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Ist das Christlichsoziale am Ende?

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Als das „Volksblatt”, Zentralorgan der ÖVP, Nachfolger des „Kleinen Volksblattes”, am. 15. November 1970 sein Erscheinen einstellte, waren viele der Meinung, daß dies eine Maßnahme gewesen sei, die nur auf Grund einer angeblich nicht richtigen Wirtschaftsführung oder einer nicht richtigen redaktionellen Leitung hervorgerufen worden wäre. Als kurz darauf zwei weitere Wiener Tageszeitungen beinahe starben, war dies für viele denn doch ein deutliches Zeichen, daß das „Volksblatt” nicht aus internen Gründen gestorben war, sondern ein Opfer der schleichenden Zeitungskrise gewesen ist, die um die Welt geht. Das Sterben des „Volksblattes” war darüber hinaus noch ein weiteres Symbol: Das Erlöschen der christlichsozialen Idee innerhalb der Volkspartei, die zwar offiziell nicht die Nachfolgerin der alten christlichsozialen Partei ist, aber dennoch weitgehend auf ihren Kadern und ihren Organisationen aufbaute.

Die christlichsoziale Idee kommt bei den führenden Männern der Volkspartei kaum noch zum Ausdruck. Man mag dies bedauern, aber man wird nicht umhin können, diese Tatsache festzustellen. Gefördert wurde diese Erscheinung durch das — richtige — Verhalten der katholischen Kirche, die nach 1945 jede Koalition mit einer politischen Macht, sei es dem Staat oder sei es einer Partei, ablehnte. Nur in der Masse der

Volksparteiwähler sind noch Reste des christlichsozialen Denkens und Fühlens vorhanden und mit Bedauern sehen viele Schichten dieser kleinen Leute das Schwinden des christlichsozialen Denkens in der ÖVP-Führungsspitze an.

*

Eine Ausnahme bildet hievon ein Mann, der am 18. April seinen 60. Geburtstag feierte. Es ist der Generalsekretär des österreichischen Wirtschaftsbundes und Geschäftsführer des österreichischen Wirtschaftsverlages, Fritz Eckert.

Schon sein Vater war ein eifriger Anhänger Luegers, er selbst war als Bub Ministrant bei Seipel. Als das kleine Volksblatt” gegründet wurde, fuhr er mit dem Fahrrad von Dorf zu Dorf, um es zu propagieren. In der Zeit nach 1933 kam er in den tragischen Konflikt so vieler Anhänger der christlichsozialen Idee.

Diese Idee war unvergänglich verknüpft mit dem Heraufkommen des demokratischen Gedankens, und sie selbst hatte für dessen Durchbruch weitestgehend Arbeit geleistet. Nach 1933 aber erschien die Demokratie in Österreich vielen als eine Gefahr, dem Nationalsozialismus den Weg zu ebnen.

Und so wurden überzeugte Demokraten aus einem tiefen Patriotismus heraus Anhänger eines nichtdemokratischen Systems. Schon als 17jähriger mußte Fritz Eckert seinen Patriotismus für Österreich bitter bezahlen: Mit einem der ersten Transporte kam er 1938 nach Dachau. Es war Dr. Funder, der dem jungen Österreicher in Dachau einmal ein seelisches Tief überwinden half, als er ihn mit den Worten tröstete: „Nicht Nationalsozialist gewesen zu sein, ist kein Fehler, sondern eine Gnade.” Aus dem KZ entlassen,

mußte er gegen Ende des zweiten Weltkrieges nochmals eine bittere Haft über sich ergehen lassen.

1945 berief ihn Julius Raab, der Gründer des Wirtschaftsbundes, zum Generalsekretär desselben, welche Funktion er seit dieser Zeit innehat. Julius Raab, dieser gewiegte und erfolgreiche Staatsmann, schätzte den Generalsekretär des Wirtschaftsbundes nicht nur als einen erfolgreichen Politiker, er schätzte vor allem sein einfaches, gesundes, aus einem tiefen christlichsozialen Denken kommendes Urteil, und er schätzte vor allen Dingen auch, daß Eckert sich vor den Allgewaltigen kein Blatt vor den Mund nahm.

Die Welt freilich kennt Fritz Eckert viel zu wenig und hört von ihm höchstens immer nur, wenn er eine Auszeichnung oder eine Ehrung über sich ergehen lassen muß. Die Zahl dieser Auszeichnungen ist allerdings gewaltig. Er bekam nicht nur das Ehrendoktorat einer amerikanischen Universität, sondern wurde auch, solange noch diese Ehren ausgeteilt wurden, päpstlicher Geheimkämmerer. Die Zahl seiner Orden aufzuzählen, würde zuviel Raum in Anspruch nehmen, die Zahl der Großkreuze, die er besitzt, dürfte höchstens ‘durch die Anzahl der Großkreuze, die Radetzky oder Bundeskanzler Kreisky verliehen wurden, üb erboten werden. Aber alle diese Dinge machen nicht das Wesentliche dieses Mannes aus. Das Wesentliche ist es, daß er einer der wenigen noch ist, die noch einen überzeugenden österreichischen Patriotismus besitzen und auch noch als einer der letzten ein tiefes christlihsoziales Denken, das geboren wurde aus seiner Liebe zu Österreich und zu seiner Kirche.

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