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Israel erwartet wilde Wahlschlacht

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Israels Stimmbürger werden am 23. Juli ein neues Parlament wählen. Wie sind nun für die einzelnen Parteien die Aussichten für diese vorzeitigen Neuwahlen am 23. Juli?

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Israels Stimmbürger werden am 23. Juli ein neues Parlament wählen. Wie sind nun für die einzelnen Parteien die Aussichten für diese vorzeitigen Neuwahlen am 23. Juli?

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Zweimal ließ Knessetpräsident Menachem Savidor am 22. März, kurz vor Mitternacht, die Stimmen der müden Parlamentsmitglieder zählen. Das Resultat blieb das gleiche: 61 gegen 58 Stimmen für Auflösung des Parlaments und Neuwahlen, die am 23. Juli stattfinden werden.

Die Schlappe für die Koalition des „Likud"-Parlamentsblocks und dessen Koalitionsregierung mit Jizchak Schamir an der Spitze, war endgültig offenbar geworden. Nun begannen die Rückzugsgefechte um wenigstens das Gesicht zu wahren und zu retten, was noch zu retten war.

Neuwahlen sind in Israel schon lange fällig. Das Libanon-Engagement wird immer unpopulärer. Aber Schamirs Kabinett war offensichtlich einfach nicht fähig, weitreichende Entschlüsse zu fassen, etwa den sofortigen Rückzug der israelischen Truppen aus dem Libanon. Denn dies wäre wohl das Eingeständnis dafür gewesen, daß der gesamte Libanonfeldzug ein Fehler war.

Schamirs Kabinett ist auch politisch nicht fähig gewesen, einschneidende Kürzungen des Regierungsbudgets durchzuführen, weil es zu viele Koalitionsverpflichtungen hatte eingehen müssen. Jeder Minister war jeweils nur bereit, das Budget anderer Kabinettskollegen, aber nicht sein eigenes zu kürzen. Eine effektive Inflationsbekämpfung war somit unmöglich.

Die Koalition war außerdem zu schwach, um gegen die erpresserischen Forderungen der ultra-re-ligiösen Partei „Agudat Israel" anzukämpfen, zumal sie auf die vier Stimmen dieser Partei im Parlament angewiesen war.

Die Frage ist nun, wer nach den Wahlen die neue Koalition anführen soll und das Land aus seiner gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krise herausführt. Die heutige Atmosphäre ist bedrückt. Es wird in Israel immer weniger gelacht, viele junge Leute wollen das Land verlassen, weil sie hier keine Zukunftsaussichten für sich sehen. Der Arbeitswille schwindet immer mehr, weil man so und so kaum noch von dem leben kann, was man verdient. Die Israelis werden insgesamt immer pessimistischer, da sie keinen

Ausweg aus der Misere sehen.

Wie sind nun die Aussichten für die verschiedenen Parteien? Der rechtsgerichtete „Likud"-Parla-mentsblock — der heute die Koalition bildet — hat zwar eine große Wählerschicht, die ihm immer treu bleiben wird. Doch war er hauptsächlich durch Menachem Begins Auftreten populär, der inzwischen von der politischen Bühne abgetreten ist, obwohl er sich immer noch weigert, auf sein Knessetmandat zu verzichten. Die Frage ist, ob Leute wie Schamir, Levy und Arens auch als Wahllokomotiven — so wie früher Begin — die Wähler mobilisieren können.

Der Wahlblock der Arbeiterpartei „Maarach" hat in den letzten Meinungsumfragen zwar einen Zuwachs der Wählergunst zu verzeichnen und kann derzeit mit 40 Prozent der Wähler rechnen. Doch genügt dies immer noch nicht, um allein eine Regierung bilden zu können.

Nachdem der populäre Abgeordnete und Ex-Staatspräsident Navon Jizchak vergangene Woche auf die Führungsposition in der Arbeiterpartei verzichtet hat, steht nun Shimon Peres unangefochten an der Spitze von „Maarach". Navons Chancen, von den Arbeiterparteigremien gewählt zu werden, waren ohnedies nicht besonders groß, denn Peres hat den gesamten Parteiapparat hinter sich.

Navons Entschluß stellt so einen Sieg des Parteiapparates über den Volkswillen dar. Doch durch diesen ist die Einigkeit in der bisher immer schwer zerstrittenen Arbeiterpartei gerettet, die sich nun mit vereinten Kräften in den Wahlkampf stürzen kann.

Die ultrareligiöse „Agudat Israel" kann einen kleinen Wählerzuwachs erwarten, da ihr Rivale, die Religiös-Nationale Partei zur Zeit total zerstritten ist. Doch trotzdem wird die „Agudat Israel" statt ihrer bisherigen vier Sitze höchstens fünf bis sechs Knessetabgeordnete ins neue Parlament bringen. Das Rätsel bleibt die Religiös-Nationale Partei, die heute fünf und während ihrer Glanzzeit zwölf Parlamentsmitglieder hatte.

Bei den anderen kleinen Parteien — die kommunistische Partei mit vier Abgeordneten, die Tami-partei mit drei, oder die liberal bürgerliche Schinuipartei mit zwei Abgeordneten — sind kaum große Änderungen zu erwarten.

Noch ist nicht klar, ob die ultrarechte „Auferstehungspartei", die sich seinerzeit von Begins Cherutpartei abgespaltet hatte, wieder zum „Likud"-Parla-mentsblock zurückkehren wird, oder allein zu den Wahlen schreitet. Ihren Mandatestand im Parlament (3 Sitze) wird sie ohnedies nicht vergrößern können.

Ein noch völlig unbeschriebenes Blatt stellt der ehemalige Verteidigungsminister in Begins erstem Kabinett, Ezer Weizman, dar, der dieser Tage bekanntgab, daß er an der Spitze einer eigenen Liste zu den Wahlen schreiten wüL Weizman, der noch keine Partei und kein Parteiprogramm hat, griff hauptsächlich die Likudre-gierung wegen des Libanonkrieges und der Wirtschaftsmisere an. Und er behauptete, daß die Regierung von Schamir und schon vorher die von Menachem Begin den Frieden mit Ägypten nicht pflegten, sondern verspielen würden.

Seine Aussichten sind noch unabsehbar. Er wird sicher auch dem „Likud" und dem „Maarach" einige Wähler abspenstig machen, und vielleicht auch eines der zwei Mandate der liberalen Schinuipartei für sich gewinnen können. Doch Weizman rechnet mit 30 Mandaten. Sollte er jedoch fünf Sitze bekommen, kann er sich glücklich schätzen.

Nun hängt alles von den Wahlen und dem bevorstehenden Wahlkampf ab. „Dieses Mal wird es beim Wahlkampf ein wahres Blutbad geben", schrieb die auflagenstärkste Zeitung des Landes „Jediot Acharonot" in ihrem Leitartikel. Sie muß es ja wissen...

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