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Irreführung der Gewissen

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Im folgenden geht es mir ausschließlich um die Feststellung von Tatsachen. Wie weit an diesen Tatsachen Beteiligte im guten Glauben gehandelt haben oder nicht, entzieht sich meiner Beurteilung.

Äußerungen von Kardinal Alfons Stickler sind vom Vorsitzenden der österreichischen Bischofskonferenz (ÖBK) als „Gerüchte“ bezeichnet worden (Salzburger Nachrichten 31.3., S. 1). Die Tatsachen, die diesen Feststellungen zugrunde liegen, sind j edoch seit 1968 in diözesanen Verordnungsblättern, in der kirchlichen und nichtkirchlichen Presse sowie im Rundfunk und Fernsehen tausendfältig publiziert worden. Es bedurfte wahrhaftig nicht gezielter „Informationen aus Österreich“ (Rupertusblatt 17.8. 86, S. 1), um die Fakten auch in Rom bekanntzumachen. Sorgen über solche Fakten galt unter anderem die Bischofssynode 1980. Sie konnten auch der ÖBK nicht unbekannt sein.

Eine der Tatsachen ist die Maria Troster Erklärung der ÖBK von 1968. Unter dem Druck von Beratern hat sie die Lehre des Konzils, die mit „Humanae vitae“ (HV) ausgeführt wurde, faktisch als nicht verbindlich erklärt. Entgegen den Ergebnissen der Bischofssynode 1980 hat die ÖBK noch weitergehend erklärt: „Ehegatten aber, die nach ernster Prüfung meinen, der in der Enzyklika ,Humanae vitae* vorgelegten (Methode der) Empfängnisregelung nicht zustimmen zu können, verfehlen sich nicht, wenn sie bereit sind, ihre Überlegungen gewissenhaft fortzusetzen“ (Wiener Kirchenzeitung 16. 11. 1980, S. 4; Hervorhebung von mir).

In „Familiaris consortio“ (FC), wo die Ergebnisse der Bischofssynode zusammengefaßt sind, sagt Papst Johannes Paul II. über die hier maßgebliche sittliche Norm: „Diese Norm ist nicht von der Kirche geschaffen und nicht ihrem Gutdünken überlassen“ (33). Die ÖBK hat, wie viele andere, offenbar geglaubt, diese Norm den Menschen von heute nicht mehr zumuten zu können. Leider ist sie dabei nicht den „Seelsorglichen Richtlinien“ von HV 19 ff. gefolgt, wo 29 ebenso wie in FC 33 unter anderem gesagt wird: „In keinem

Punkte Abstriche an der Heilslehre Christi zu machen, ist hohe Form seelsorglicher Liebe.“

Zweifellos wünschte die ÖBK, den österreichischen Katholiken „seelsorgliche Liebe“ entgegenzubringen. Dje Tragik liegt jedoch in der Tatsache, daß sie meinte, dies auch mit Abstrichen von der Lehre Christi tun zu können. Sie hat auch die wiederholten eindringlichen Erklärungen des Papstes - auch in Wien - offenbar nicht auf sich zu beziehen vermocht. Die weitere Tragik ist, daß damit zwangsläufig die Vorstellung gefördert wurde, auch der „breite Weg“ führe „zum Leben“ (Matth. 7.13 f.).

Dies wieder hat eine Irreführung der Gewissen bewirkt, deren Folgen unabsehbar sind. Der Linzer „Familienseelsorger“ Bernhard Liss hat sogar zwei Katholiken, die zu erklären wagten, daß diese Auffassungen nicht der Lehre der Kirche entsprechen, gerichtlich verfolgt. Wenn man den Haß erlebt hat, der aufbricht, wenn man für die unverkürzte Lehre der Kirche einzutreten wagt, dann weiß man, wo die wah-

“Die Reaktionen auf die Ernennung zeigen deutlich die Früchte der Saat“

ren Ursachen der beklagten ,JPo-larisierung“ liegen.

Dazu kommen die von der ÖBK zugelassenen neuen „Glaubensbücher“ , zu denen ich bereits in der FURCHE vom 20.1.1973 Stellung nehmen mußte. Trotz mancher Verbesserungen sind die Grundlagen bisher unverändert geblieben. Die gegenwärtige Lage im Religionsunterricht hat nachweislich dazu geführt, daß die jetzt heranwachsende Generation in der wohl überwiegenden Mehrheit vom wirklichen Inhalt des katholischen Glaubens so gut wie nichts mehr weiß. Ich habe nie gesagt, was mir das „profil“ unterstellt, in Österreich wisse das „niemand mehr“ . Das wäre völlig absurd.

Die Lehre des Evangeliums über Wiederverheiratung Geschiedener (Matth. 5,32; Mark. 10, 6 ff.) ist in FC 84 klar ausgeführt. Gleichwohl hat der Vorsitzende der ÖBK Erklärungen abgegeben, die ihr entgegenlaufen. Die Bestürzung des Papstes darüber kann ihm nicht verborgen geblieben sein.

Nun ist ein Priester zum Weihbischof ernannt worden, der im Geiste des Konzilsdekrets „über den Dienst und das Leben der Priester“ Christus, der Kirche und den Menschen treu dienen will. Die Reaktionen auf diese Ernennung zeigen deutlicher als alles andere die Früchte der Saat, die nun seit fast zwei Jahrzehnten ausgesät wurde.

Die, die das alles vorangetrieben haben, stehen vielen Katholiken gegenüber, die oft unter großen Opfern und ohne sich pastoralen Wohlwollens zu erfreuen, der Lehre der Kirche uneingeschränkt treu bleiben wollen. Die Feststellungen Kardinal Sticklers sind denn auch zweifellos nicht gegen die Katholiken Österreichs an sich gerichtet. Angesichts der genannten Tatsachen sind sie jedoch leider weder unberechtigt noch gar „Gerüchte“ .

Der Autor ist Ordinarius für Römisches Recht an der Universität Salzburg.

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