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Ist das Fernsehspiel nur Ersatz fürs Kino?

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Die Liebe fast aller ambitionierten Filmemacher gilt dem Kinofilm. Auch in Österreich. Nur gibt es hier keine Kinofilmproduktion mehr. Jene, die trotzdem einzelkämpferisch einen Vorstoß in Richtung Kino wagten, mußten feststellen, daß es nicht nur am fehlenden Geld scheitert, sondern auch an mangelnden oder unzulänglichen technischen Möglichkeiten und an einem in der Kinofilmproduktion unerfahrenen Stab. Es gibt keinen nationalen Film. Dazu ist der Markt zu klein und die Macht der internationalen Verleiher zu groß.

Vor derart aussichtlos scheinenden Bedingungen flüchteten die Filmemacher zum Fernsehen, denn dort gab es für sie Arbeit Der lobenswerte Vorsatz im ORF, das Programm zu „verÖsterreichern“, brachte die Produktion österreichischer Fernsehfilme ins Rollen und für junge Regisseure und Autoren die Möglichkeit, sich zu profilieren.

Beim Fernsehen gibt es anscheinend auch nicht das so einengende Diktat, erfolgreich produzieren zu müssen, zumindest nicht finanziell. Für die kaufmännische Abteilung im ORF ist es egal, wieviele Österreicher das Fernsehspiel sehen oder verärgert abdrehen. Die Produktionskosten bleiben dieselben.

Wer aber glaubt, das Fernsehen biete damit größere Freiräume für all jene, die im gestalterischen Bereich arbeiten, irrt ebenso wie andere, die meinen, das ausschließliche Entscheidungskriterium für die Auswahl der Projekte sei die Qualität des Drehbuchs.

Die Verantwortlichen in der Fern-Sehspielabteilung stehen unter massivem Erfolgszwang. Für sie geht es nicht nur um die Produktion guter

Fernsehspiele, sondern auch um das eigene Uberleben in einer kafkaes-ken Fernsehbürokratie voll eifersüchtiger Gegenspieler, die mit fragwürdigen Infratestergebnissen um günstige Sendezeiten kämpfen und dem anderen keine Ruhe gönnen, aufbauend zu arbeiten.

So werden die Entscheidungskriterien für die Projektauswahl von Fernsehspielen eine letztlich unergründliche Mischung aus Qualitätsanspruch, gesetzlichem Bildungsauftrag, zu erwartenden Einschaltquoten und risikolosen Erfolgsaussichten für die Entscheidenden.

Die Illusion der Filmemacher, beim ORF weniger abhängig arbeiten zu können, war bald dahin. Man sah sich vorerst unergründlichen Mechanismen einer Bürokratie gegenüber, die vieles verunmöglicht, manches verschlampt, auf jeden Fall aber mehr behindert als nützt.

Man kann Fernsehspiele nicht wie Kinofilme produzieren. Denn, wenn das Fernsehen auch finanziell unabhängig ist, so gibt es doch massive Beschränkungen bei den Produktionsbudgets. Die Milchmädchenrechnung der ORF-Leute ist, mit möglichst wenig Geld möglichst viel Sendezeit zu produzieren, was zur Folge hat, daß für viele Fernsehspiele zu wenig Geld da ist.

Besser sind jene Autoren und Regisseure dran, die das Fernsehspiel für politische Agitation mißbrauchen (was stillschweigend geduldet wird) und keine Geschichten mehr erzählen, sondern Ideologie beweisen wollen. Für sie ist das Medium, in dem sie agitieren, Nebensache; wichtig ist nur, möglichst viele Menschen zu erreichen.

Echter Ersatz für Kinofilme ist das Fernsehspiel bei den Filmproduktionsfirmen. Sie bekommen mit dem Produktionsauftrag vom ORF auch das Produktionsbudget. Der Filmproduzent braucht nicht mehr den schmalen Grat zwischen Substanz und Breitenwirkung suchen, um einen erfolgreichen Film im Kino zu landen, er hat das sichere Fernsehspielgeschäft. Dadurch ist das Fernsehspiel indirekt mit ein Grund, daß in Österreich keine Kinofilmproduktion hochkommt. (Die Wien-Film synchronisiert lieber fürs Fernsehen, als selbst zu produzieren).

Für den ORF ist das Fernsehspiel mehr als ein Kinofilmersatz. Es entwickelt durch die speziellen Produktionsbedingungen eine eigenständige Kunstform abseits vom Kinofilm, was die technische Entwicklung noch unterstützt. (Die Fernsehspiele werden künftig immer mehr auf Zelluloid produziert). Anderseits ist für den ORF die Fernsehspielproduktion die einzige Möglichkeit, zu einem österreichischen Spielfümpro-gramm zu kommen. Wer sonst versucht, österreichische Wirklichkeit in Filmen darzustellen?

Das Fernsehen ist perfekter Dienstleistungsapparat, es verlangt außer einem Knopfdruck nichts vom Zuschauer. Es bietet nur an. Der Zuschauer ist perfekter Konsument, sieht meist zufällig ein Programm, das er eigentlich nur anschaut, weil es als Angebot vorhanden ist.

Dagegen muß der Kinobesucher sich selbst den Film aussuchen, zum Kino fahren, eine Karte kaufen und zwei Stunden in einem unbequemen Kinosessel sitzen. Er ist deshalb aber auch bereit, dem Film seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Daher gilt die große Liebe der Filmemacher dem Kinofilm.

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