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Israel-Syrien: Der Nervenkrieg geht weiter

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Vor wenigen Tagen roch es in Israel noch nach Krieg. Inzwischen hat sich die Lage wieder etwas beruhigt, nachdem das großangelegte Manöver der syrischen Armee zu Ende ging ynd die Soldaten mit ihren Panzern von der Konfrontationslinie mit Israel abgezogen wurden. Zurück blieben nur die ständig stationierten syrischen Einheiten. Auch die israelischen Verstärkungen werden allmählich von der Front abgezogen, der kleine Mann auf der Straße könnte eigentlich wieder aufatmen.

Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus: Weder ist die Kriegs-

gefahr mit Syrien gebannt noch sind die Probleme gelöst, die zu einem eventuellen militärischen Schlagabtausch führen können. Heute zerbricht man sich in Israel den Kopf, ob das syrische Manöver an der Grenze nur eine Warnung an Israel und an den Libanon gewesen war oder ein Auftakt zu einem neuen Krieg hätte sein sollen.

Trotz der Niederlage im Liba nonfeldzug ist heute die syrische Armee stärker als vor einem Jahr. Sie konnte ihre angeschlagene Panzerarmee wieder aufbauen und vergrößern, sowie die 100 abgeschossenen Kampfmaschinen durch modernere Typen ersetzen. Die Anwesenheit von 6000 sowjetischen Militärberatern hat den 400.000 Mann starken syrischen Streitkräften wieder Stärke und Selbstvertrauen eingeflößt.

Im Gegensatz zur israelischen besteht die syrische Armee aus Berufssoldaten, die Konzentration von Streitkräften an Israels Grenzen auf den Golanhöhen und im Libanon muß also kaum große strukturelle Änderungen hervor- rufen.

Im 3,5-Millionen-Staat Israel hingegen besteht die reguläre Armee nur aus einem kleinen Kader von Berufsoffizieren und aus zum Militärdienst Eingezogenen. Bei Kriegsgefahr müssen sofort die Reserven mobilisiert werden — eine Tatsache, die sich auf Israels Wirtschaft einschneidend auswirkt.

Um auf Israel Druck auszuüben, dirigieren die Syrer zurzeit die PLO-Kämpfer zu Terroranschlägen gegen israelische Soldaten im Libanon. Sie hetzen auch die Drusen gegen Israels Verbündete im Libanon — die Maroniten — auf, um so die Autorität der Zentralregierung in Beirut zu untergraben, nachdem Libanons Präsident Amin Gemayel ohne syrische Zustimmung mit Israel einen Friedensvertrag unterzeichnet hat.

Bei den Friedensverhandlungen zwischen Israel und dem Li banon haben die USA Syrien aus dem Spiel gelassen. Washington nahm an, daß die saudiarabischen Petrodollars nach Unterzeichnung des Friedensvertrags einen syrischen Truppenabzug erkaufen könnten. Auf diese Weise wollten die Amerikaner die Sowjetunion aus dem Spiel heraushalten.

Das war jedoch eine Rechnung, die nicht aufging. Denn Syrien, das in der arabischen Welt mehr oder weniger isoliert dasteht, findet in der UdSSR seine einzige Stütze. Darüber hinaus will Damaskus für den Abzug seiner Truppen genau wie Israel Bedingungen stellen.

Israel fügte sich dem amerikanischen Diktat und überließ die weiteren Verhandlungen mit Syrien Washington, um die jetzt ent standene Verbesserung der Beziehungen zu den USA nicht zu trüben. Doch ermöglichen die langen Okkupationslinien Terroranschläge, bei denen jede Woche fünf bis zehn israelische Todesopfer und einige Dutzend Verwundete zu beklagen sind.

Für Israel bestehen zwei Möglichkeiten: sich entweder auf eine 45 Kilometer breite Sicherheitszone oberhalb der israelischen Nordgrenze, oder auf die eigentliche Landesgrenze zurückzuziehen und dem libanesischen Major Haddad und seinen Milizen den gesamten Südlibanon zu überlassen.

In bei den Fallen müßte dann die libanesische Armee in die geräumten Gebiete einziehen, wie es auch im Friedensvertrag verzeichnet ist. Dazu ist sie aber heute noch nicht fähig, so daß sowohl die Amerikaner als auch die libanesische Regierung an einem verfrühten israelischen Abzug ohne gleichzeitigen syrischen und PLO-Rückzug gar kein Interesse haben.

Sollte Syrien seine Truppen in den nächsten Wochen nicht abzie- hen, wird Israel aller Voraussicht nach trotzdem den Rückzug an- treten: zu hoch ist der Blutzoll, den die Israelis in Libanon zu zahlen haben.

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