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Ist der Staat ein Moloch ?

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Steuern und Abgaben steigen laufend, nicht nur in Osterreich, hierzulande sogar etwas weniger rasch als im übrigen Westen: Kürzlich veröffentlichte die OECD eine Steuerstatistik.

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Steuern und Abgaben steigen laufend, nicht nur in Osterreich, hierzulande sogar etwas weniger rasch als im übrigen Westen: Kürzlich veröffentlichte die OECD eine Steuerstatistik.

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Seit 1965 ist in der Tat in allen Ländern die Abgabenquote angestiegen, wenn auch unterschiedlich rasch, auf unterschiedlichem Niveau und nicht immer kontinuierlich.

Österreich zeigt die gleiche Tendenz wie der Durchschnitt der OECD-Länder (d. h. der nichtkommunistischen Staaten Europas), allerdings in den siebziger Jahren jeweils auf einem drei bis fünf Prozentpunkte höheren Niveau.

Hat Österreich in dieser Periode zu den Höchststeuerländern aufgeschlossen? Betrachtet man die wichtigsten westeuropäischen Industriestaaten sowie die USA und Japan — zusammen 13 Länder —, so zeigt sich, daß Österreich hinsichtlich der Abgabenquote zwischen 1965 und 1976 von Rang vier auf Rang sieben zurückgefallen ist und 1981 auf Rang sieben verbleibt.

Somit ist in Österreich — über die ganze Periode gesehen — der Steuerdruck langsamer angestiegen: von 1965 bis 1981 um 23 Prozent, im europäischen OECD-Durchschnitt aber um 35 Prozent. Ist der Ausdruck Steuerdruck in diesem Zusammenhang legitim? Oder anders gesagt: Wie sind solche Steuer- bzw. Abgabenquoten zu interpretieren?

Im OECD-Bericht wird darauf hingewiesen, daß derartige Abgabenquoten mitunter als „Steuer-last"-Indikatoren bezeichnet werden, der Bericht aber diesen Ausdruck vermeidet. Warum? Im wesentlichen deshalb, weil der einzelne Staatsbürger die zu entrichtenden Abgaben zwar als Last empfinden mag, in gesamtwirtschaftlicher Betrachtung jedoch diese Mittelaufbringung im Zusammenhang mit den Leistungen (bzw. Ausgaben) des Staates und der Sozialversicherungsträger zu sehen sind: der Erstellung und dem Betrieb von Straßen Krankenhäusern, Schulen, usw., der Besoldung des öffentlichen Personals, der Finanzierung der Transferleistungen — z. B. Familienbeihilfen und Pensionen — und Subventionen.

Die Steuerzahlungen verschwinden somit nicht in einem der „schwarzen Löcher", wie sie die Astronomen erforschen. In politischen Aussagen wie: „Der Österreicher arbeitet angesichts einer Abgabenquote von 42 Prozent fast die Hälfte seiner Zeit für den Moloch Staat", wird dieser Kreislaufeffekt vernachlässigt.

Andererseits kann man natürlich mit guten Gründen darüber streiten, ob der Staat nicht schon zu viele Aufgaben übernommen hat (sich übernommen hat, sozusagen). Eine Einschränkung öffentlicher Agenden geht wiederum nicht unbedingt einher mit einer Reduzierung von „Lasten" für den Bürger: Gäbe es keine Sozialversicherung für den Krankheitsfall, müßte man sich eben privat versichern; wären die Universitäten privat, müßten die Studenten Studiengebühren bezahlen.

Da diese und ähnliche Bereiche in den einzelnen Staaten tatsächlich unterschiedlich geregelt sind, können relativ niedrige Abgabenquoten nicht von vornherein als Ausdruck niedriger „Lasten" gewertet werden. Sie zeigen allerdings eine Präferenz für private Vorsorge statt staatlicher Vorsorge an.

Abgesehen von diesen grundsätzlichen Interpretationsproblemen ist gerade bei übernationalen Vergleichen zu beachten, daß die Abgabenquote auch davon abhängt, ob sich der Staat mehr ausgabeseitiger oder mehr einnah-menseitiger Maßnahmen bedient, um ein und dasselbe Ziel, oder zumindest sehr verwandte Ziele, zu erreichen.

Nehmen wir Österreich 1978: Warum ist die Abgabenquote gestiegen? Vor allem, weil einkommensteuerliche Begünstigungen von Familien mit Kindern beseitigt wurden zugunsten einer Erhöhung der Familienbeihilfen. Oder noch spezieller: die Bausparprämien werden in Österreich direkt vom Einkommensteueraufkommen abgebucht; wäre das nicht der Fall, so wären Ausgaben und Einnahmen im Bundesbudget und damit auch die Abgabenquote höher, ohne daß sich für die Bausparer das geringste ändern würde.

Für Österreich fällt insbesondere der relativ niedrige Beitrag der Einkommen- und Gewinnsteuern auf: Von den industrialisierten Ländern weisen nur Frankreich Und Japan noch niedrigere Quoten für diese Steuern aus; die Schweiz (!), die USA oder die Bundesrepublik liegen hingegen darüber. Dies ist kein zufälliges Phänomen des Jahres 1981. Das Steueraufkommen aus diesen Abgaben ist in Österreich relativ schwächer gewachsen als in den Vergleichsländern (Zuwachs des Steueraufkommens, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt 1965 bis 1981 in Österreich: 29 Prozent, OECD-Europa: 52 Prozent).

Dieses Ergebnis kontrastiert wohl mit dem subjektiven Belastungsgefühl des österreichischen Lohnsteuerzahlers. Drei Aspekte verdienen in diesem Zusammenhang Beachtung:

• Innerhalb der Kategorie Einkommen- und Gewinnsteuern zeigen die Körperschaftssteuern in Österreich rückläufige Tendenz. Angewachsen sind lediglich die personenbezogenen Abgaben (Lohn- und Einkommensteuer).

#. Das Lohnsteueraufkommen wächst in Österreich bedeutend rascher als jenes der veranlagten Einkommensteuer.

# Das Belastungsgefühl ist vermutlich auch abhängig von der Höhe der Sozialversicherungsbeiträge. Und bei diesen ist Österreichs Position nicht bei den Schlußlichtern, sondern im oberen Mittelfeld: Innerhalb der Vergleichsländer liegt Österreich 1965 wie 1981 am fünften Rang.

Die Sozialversicherungsbeiträge sind rasant angestiegen. Ihr Anteil an den Abgaben übertrifft seit 1971 jenen aller Einkommensteuern und 1981 auch jenen aller indirekten Steuern. Angesichts der Finanzierungsprobleme in der Sozialversicherung wird es nicht leicht sein, diesen Trend zu brechen, wenn an den diversen „wohlerworbenen Rechten" nicht gerüttelt wird.

Auszug aus KSO 22/83 (Nachrichten und Stellungnahmen der Katholischen Sozialakademie Österreichs).

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