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Israels Sonderstellung in der US-Allianz-Politik passe

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Ist Präsident Carters Stern wieder im Aufsteigen? Bei oberflächlicher Betrachtung seines neuerlichen Abstimmungserfolges im Senat könnte man diese Frage bejahen. Nachdem der Senat die Panamaverträge mit der Mehrheit einer einzigen Stimme über die erforderliche Zweidrittelmehrheit ratifizierte, hat er jetzt eine Resolution mit zehn Stimmen Mehrheit abgelehnt, die den Verkaufmodernster Flugzeuge vom Typ F-5, F-15 und F-16 an Israel, Ägypten und Saudi-Arabien blockiert hätte.

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Ist Präsident Carters Stern wieder im Aufsteigen? Bei oberflächlicher Betrachtung seines neuerlichen Abstimmungserfolges im Senat könnte man diese Frage bejahen. Nachdem der Senat die Panamaverträge mit der Mehrheit einer einzigen Stimme über die erforderliche Zweidrittelmehrheit ratifizierte, hat er jetzt eine Resolution mit zehn Stimmen Mehrheit abgelehnt, die den Verkaufmodernster Flugzeuge vom Typ F-5, F-15 und F-16 an Israel, Ägypten und Saudi-Arabien blockiert hätte.

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Im Weißen Haus war die Stimmung nach einer fast ununterbrochenen Kette von Niederlagen überschwenglich. Die jungen, unerfahrenen Gehü-fen des Präsidenten aus Georgia feierten den Sieg über die mächtige „Israel-Lobby“, wie manche Zeitungen behaupteten, mit gelegentlich antisemitischen Ausfallen. Das wird jedoch von anderen vehement dementiert. Die „New York Times“, immer äußerst sensibel, wenn es um israelische Anliegen geht, berichtete sogar auf der ersten Seite, daß der Präsident persönlich die Führer des amerikanischen Judentums angerufen und sie seiner persönlichen Sympathien versichert habe. Trotz dieser Bemühungen hat Carter die Sympathien des amerikanischen Judentums auf längere Sicht verspielt

Für die Juden Amerikas und die israelischen Interessen bedeutet diese Abstimmung eine Zäsur: Verloren ging die Sonderstellung Israels in der amerikanischen Allianz-Politik - die Stellung eines Alliierten vor allen anderen Alliierten. Daher war es für Israel und seine Anhänger schon allein eine beispiellose Herausforderung, daß sein Ansuchen um moderne Flugzeuge mit jenen der Ägypter und der Saudiaraber junktimiert wurde, so daß man mit den potentiellen Feinden auf eine Stufe gestellt wurde.

Als man Carter - für derartige Symbole nie sehr feinfühlend - auf diese Zusammenhänge aufmerksam machte, verzichtete er auf den Ausdruck „Paket“, gab aber klar zu verstehen, daß er die Lieferungen insgesamt stornieren würde, sollte der Senat nur die Wünsche Israels erfüllen.

Diese Sonderstellung vor Augen, schien dem Pro-Israel-Block Carters Kompromißvorschlag - die Israelquote noch um 20 Flugzeuge zu erhöhen - „wie Schnee im Winter“. Diese 20 Flugzeuge hätte Tel Aviv sowieso bekommen, so wie Israel eben auch Wirtschaftshüfe außerhalb jeglicher Auslands-Unterstützung erhalten hat: nicht nur wegen seiner einzigartigen Verankerung in der amerikanischen Innenpolitik, sondern auch als Kompensation für den Rückzug der tief nach Ägypten vorgestoßenen Armeen, nachdem der ägyptische Angriff im

Yom-Kippur-Krieg zusammengebrochen war.

Israel ging es daher nicht allein um die eigenen Flugzeuge. Es galt zu verhindern, daß die Saudis ultramoderne Kampfflugzeuge vom Typ F-15 erhalten, die trotz gegenteüiger Beteuerungen seitens Saudi-Arabiens für die strategische Planung Israels eine potentielle Gefahr darstellen. Tel Aviv hätte sogar auf die eigene Lieferung verzichtet, wäre das der Preis für die Blockierung der Lieferung an die Araber gewesen. Denn Israel hat in den letzten Jahren, in denen das Verhältnis zu den USA bereits gewissen Schwankungen unterworfen war, eine eigene Rüstungsindustrie aufgebaut, von der 'nur bekannt ist daß sie auch modernsten Anforderungen gerecht wird.

Die Argumente des Präsidenten für die Lieferungen an die Araber beinhalteten immer wieder die „kommunistische Gefahr“, der vor allem das gemäßigte Königreich der Saudis ausgesetzt sei. Daß sich der Präsident nicht leicht tat, beweist die Rede des zukünftigen Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses, des Demokraten Frank Church, der für die Blockierungsresolution stimmte. Er erinnerte den Präsidenten daran, daß er es war, der im Wahlkampf das Geschäft mit Waffen als „Geschäft des Todes“ angeprangert hätte. Angesichts der Spannungen im Pulverfaß Nahost sei es momentan viel besser, gar keine Flugzeuge zu liefern. Andere brachten in Erinnerung, daß die Argumentation mit der „kommunistischen Gefahr“ nicht statthaft wäre, sei es doch Carter selbst gewesen, der die Russen zur Teilnahme an einer Genfer Konferenz zur Friedensregelung im Nahen Osten eingeladen und somit wieder in diesen Krisenherd gerufen hätte. Und was den mächtigen Einfluß der Saudis betreffe, so finanzieren diese die nicht immer friedlichen Vorhaben der Palästinenser mit rund 40 Mülionen Dollar pro Jahr.

Was jedoch den Saudis von der Mehrheit der Senatoren gutgeschrieben wurde, ist ihre Zurückhaltung in der OPEC, die wohl bereits mehrmals die Ölpreise erhöht hätte, wären die Saudis nicht vehement für eine Stabü-haltung eingetreten.

Die Saudis hätten sich auch für die

Beibehaltung des Dollars als einer Art Leitwährung stark gemacht, was jedoch von den Freunden Israels mit der Bemerkung entkräftet wurde, daß ihnen gar nichts anderes übrig geblieben sei, weü sie bis zum Hals in Dollars und amerikanischen Investitionen stecken würden.

Schließlich wurde das Argument des Präsidenten, er habe im Interesse der Fortsetzung der Friedensverhandlungen Präsident Sadat zufriedenstellen müssen, von den Israelis mit der Bemerkung anulliert, daß sich jetzt eben Israel mit seinem Sicherheitsbedürfnis bedroht fühle und keinerlei territoriale Konzessionen machen könne. Vorübergehend - so wird in Regierungskreisen zugegeben - hätten sich auch die Aussichten auf Friedensgespräche verschlechtert.

Die innenpolitischen Auswirkungen dieser Abstimmung mögen für Carter wahrscheinlich noch unangenehmer sein. Schon seit einiger Zeit verbreiten judenfreundliche Kreise die Ansicht die Carter-Administration sei „antisemitisch“ eingestellt. Der Republikanische Senator Weickert aus Connecticut, der sich als Nixon-Hasser bei den Watergate Hearings einen Namen gemacht hatte, bezeichnete kürzlich Carters Sicherheitsberater, den gebürtigen Polen Brzezinski, als Antisemiten, der abzuberufen sei. Weickert wül einen Protestzug jüdischer Studenten nach Washington führen, der vor dem Weißen Haus demonstrieren soll

Bis jetzt konnte noch kein Präsident ohne die .jüdischen Stimmen“ der Staaten New York, Kalifornien und jüngst auch Florida gewählt werden. Die „Elektroratsstimmen“ dieser drei Staaten allein stellen eine Art Sperrminorität von etwa 20 Prozent dar. Juden und Neger waren aber die Hauptstützen Präsident Carters bei seiner Wahl. So könnte Carters Sieg im Senat ein Pyrrhussieg.gewesen sein, der ihm die Wiederwahl 1980 kosten kann. Daß die Mehrzahl der Republikaner bei dieser Abstimmung für den Präsidenten stimmte, mag bloß ein schwacher Trost sein. Denn die Senatoren der eigenen Partei stimmten mit 33 zu 28 gegen Carter.

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