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IRA-Strategie ist aufgegangen

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Sinn Fein, politischer Arm der Terrororganisation IRA, hat bei den letzten Bezirkswahlen in der Ulster-Provinz den Stand des letzten Urnenganges dieser Art (11,8 Prozent) im Jahre 1981 gehalten , ohne das Rekordergebnis der letzten Wahlen zum Europaparlament (13,4 Prozent) zu erreichen. Das Ergebnis wird von Parteiführer Gerry Adams als Beweis dafür gewertet, daß dem „radikalen Republikanismus” von der nationalistisch-katholischen Bevölkerung größte Unterstützung entgegengebracht werde.

Nach der „Ballot and Bullit”-Strategie der IRA ist Bodengewinn durch die Mittel der Demokratie nur eine Seite des Befreiungskampfes. Die andere besteht in Bombe und Kugel des Terroristen. Vergangenen Montag zeigte sich, wie wirksam ayeh Gewalt eingesetzt wird: Drei Polizisten und eine Beamtin wurden durch eine Dynamitladung der IRA nahe Newry in die Luft gesprengt.

Wer stimmt in Ulsters katholischer Minderheit für Sinn Fein in dem Bewußtsein, daß er damit dem Terror seine Anerkennung gibt und der gemäßigten politischen Vertretung, der Sozialdemokratischen und Arbeiterpartei (SDLP) von John Hume, die Zustimmung versagt?

Es ist bezeichnend für die verworrene und aussichtslose Situation in Nordirland, daß die Kampagne von Sinn Fein in erster Linie jene ansprechen will, die durch Unerfahrenheit und Geschick an den Rand der Gesellschaft gedrängt sind: Die jungen katholischen Arbeitslosen, die an einer erfüllten Zukunft verzweifeln und in Gewalt und politischem Extremismus den Ausweg sehen. Diese Rechnung ist aufgegangen.

Irlands Premierminister Gar-rett Fitzgerald beklagte auf der Konferenz seiner Fine-Gael-Partei in Cork den Ausgang der Wahlen, weü er die Entfremdung der beiden widerstreitenden Gemeinschaften nur vertiefe. Tatsächlich hat sich die Konfrontation in einer politisch wenig relevanten Abstimmung verstärkt.

Die SDLP hat die führende Position bei den Katholiken gehalten, ohne substantielle Einbußen durch Sinn Fein zu erleiden. Die 17,7 Prozent sind identisch mit dem Ergebnis von 1981 zum selben Anlaß.

In 17 nordirischen Bezirksräten sitzen nun die Vertreter von Sinn Fein, einer davon als Mitglied des Rates in jenem Zunfthaus, das er vor zehn Jahren bombardiert hatte. Die Befürworter des Terrors, von der katholischen Arbeiterpartei geschnitten und von den

Unionisten gar nicht zur Kenntnis genommen, versprechen, als Störefriede zu wirken und sich durch destruktive Aktionen bleibend im Gedächtnis der Bevölkerung zu halten.

Die royalistischen Parteien sind durch den Ausgang der Wahl so konsterniert, daß die beiden Führer James Molyneaux (Offizielle Unionisten) und Pfarrer Jan Pais-ley (Demokratische Unionisten) für kurz ihre persönliche Rivalität vergessen und sich zu einem Pakt gefunden haben: Das heißt vollkommener Boykott der Mannen von Adams, wo immer sie in den Bezirksräten eine Rolle spielen wollen.

Die SDLP kann nun den radikalen nationalistischen Bruder bei allen Bedenken gegen dessen Ideologie nicht ganz im Stich lassen. Die Folge wird ein ununterbrochenes Kampfgetümmel in den lokalen Räten sein, die jede konstruktive Tätigkeit, ganz nach dem Geschmack von Sinn Fein, ausschließt.

Der Prestigeerfolg von Sinn Fein in den Bezirkswahlen verstärkt die Notwendigkeit zu neuen Verhandlungen Dublins mit der Regierung Thatcher. Was immer sich bis jetzt aber auf der an-glo-irischen Achse abspielte, von einem Fortschritt war nichts zu bemerken.

Als die beiden Premierminister zum letztenmal Ende vergangenen Jahres auf Frau Thatchers Landsitz in Chequers konferierten und nicht gerade eines Sinnes auseinandergingen, wurde ein neuer Gifpel für das Frühjahr 1985 in Aussicht gestellt. Dazu ist es bislang, von den Begegnungen im Rahmen der EG abgesehen, nicht gekommen. In Dublin mehren sich unterdessen die Stimmen, daß sich die Gespräche beider Regierungen zur Lösung des Ulster-Problems so gut wie totgelaufen hätten.

Fitzgerald wiederum warnte auf der Parteikonferenz vor den Konsequenzen eines Abbruchs geeinter Bestrebungen.

Die Verhandlungen zwischen Dublin und London sind vornehmlich an einem Punkt festgefahren: Die Briten zeigen sich wenig bereit, dem Drängen aus der irischen Republik Folge zu leisten und die Sicherheitskräfte zu reformieren. Die Polizei der Provinz (RUC) und das sogenannte „Ulster Verteidigungsregiment” (UDR), letztere als gesamtgesellschaftliche Ordnungsmacht in Nordirland eingesetzt, um vornehmlich die Katholiken zu schützen, sind Organe, mit denen sich ebendiese Katholiken nicht zu identifizieren vermögen.

Die Folge besteht in Entfremdung, in wachsendem Zulauf zu Sinn Fein aus Desillusion: eine Entwicklung, die weder Belfast noch Westminster willkommen sein kann.

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