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Ist Bonn für Wien kein Beispiel?

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Daß die Regierung durch ihren „Mut zum Schuldenmachen“ einen für breitere Bevölkerungsschichten fühlbaren Konjunkturrückschlag bis zu den Wahlen hintangehalten hat, wurde vom Wähler — wie die Resultate beweisen — pünktlich honoriert. Der Preis, welcher dafür bezahlt wurde, nämlich ein enormes Budgetdefizit von über 40 Milliarden, ist

— vorläufig zumindest — für das Gros der Staatsbürger noch nicht fühlbar, und Zahlen sind zu abstrakt, um das Publikum zu irritieren. Wenn es bisher gut gegangen sei, werde es auch weiter gut gehen

— so ungefähr die herrschende Mentalität.

Wie aber soll es weitergehen, wenn uns keine neuerliche internationale Konjunktur — für die es bislang noch keine eindeutigen Indizien gibt — aus der Patsche hilft? Sollen sich weiterhin die Budgetdefizite explosionsartig ausweiten — und das, obwohl auch im günstigsten Fall kein nur annähernd adäquates Wirtschaftswachstum für die volkswirtschaftliche Balance sorgt? Ein- oder zweimal kann man die Arbeitslosigkeit durch den „Mut zum Schuldenmachen“ in relativ bescheidenem Rahmen Tialten. Auf die Dauer geht das nicht.

Der Finanzminister strahlt weiterhin Optimismus aus: Die Trendumkehr sei bereits eingetreten. Gegenüber dem diesjährigen Defizit von über 40 Milliarden, werde im Bud-geht 1976 das Passivum „nur“ 36 Milliarden betragen (Kreisky 1969: „Neun Milliarden Defizit sind ein Wahnsinn.“).

Wird die Entwicklung im kommenden Jahr den gleichen Lauf nehmen? Sogar schon eine srste Analyse des Budgets läßt es als sehr wahrscheinlich erscheinen. Wieder zeigen sich die gleichen „Ungenauigkeiten“ bei fixen, genau prognostizierbaren Ausgabenposten wie im Vorjahr. Diese werden kurzerhand zu niedrig

380 Millionen Schilling wird der ORF für die Übertragung der Winterspiele in Innsbruck zu zahlen haben. 950 ORF-Mitarbeiter werden rund um die Uhr im Einsatz sein. Nun, Olympiaden haben ihren Preis. Sie sind ja nationale Prestigespektakel.

Aber man fragt sich allen Ernstes, ob der Effekt solcher Hypertrophie auch in einem Verhältnis zum Aufwand steht. Olympiaden heizen den Nationalismus an, und späte-steps nach dem zweiten Kampftag geht es ja nur mehr um die nationalen Medaillensummen. Der einzelne Sportler kommt seinerseits unter die Räder der Berichthypertrophie (wenn er nicht erster oder zweiter ist) und das Publikum wird in eine Art von Dauer-Reizzustand versetzt. Da gibt es dann in Österreich keine Politik und keine Kultur mehr. Apropos: für den ORF gibt es schon heute eine Aktion „Spar“. Denn die Kosten müssen ja irgendwo eingebracht werden. Bei anderen Sendungen. Etwa: den Kultursendungen. Sport zu Lasten der sowieso schon zurückgeschraubten Kultur. Das ist dann die eigentliche Konsequenz. Traurige Zeiten. Olympiazeiten.

( angesetzt. Und wieder steht dem ein exzessiver Optimismus bei der Einnahmenschätzung gegenüber, den die Realität ebensowenig wie bisher honorieren dürfte.

Als zu niedrig angesetzt bezeichnen Experten folgende Posten:

• Die Bundeszuschüsse für die Pensionsversicherungsanstalten sind mit 18 Milliarden präliminiert, obwohl das Sozialministerium deren 24 verlangt hat. Hier aber handelt es sich um keine Ermessenskredite, welche durch den Finanzminister kurzerhand reduziert werden können, sondern um gesetzliche Verpflichtungen, welche unabhängig von der Budgetsituation erfüllt werden müssen — es sei denn, man kürzt mittels eines neuen Gesetzes die Pensionen. Dies aber, so ist im Wahlkampf beteuert worden, werde nicht der Fall sein.

• Der Haushaltsplan trifft keine Vorsorge für eine Erhöhung der Beamtengehälter, welche zirka vier Milliarden ausmachen wird. Es ist aber kaum anzunehmen, daß die Regierung die Absicht hat, den Beamten jegliche Gehaltserhöhung — sogar die Inflationsabgeltung — zu verweigern, um so mehr, als die Gewerkschaften keinen Zweifel daran lassen, daß es in der gewerblichen Wirtschaft ohne Rücksicht auf die negative Konjunktursituation die übliche Lohnrunde geben werde

• In das Defizit sind noch nicht die sieben Milliarden für das „Konjunk-turausgleichs“-Budget einbezogen, obwohl der Finanzminister dieses — wie er es bereits in Jahren mit viel besserer Konjunktur getan hat — bestimmt wieder aktivieren wird.

Allein diese drei ins Auge springenden Posten lassen das Defizit auf 53 Milliarden hinaufschnellen. Was sonst noch an weniger spektakulären Unterbudgetierungen im Präliminare steckt, sei hier gar nicht weiter untersucht.

• Die Einnahmenschätzung basiert auf der Annahme eines realen Wirtschaftswachstums im Jahre 1976 von 1,5 Prozent. Androsch beruft sich dabei — wie schon vor einem Jahr — auf eine Prognose des Wirtschaftsforschungsinstituts. Aber aus den für 1975 prognostizierten 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum ist inzwischen eine Schrumpfung in ungefähr der gleichen Dimension geworden. Wer garantiert uns, daß nicht auch die Prognose für das kommende Jahr ähnlich negativen Revisionen unterliegen wird?

Mit Budgetdefiziten lassen sich wirtschaftliche Probleme nicht lösen, sondern nur hinausschieben. Wir werden in Zukunft nur mit um so größeren Beschäftigungsschwierigkeiten büßen.

Der viel gepriesene Mut zum Schuldenmachen ist daher in Wirklichkeit nichts anderes als Feigheit vor der Realität. Was wir tatsächlich brauchen würden, wäre — nach dem Muster von Kreiskys und Androschs Bonner Parteifreunden Schmidt und Apel — der Mut zu drastischen Einsparungen.

Bereits jetzt sind die Budgets der kommenden Jahre durch einen enormen Zinsendienst und massive Rückzahlungsquoten belastet (rund 25 Milliarden pro Jahr). Wenn Österreich nicht früher oder später in die Situation kommen will, in welcher sich die Stadt New York heute schon befindet, ist der Abschied von der extrem expansiven Budgetpolitik, wie sie die Regierung Kreisky bisher betrieben hat, überfällig.

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