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Ist alles vergleichbar ?

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Hans Hass, Meeresbiologe und Pionier des Unterwassersports feierte jüngst seinen 65. Geburtstag. Sein neuer Lebensinhalt: er trägt Wiener Studenten seine „Energonlehre" vor.

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Hans Hass, Meeresbiologe und Pionier des Unterwassersports feierte jüngst seinen 65. Geburtstag. Sein neuer Lebensinhalt: er trägt Wiener Studenten seine „Energonlehre" vor.

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FURCHE: Herr Professor Hass, Sie haben vor rund 25 Jahren mit dem hauptberuflichen Tauchen Schluß gemacht und widmeten sich seither der System- und Evolutionsforschung. Nun besitzen Sie seit einigen Semestern einen Lehrauftrag an der Universität Wien. Was lehren Sie dort?

HASS: Ich halte an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät unter Loitlsberger eine Einführung in die Energonlehre, über Wesen und Meßbarkeit von Effizienz einerseits in der biologischen und anderseits in der wirtschaftlichen Evolution.

FURCHE: Können Sie uns die von Ihnen entwickelte Energonlehre erläutern?

HASS: Da muß ich ein bißchen ausholen. Ausgangspunkt für mich ist die Überlegung, daß viele Systeme sich zwar in ihrem materiellen Erscheinungsbild sehr unterscheiden, als energieerwerbende Systeme jedoch aus funktionalen Einheiten bestehen, durch die sie sehr verwandt werden.

Um das zu versinnbildlichen: Ein Tier, eine Pflanze, ein Konzern oder ein Staat sind für uns äußerst unterschiedliche Dinge. Für mich besteht aber zwischen ihnen eine innige Gemeinschaft. Parallele Nummer eins: Sowohl in der Natur als auch in der Wirtschaft setzt sich in einem mörderischen Wettbewerb nur das Effizientere durch. Ich fragte mich nach der Meßbarkeit dieser Effizienz. Erstes Ergebnis: Alle energieerwerbenden Systeme — und dazu zähle ich einen Regenwurm ebenso wie ein Volkswagenwerk— müssen als conditio sine qua non eine positive Energiebilanz erbringen, das heißt über einen Energieüberschuß verfügen, den es anderswo investieren kann.

Zweitens: Es muß offensichtlich auch Stoffe erwerben. Dann muß es Steuerungen haben, um diese Stoffe in neue Energiestrukturen umzusetzen, also Fortpflanzung und Wachstum. Es muß sich auch gegen die feindliche Umwelt abschirmen können, andererseits aber sich günstige Umweltbedingungen zunutze machen können. Außerdem muß jedes solche System seine Bestandteile aneinander binden können, sei es durch Bindegewebe, oder Verträge. Meine Energontheorie behauptet also, daß sich das Leben notwendigerweise über verwandte Strukturen fortsetzt.

FURCHE: Welches Echo fand Ihre Lehre bis jetzt?

HASS: Meine Betrachtungsweise ist unanschaulich. Unser Gehirn ist an seine Schubladeneinteilung gewöhnt. Wenn ich nun plötzlich sage, ein Haus und ein Baum lassen sich unmittelbar vergleichen, sträubt es sich dagegen. Darin liegt die große Schwierigkeit der Theorie, daß sie mit anderen Grundkategorien des Denkens arbeitet.

Dementsprechend gering ist das bisherige Echo. Aber zu Beginn meiner Tätigkeit unter Wasser ging's mir nicht anders. Da interessierte sich vorerst auch kein Mensch dafür.

FURCHE: Wie lassen sich die Ergebnisse Ihrer Forschungstätigkeit anwenden?

HASS: Eine Kurzantwort ist schwierig. Jedenfalls hat die Naturwissenschaft noch gar nicht reagiert. Ich halte für große Konzerne Vorträge und Seminare. Die Einladungen der Wirtschaft beweisen meiner Meinung nach ihre große Unsicherheit. In einer so wackeligen Situation sind die Chancen für eine solche, neue Betrachtungsweise besser als sonst. Und die konkrete Anwendung: Bei meinen Beratungen versuche ich, den Betrieb als Energon, also als energieerwerbendes System zu sehen, und schaue danach, in welchem der vorher erwähnten Funktionskreise seine Problematik beheimatet ist. So kann ich nämlich seine „troubles" mit denen aller übrigen Energone, Tiere, Pflanzen, etc. vergleichen.

Auf eine kurze Formel gebracht: Eines meiner Grundprinzipien besteht darin, nicht gewinn-, sondern nutzenorientiert zu denken. Das bedeutet, nicht alles am Verdienst zu messen, sondern nach einem echten, ungelösten Problem zu suchen. Und deren gibt es genug.

Das Interview führte Walter Weiss.

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