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Ist Mutter Kirche eine ältere Dame ?

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„Liberale Gleichgültigkeit“ scheint zur Haupteinstellung gegenüber der Kirche zu werden. Deren Zukunft erfordert, mit diesem Trend von heute fertigzu-werden. Aber wie?

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„Liberale Gleichgültigkeit“ scheint zur Haupteinstellung gegenüber der Kirche zu werden. Deren Zukunft erfordert, mit diesem Trend von heute fertigzu-werden. Aber wie?

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Um die Jahrtausendwende, um das Jahr 2000, wird die Kirche in Österreich einer älter gewordenen Dame vergleichbar sein (Clo-dovis Boff). Uberwiegend ältere Menschen werden dann voraussichtlich die Kirche „besuchen“. Weltweit betrachtet wird die österreichische Kirche zum europäischen Altersheim gehören. Denn in Europa kehren sich die

Alterspyramiden langsam um. Auch scheint es den Kirchen immer weniger zu gelingen, die jüngeren Generationen in christliche Lebenshaltungen einzuführen.

Zweifellos liegt die Zukunft der Kirche in den jungen Ortskirchen der Dritten Welt. Hier gleicht die Kirche einem jungen Mädchen. Zu Beginn der achtziger Jahre stellte die Dritte Welt 58,5 Prozent aller Katholiken. In Europa und Nordamerika lebten hingegen nur noch 41,5 Prozent. Möglicherweise werden in zwanzig Jahren vitale missionarische Impulse aus den Südkirchen auch in Osterreich wirksam werden. Dennoch bleiben die Katholiken im Weltmaßstab eine kleine, aber beachtenswerte Minderheit. 1982 bekannten sich etwa 18 Prozent der Weltbevölkerung zur Katholischen Kirche.

Gemessen daran erscheint

Osterreich auch in Zukunft als ein katholisches Land. Zwar sank die Zahl der Katholiken von 1951 (89,1) bis 1981 (84,3) um etwa fünf Prozent Doch sagt die formale Kirchenmitgliedschaft relativ wenig über die Intensität christlichen Lebens. Auch in Osterreich halten immer mehr Menschen die Kirche in moralischen Fragen für nicht mehr kompetent.

Je jünger die Befragten, desto energischer wird ein Monopolanspruch der Kirche auf die Auslegung sittlicher Normen bestritten. Man glaubt einfach nicht mehr, daß die Kirche auf die moralisch-ethischen Fragen und Probleme einzelner eine hilfreiche Antwort geben kann. In Europa ignorieren 65 Prozent der 18bis 24jährigen die Kirche in diesen Fragen überhaupt. Offensichtlich wird die vorherrschende Einstellung zur Kirche eine „liberale Gleichgültigkeit“ sein.

Man reibt sich nicht einmal mehr an der Kirche, setzt sich nicht mehr mit ihr auseinander. Dies läßt sich etwa belegen an der Bereitschaft von Eltern, ihre Kinder taufen zu lassen. 1980 hielten das lediglich 68 Prozent der Oster-reicher für wichtig. Eine „automatische“ Mitgliedschaft in der Kirche wird in Zukunft immer unselbstverständlicher werden. Dabei verdient eine Tatsache Aufmerksamkeit: je höher und je qualifizierter die Schulausbildung, umso eher lehnen Eltern eine religiöse Erziehung für ihre

Kinder ab.

Bloße Kirchenmitgliedschaft wird problematisch. Traditionale Motive treten mehr.und mehr in den Hintergrund. Wer allerdings dann sein Kind taufen läßt, entscheidet sich auch bewußter für ein Leben in der Kirche.

Dennoch wachsen die bereits geborenen Kinder nicht mehr weitgehend in einer religiösen Atmosphäre im Elternhaus auf. Damit verringert sich die Chance, das christliche Lebenswissen der nächsten Generation zu erschließen.

Damit steht die überkommene Sozialgestalt der Kirche ( als Volkskirche massiv in Frage. Es wird um die Jahrtausendwende andere soziale Räume, unterhalb des herrschenden Pfarrnetzes geben müssen. Ein Netzwerk von kleinen Gemeinschaften, in denen die Kirche nicht mehr besucht, sondern neu gegründet, geboren und gezeugt wird.

Im Augenblick scheint die Lage der Kirche äußerlich noch relativ stabil zu sein. Etwas mehr als 30 Prozent der Katholiken besuchen den Sonntagsgottesdienst. Auch ist die Nachfrage nach kirchlichen Amtshandlungen rings um die Lebenswenden relativ stabil. Hier besitzt die Kirche ein nahezu unangefochtenes Monopol.

Doch wird es um der Zukunft der Menschen willen verstärkt darauf ankommen, daß die Botschaft des Evangeliums alltagsrelevant wird. Man wird nicht ein-f achhin den Glauben weitergeben können wie ein Buch. Schließlich ist das Evangelium selbst zuerst eine Erfahrung, die Botschaft wurde. Wird also die Kirche in Österreich Räume erschließen können, in denen Menschen als Erfahrung aufgeht, daß Gott die rettende Wirklichkeit ihres Lebens ist?

Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pastoraltheologie der Universität Wien.

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