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Ironisierte Gesellschaft

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Der unmittelbar nach Niedergehen des Vorhangs stürmisch einsetzende Beifall und die miteinander wetteifernden Bravo- und Buhrufe waren eigentlich vorauszusehen - zu viel ist in den letzten Jahren von Ulrich Mel- chingers Kasseler „Ring“, angefangen über Patrice Chėreau, Götz Friedrich und Jean-Pierre Ponnelle an Ideen und Konzeptionen über den Wagnerischen „Ring“ hereingebrochen, als daß es ohne Wirkung auf neue Inszenierungen bleiben könnte. Und ebensoviel Engagement war von Hans Hollmann zu erwarten, der zumindest Vorspiel und ersten Teil, also „Rheingold“ und „Walküre“, noch unter seiner Intendanz in Basel auf die Bühne bringen wollte.

Freilich sollte man auch nicht die Schwierigkeiten übersehen, die gerade in der Metropole am Rheinknie herrschen und den bisher einzigen früheren Versuch einer „Ring“-Folge 1924 unter Wälterlin haben scheitern lassen. So war die Realisierung auch jetzt ein mutiges Wagnis des Basler Theaterchefs, der sogar bereit war, gemeinsam mit dem musikalischen Leiter Armin Jordan einen privaten Zuschuß für die inzwischen abgesicherte zweite Ring-Darbietung dieser Spielzeit, die „Walküre“ im Mai nächsten Jahres, zu geben.

Hans Hollmanns Inszenierung zeichnet sich durch eine wohldurchdachte Mittelform ironisierter Deutung einer vermenschlichten Göttersage aus. Wichtig hiebei ist, daß er sein Konzept bis zum Ende geschlossen durchhält, wobei die Inszenierung stets elegant, bewegt und spannungsreich bis in die letzte Konsequenz bleibt. Selbst der grell-bunte Regenbogen, über den sich die Götterkollegen schließlich in die von Knaben gestützte Burg Walhall begeben, unterstützt durch ihre schockierende Wirkung nur die Ironisierung einer nach Macht strebenden Gesellschaft.

Schon im „Vorspann“ wird Hollmanns Konzeption des vermenschlichten Mythos deutlich. Zu den ersten

Orchesterklängen beleuchtet punktförmiges Licht die Götter als skurrile und intrigante Hofgesellschaft. Wotan, Donner und Froh in einer Phantasiehoftracht des neunzehnten Jahrhunderts, Fricka und Freia in ausgesucht schlichter Abendrobe, und Loge, mit Intellektuellenbrille und dunklem Gehrock als zurückhaltender „Arrangeur“ im Kampf um die Macht - das Rheingold. Etwas mühsam wirkt die Lösung für die Riesen (auf Stelzen) im grauen Overall, hauchzart und elegant die Rheintöchter, eher unscheinbar Alberichs Kleidung (grauer Arbeitskittel) wie insgesamt Anuschka Meyer-Riehls Kostüme Hollmanns Absicht deuten, alle Aufmerksamkeit dem konkretisierten Geschehen zuzuwenden.

Andreas Reinhardts Bühnenbild, im wesentlichen ein jeweils abgewandelter großer Hügel, zeigt, moosbewachsen, fast surreale Akzente im ersten Bild, weitet sich im zweiten zur pop- pig-blumenübersäten Bergwiese mit zuweilen (im letzten Bild) weitläufig eingeplanten eleganten Sitzarrangements. Hollmann bietet ausgesuchte Detailarbeit, transponiert den faulen Zauber der machthungrigen Götterwelt darstellerisch konsequent auf die menschliche Ebene, vorzügliche Sänger stehen ihm hiebei zur Verfügung. So vor allem Manfred Jung, der mit sattem Beicanto und ungewöhnlicher Brillanz den Loge fast zum indignierten Manager einer machthungrigen Gesellschaft stilisiert. Peter van Gin- kel (Wotan), Klaus Hirte (Alberich), Doris Soffel (Freia) und Kurt Rydl (Fafner) seien noch als Gastsänger genannt, womit jedoch nichts gegen die gute Gesamtleistung des hauseigenen Ensembles gesagt sei.

Ungeteilten Beifall erhielten, neben den Solisten, Armin Jordan am Pult, der für filigrane Ausarbeitung, schnelle Tempi und Transparenz der Bläser sorgte. Keinen Augenblick deckte er seine Sänger zu. Man darf neugierig sein auf die Fortsetzung mit der „Walküre“. r

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