Irak-Reise des Papstes: Franziskus als Botschafter eines Traumes

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Warum der Besuch des Papstes im Zweistromland ein kaum zu überschätzendes Zeichen ist.

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Warum der Besuch des Papstes im Zweistromland ein kaum zu überschätzendes Zeichen ist.

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Wieder einmal trotzt Papst Franziskus den Umständen: Von 5. bis 8. März reist er in den Irak. Ein – je nach Standpunkt – mutiges oder abenteuerliches Unterfangen. Tatsächlich spricht vieles dagegen, zum jetzigen Zeitpunkt diese erste Auslandsreise nach über einem Jahr zu wagen.

Da ist die Pandemie, die in Europa schon so schwer in den Griff zu bekommen ist. In der fragilen politischen, sozialen wie ökonomischen Lage im Irak ist Corona ein noch größeres Problem: Wie können größere Menschenmengen „coronagerecht“ versammelt werden? Nuntius Mitja Leskovar, der Vertreter des Papstes im Zweistromland, ist an Covid-19 erkrankt und muss den Besuch des Chefs in der Quarantäne verfolgen. Wer mit dem Pontifex im Flugzeug mitreist – Journalistinnen, Security etc. –, muss geimpft sein: Wäre es nicht besser gewesen, die Obdachlosen auf dem ­Petersplatz mit den vom Vatikan erworbenen Dosen zu impfen, motzte zuletzt auch der Rom-Korrespondent der FAZ.

Und die Sicherheitslage scheint erst recht nicht dazu angetan, eine Reise wie die geplante anzugehen. Erst in den letzten Tagen überschatteten große Attentate den mühsam vorangetriebenen Aufbau im zerrissenen Land. Ja, Franziskus geht auch ein enormes Risiko für sich und seine Begleiterinnen ein – erstmals habe er sich, so der Vatikansprecher, überzeugen lassen, ein gepanzertes Fahrzeug zu benutzen.
Natürlich stimmen all diese Bedenken. Aber einmal mehr hat man diesen Papst nicht verstanden, wenn man sein Agieren mit den Maßstäben des politisch und sicherheitstechnisch Machbaren beurteilt. Franziskus weiß: In dieser Zeit, in der die Pandemie als globaler Würgegriff erfahren wird, ist ein Zeichen nötig, dass gerade die Gebeutelten in den unsichersten Winkeln der Welt nicht vergessen sind. Nicht vergessen sein dürfen. Und dass die Augen der Welt dorthin zu richten sind, wo Krieg und Elend herrschen.

So kommt der römische Bischof als Bruder zu seinen Mitchris­tinnen, die als immer kleinere Minderheit im großen Land ausharren. Das Morden und die Vertreibungen durch den „Islamischen Staat“ haben die christliche Minderheit im Irak tief verwundet. Es ist ein so notwendiges Zeichen des Trostes, dass der Papst sich in diese Verlassenheit selbst hineinbegibt – in Bagdad ebenso wie im Nordirak.

Es geht Franziskus aber nicht nur um die Christinnen im Land. Er besucht auch erstmals eine Gesellschaft, in der der Islam schiitischer Prägung die größte Gruppe darstellt. In Weiterführung seiner Mission, die er vor zwei Jahren in Abu Dhabi mit den Granden der Sunniten in der gemeinsamen Erklärung zur Geschwisterlichkeit begonnen hat, sucht er auch den Dia­log mit den schiitischen Religionsführern. Die Bilder vom Treffen mit dem 90-jährigen Groß-Ayatollah Ali al-Sistani in der den Schiiten heiligen Stadt Nadschaf werden mit Sicherheit wirkmächtig sein.

Nicht minder zeichenhaft wird dann die Begegnung mit Religionsoberen am Ort der antiken Stadt Ur, aus der nach Überlieferung von Jüdinnen, Christinnen und Musliminnen der gemeinsame „Vater“ Abraham stammt. Auch Jüdinnen und Jesidinnen, Letztere wurden vom IS bekanntlich noch brutaler verfolgt als die Christinnen, sollen hier dabei sein.

HINWEIS: Die FURCHE-Ausgabe, in der dieser Beitrag erschienen ist, war dem Thema „Frau sein“ gewidmet. Als Einladung zum Perspektivenwechsel wurde bei im Text erwähnten Personengruppen grundsätzlich die weibliche Form verwendet.

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