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Israel: Navon tritt ab

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Schon wochenlang war in Jerusalemer eingeweihten Kreisen bekannt, daß Israels populärer Staatspräsident Jitzchak Navon nicht beabsichtigt, seine Funktion eine weitere Amtsperiode auszuüben. Zuviele Differenzen gab es mit Ministerpräsident Menachem Begin. Navon, der hier als gemäßigte Supertaube gilt, mußte in seiner Eigenschaft als Präsident vieles vertreten, mit dem er am liebsten nichts zu tun gehabt hätte. So ist etwa bekannt, daß Navon vor dem Libanonfeldzug gewarnt hatte, da er militärische wie politische Verwicklungen befürchtete.

Bekanntlich ist das Amt des Staatspräsidenten in Israel eine Funktion „ohne Zähne“ und besteht in repräsentativen Aufgaben wie Empfang hoher Gäste, Entgegennahme von Beglaubigungsschreiben etc. In drei Monaten läuft Navons offizielle Amtsperiode ab.

Der energische Navon will gleich zwei Bücher in seiner politischen Entsagungsperiode

schreiben — eins über die Geschichte der orientalischen Juden in Palästina vor Staatsgründung, denen er selbst entstammt, und eins über seine Tätigkeit als rechte Hand Ben-Gurions.

Dieser Tage wurden die Resultate der Umfrage eines Meinungsforschungsinstituts bekannt, der- zufolge Navon, sollte er heute an der Spitze seiner Arbeiterpartei stehen, ähnlich wie Begins Likud- Wahlblock, mit 50 der insgesamt 120 Parlamentsmandate bei Neuwahlen rechnen könnte. Allerdings wurden bei dieser Umfrage die Stimmen der arabischen Minderheit nicht berücksichtigt, obwohl der arabisch sprechende Navon unter ihnen hohes Ansehen genießt.

Sollte die Arbeiterpartei mit Peres oder Rabin an der Spitze in den Wahlkampf ziehen, würde Begin 57 Mandate, die Arbeiterpartei aber nur 42 erhalten. Noch ist unklar, ob die zerstrittene Arbeiterpartei fähig ist, Navon an ihre Spitze zu stellen und ob es überhaupt zu vorgezogenen Wahlen kommen wird.

Jitzchak Navon galt bis zu seiner Wahl vor fünf Jahren zum Staatspräsidenten als einfaches Knessetmitglied — zwar sympathisch, doch ohne besonderen Einfluß. Seine Wahl kam damals nur

zustande, weil Begins Versuche, völlig unpassende, doch ihm ergebene Kandidaten ins Präsidentenpalais zu bringen, gescheitert waren.

Sollte Navon eine Rückkehr in die Politik planen, hat er dabei jedoch Probleme - seine heutige Popularität entstand innerhalb seiner Amtsperiode als Präsident. Denn trotz seiner gemäßigten Ansichten verstand es Navon, sich geschickt aus der Parteipolitik herauszuhalten. Und er bewies so, daß der Präsident überparteilich ist.

Dabei kann Navons politische Vergangenheit nur als bescheiden bezeichnet werden. Seine Glanzperiode war während der elf Jahre als Ben-Gurions Privatsekretär. Als solcher übte er großen Einfluß auf den „Alten“ aus, wobei er sogar die Wahl des einen oder anderen Ministers, Diplomaten und anderer hoher Posten mitbestimmen konnte. Doch ge-

hörte er nie zur inneren Gruppe von Ben-Gurions „Jüngern“ (Peres, Kollek, Dayan etc.), die in Schlüsselpositionen eingesetzt wurden.

Nach Ben-Gurions Rücktritt wurde Navon Knessetmitglied. Er versuchte dann auch zum Parla- memspräsidenten, Staatspräsidenten sowie zum Vorsitzenden der Zionistischen Weltorganisation gewählt zu werden, mußte aber immer wieder seine Kandidatur mangels Unterstützung der eigenen wie anderer Parteien fallen lassen.

Auch wenn Navon nie an der Spitze der Arbeiterpartei oder der Regierung stand, hat er trotzdem eine gute Schule durchgemacht — war doch Ben-Gurion sein großer Lehrmeister. Und der verstand es, zwischen den Kräftezentren zu jonglieren, Rivalen gegeneinander auszuspielen. Und er scheute keine Intrigen, um sich durchzusetzen.

Navons größte Sorge wird es nun sein, sein Image einer über alle stehenden gütigen Vaterfigur auch ohne eine öffentliche Tribüne beizubehalten. Sollte ihm dies gelingen, hat er eventuell Aussichten, bei den kommenden Wahlen als Führer der Arbeiterpartei Begin zu besiegen. Denn während seiner Amtsperiode erreichte er eine Popularität, die keiner seiner Vorgänger seit der Staatsgründung von 1948 je erreichte.

Navon hat ein Ohr für den kleinen Mann auf der Straße und versuchte — so weit es im Bereich seiner Möglichkeit steht, seine Meinung zu sagen—ohne seine Wider- sacher zu verärgern. Seine Reden brachten ihm die Sympathie des Volkes ein, und viele sagen: „Er spricht uns aus der Seele.“

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