstand. Die ungarische Minderheit in Slowenien (um Lendava/Lendva) und die slowenische in Ungarn (um Szentgotthärd Monoäter) wurden in der Zeit des Staatszentralismus eher mit Mißtrauen bedacht. Erst nach der Eröffnung des kleinen Grenzverkehrs zwischen Jugoslawien und Ungarn kam es nach und nach zu Kontakten auch an der slowenisch-ungarischen Grenze, zuerst zwischen verschiedenen slowenischen Gremien und solchen im ungarischen Komitat Väs, das an Slowenien grenzt.

Zuerst wurden die Verkehrswege zwischen Slowenien und Ungarn studiert und neue geplant. Kürzlich eröffnete man den zweiten internationalen Grenzübergang zwischen beiden Republiken bei Hodös/Bajänsenye, wodurch die Verbindung Sloweniens, und besonders seines Hafens Köper, mit Westungarn, der Slowakei und Polen verbessert wurde. Auch eine direkte Eisenbahnverbindung Sloweniens mit Ungarn, die bisher fehlte, ist im Planungsstadium. Der ungarische Umschlag im slowenischen Hafen Köper beläuft sich übrigens auf fast eine Million Tonnen im Jahr. Die Einführung einer direkten Flugverbindung zwischen Laibach und Budapest ist im Gespräch.

Zwischen dem slowenischen Verlag „Pomurska zalozba” im slowenischen Murgebiet, das bis zum Ersten Weib krieg zu Ungarn gehörte, und dem ungarischen Verlag „Europa” in Budapest entwickelte sich eine enge kultu relle Zusammenarbeit. „Pomurska zalozba” gibt in Slowenien ungarische Literatur heraus, „Europa” in Budapest slowenische Werke.

Besonders enge Zusammenarbeit pflegt Slowenien des weiteren mit dem Freistaat Bayern. Diese Kontakte beziehen sich in erster Linie auf wirtschaftliche und verkehrstechnische Fragen. Auch Bayern interessiert sich für den Hafen Köper. Über ihn und über die Straßen und Eisenbahnen Sloweniens führen die kürzesten Wege zum Nahen Osten und in die arabischen Staaten. Slowenien seinerseits bemüht sich um Investitionen bayerischen Kapitals und um technologische Kooperation. Zwischen slowenischen und bayerischen Banken besteht schon lange eine enge Zusammenarbeit.

So scheint Slowenien und scheinen zum Teil auch andere jugoslawische Teilrepubliken ein Modell interregionaler Zusammenarbeit anzustreben, ein Modell, das sich trotz des Abseitsstehens der nationalen Regierung bewähren dürfte.

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