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Ist die ÖIAG im Sinne der Erfinder?

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Was hält der VP-lndustrie-sprecher vom „rationalen Banker“ Franz Vranitzky? Wie sieht er öffentliches Eigentum? Brauchen wir Eliteschmieden für unsere industrielle Zukunft?

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Was hält der VP-lndustrie-sprecher vom „rationalen Banker“ Franz Vranitzky? Wie sieht er öffentliches Eigentum? Brauchen wir Eliteschmieden für unsere industrielle Zukunft?

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FURCHE: Sie waren von 1967 bis 1975 Vorsitzender des Aufsichtsrates der ÖIAG und gelten als einer der Konstrukteure der Gesetze für die Dachgesellschaft. Ist die ÖIAG, wie sie sich heute präsentiert, eigentlich noch im Sinne der Erfinder?

JOSEF TAUS: Sie hat sich nicht im Sinne der Erfinder entwickelt. Uns schwebte damals eine Finanzholding vor. die nicht nur allein der Verstaatlichten, sondern auch privaten Industrien Expan-sionshilfe geben sollte. Die Konstruktion der ÖIAG als Eigentümerholding zeigt, daß nicht nur der Staat Eigentümer hätte sein sollen. Wir waren aber damals der Auffassung, daß der Staat Mehrheitsaktionär bleiben sollte. Die ÖIAG sollte ein nationales und internationales Kapitalmarkt- und Industrieinstrument werden. Das war gewissermaßen die Vision.

FURCHE: Entstaatlichung ist derzeit aus verschiedenen Gründen eine Parole. Auch beim Parteitag der ÖVP im Juni in Innsbruck war wieder einmal mehr die Rede von mehr Privat und weniger Staat. Ist gesellschaftliches Eigentum für Sie keinPositivum?

TAUS: Ich bin nicht von vornherein gegen öffentliches Eigentum im wirtschaftlichen Bereich.

„Ich bin nicht von vornherein gegen öffentliches Eigentum“

Es sollte nur nicht die ganze Wirtschaft überwuchern und vor allem kein politisches und ideologisches Dogma sein. Eigentumsstrukturen, auch öffentliche, können verkrusten und müssen der Dynamik und Entwicklung einer freien und offenen Gesellschaft unterworfen werden.

FURCHE: In der FURCHE 27/1986 meinte Professor Gunther Tichy, die Verstaatlichte sei gescheitert durch zuviel Hineinregieren in die Unternehmenspolitik und durch zuwenig präzise Zielvorgaben.

TAUS: Ich würde dieses Problem ein wenig anders formulieren. Wird in unserer Wirtschaftsordnung der Druck der Gewinn-erzielung von einem Unternehmen genommen, so wächst das Risiko des Scheiterns. Scheitern ist natürlich nie auszuschließen. Mißerfolg ist eben der Januskopf des Risikos.

FURCHE: Firmen-Konglomerate wie die VOEST wurden vor Jahrzehnten als Erfolgsrezepte proklamiert. Bewährte sich dieses Konzept auch international nicht oder wurde es speziell in Österreich nur schlecht gemacht?

TAUS: Konglomerat-Konzerne sind sicherlich kein Problem. Sie können wie jeder andere Konzern gut oder schlecht gemanagt werden. Es gibt hier keine Patentrezepte.

FURCHE: Das EUREKA-Pro-jekt löste vor allem im Wissenschaftsministerium große Eupho-

rie aus. Auch Bundeskanzler Franz Vranitzky betonte bei seinem Amtsantritt die europäische Option, indem er sagte, er wolle eine optimale Annäherung an die Europäische Gemeinschaft. Ist Europa für Österreichs Industrie ein geeigneter Markt?

TAUS: Ich freue mich über diese Äußerung des Bundeskanzlers und halte sie für richtig. Europa ist unser Heimmarkt, wir dürfen das nicht vergessen.

FURCHE: International und damit auch in Österreich dürfte die Industrie auf dem Rückzug sein, zumindest was die qualmen-de Schornsteinindustrie betrifft. Die Zukunft, so heißt es, liegt im quartären Sektor. Wir müssen unsere Intelligenz zum Produkt machen und innovativ sein.

TAUS: Der technische und wirtschaftliche Fortschritt bringt eine immer größere'Fülle von Gütern und Dienstleistungen. Das ist gewissermaßen ein unserer Ordnung adäquater Prozeß. Für jedes Produkt aber braucht man Intelligenz. Ich würde da gar keinen besonderen Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigtechnologie machen. Das würde zu Fehlschlüssen führen.

FURCHE: Welche Rolle sollen

dabeiunsere Eliteschmieden spielen? Immer wieder wird doch über die Praxisferne unserer Universitäten geklagt.

TAUS: Haben wir Eliteschmieden? Ich bin gar nicht sicher, daß sie so nötig sind. Was wir brauchen, sind erstklassige Schulen und Universitäten mit einem Selektionsprozeß, der einigermaßen sicherstellt, daß jeder nach seiner Veranlagung ausgebildet wird. Ein Mensch mit Hochschulstudium ist nicht mehr wert als einer ohne. Ein praktisch veranlagter Mensch sollte auch nicht durch einen Bildungsweg geprägt werden, der ein bestimmtes Abstraktions-

denken benötigt. Es gibt so viele Facetten der Intelligenz, sie soll-ten*nur alle genützt werden.

FURCHE: Die SPÖ hat ihren Kutscher gewechselt, ein Banker ist Bundeskanzler. Wie sehen Sie die Chancen bei einem Mann wie Franz Vranitzky für eine rationale Verständigung über Sachfragen und Probleme, da ja eine Koalitionsregierung in naher Zukunft nicht auszuschließen ist.

TAUS: Rationalität ist nur ein kleiner Teil der menschlichen Natur. Emotionen und Träume gehören auch zum Menschen und damit zur Politik. Sie können vielleicht erst später in rational durchdachte Sachverhalte umgemünzt werden. Aber gleichgültig, ob Rationalität oder Emotionen — die Demokratie braucht verständigungsbereite Politiker. Sie sind ein Wesenselement der demokratischen Idee.

- FURCHE: Auch Sie haben immer wieder den Begriff der Sozialen Marktwirtschaft gebraucht. Ein Begriff, der mehr als 30 Jahre alt ist. Erfordert er angesichts der wirtschaftlichen Lage nicht eine Neudefinition ?

TAUS: Begriffinhalte im politisch-sozialen Bereich unterliegen in der Regel Modifikationen im Zeitablauf. Aber das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft hat sich sehr frisch gehalten.

Die Fragen an den Industriesprecher der OVP richtete Elfi Thieraer.

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