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Ist Sadat bald am Ende?

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In Ägypten sind die Jubelszenen um Österreichs Bundeskanzler Bruno Kreisky und dem nach ihm in Kairo weilenden Bonner A ußenminister Hans-Dietrich Genscher verrauscht. Was jetzt vor Präsident Sadat liegt, ist eine innen- wie wirtschaftspolitische Durststrecke. Und dabei zeichnet sich auf Monate hinaus kein außenpolitisches A temholen mehr ab, wie dies bei diesen letzten Besuchen in Kairo oder beim Gastspiel des Präsidenten vordem Europäischen Parlament in Luxemburg möglich gewesen war.

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In Ägypten sind die Jubelszenen um Österreichs Bundeskanzler Bruno Kreisky und dem nach ihm in Kairo weilenden Bonner A ußenminister Hans-Dietrich Genscher verrauscht. Was jetzt vor Präsident Sadat liegt, ist eine innen- wie wirtschaftspolitische Durststrecke. Und dabei zeichnet sich auf Monate hinaus kein außenpolitisches A temholen mehr ab, wie dies bei diesen letzten Besuchen in Kairo oder beim Gastspiel des Präsidenten vordem Europäischen Parlament in Luxemburg möglich gewesen war.

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Im Gegenteil: Das heute pro-westlich orientierte Nilland droht durch die Ent­wicklung in Tschad und den von dort her über den Sudan geplanten welt­kommunistischen Brückenschlag zwi­schen den Moskauer Afrika-Satelliten Libyen und Äthiopien nun auch von au­ßen her verstärkt unter Druck zu gera­ten.

Innerhalb Ägyptens sind dabei die Kommunisten noch immer eine von Sa- dats kleinsten Sorgen. Arbeiter- und Studentenschaft, bei denen linksradi­kale Ideen und Umtriebe trotz fünf­zehnjähriger Sowjetpräsenz zwischen 1956 und 1971 allein Fuß fassen konn­ten, machen nicht einmal zehn Prozent der ägyptischen Gesamtbevölkerung aus.

Beide Linksgruppen haben ihre Kräfte zwischen den Universitätsunru­hen von 1972 und der großen Teue­rungsrevolte von Anfang 1977 ziemlich ziellos vergeudet und kommen heute weder als Gefahr noch als Alternative zu Sadats Regiment eines parlamenta­risch kaschierten, mehr oder weniger aufgeklärten Absolutismus in Betracht.

Diese Schwäche der ägyptischen Lin­ken steht in keinem Verhältnis zur wirt­schaftlichen Rezession und galoppie­renden Verelendung breitester Bevöl­kerungsschichten. Seit 1974 in Kairo „Reformpremier“ Hegazi die für den kleinen Mann gar nicht so nachtei­lige Staats- und Planwirtschaft des Nasserismus durch seine radikal libe­rale „Politik der offenen Tür“ ersetzte, sind durch diese mehr Inflation, Staats­und Volksverschuldung sowie Berei­cherung einer schmalen Oberschicht als Lebensverbesserungen für das ganze Volk nach Ägypten gekommen.

Die fehlende Einsicht, daß man eine Mangelwirtschaft wie die ägyptische nicht einfach über Nacht, wenn auch sonst im Prinzip richtig, liberalisieren dürfe, hat dazu ebenso Pate gestanden

wie das Fehlen jeder sozialen Absiche­rung für die finanziell schwachen, aber breiten Schichten der Fellachen, Klein­bürger und unterbezahlten Staatsange­stellten.

Zum Ventil der immer größeren Not in Ägypten ist nun nicht der politische, sondern der religiöse Radikalismus ge­worden:

Hat man am Nil noch vor wenigen Jahren ein geradezu vorbildliches Ver­hältnis zwischen islamischer Mehrheit und christlich-koptischer Minderheit

von etwa einem Fünftel der Bevölke­rung, und innerhalb des Islam das Vor­herrschen der modern-toleranten und frauenfreundlichen Strömungen eines Muhammad Abdu und Raschid Reda feststellen können, so laufen die Dinge heute nur noch in fundamentalistischer, geradezu islamrevolutionärer Rich­tung.

In den Personen des blinden, aber charismatischen Scheich Kischk und von Muslimbrüder-Chef Omar al-Til- massani hat inzwischen auch Ägypten seinen Chomeini und Bani Sadr erhal­

ten. Sicherlich bietet der alte Muslim­bruder und nach wie vor überzeugte Muslim Sadat diesen Strömungen keine solchen Angriffsflächen wie der iranische Schah, läßt sich im Gegenteil sogar auf der Islamwelle mittragen, wovon die ägyptischen Christen und speziell ihr Patriarch Schenudah III. ein trauriges Lied zu singen wissen.

Der ägyptische Präsident macht den fanatischen Muslimen gegenüber aber immer mehr den kläglichen Eindruck des Zauberlehrlings, welcher der Gei­ster, die er rief, von Tag zu Tag weniger Herr zu werden vermag.

In diesem Zusammenhang halten sich in Kairo schon seit dem Jahres­wechsel hartnäckige Gerüchte von ei­nem bevorstehenden Militärputsch ge­gen das allzu strapazierte sadatische Regime. Gerade die Heftigkeit, mit der Ägyptens graue Eminenz, der immer mächtigere Informations-, Kultur- und Präsidentschaftsminister Mansur Has­san, auf diesbezügliche Berichte der „Jerusalem Post“ mit einem allgemei­nen Einreiseverbot für alle Mitarbeiter dieser Zeitung geantwortet hat; zeigte die Befürchtungen in dieser Richtung;

Man rechnet über kurz oder lang am Nil entweder mit einer Islam-Revolu­tion iranischen Stils oder dem Staats­streich pro-westlicher Militärs nach dem türkischen Muster vom 12. Sep­tember 1980.

Der neue amerikanische Präsident Reagan ist zum Unterschied von sei­nem Vorgänger Carter alles andere als ein Verehrer Sadats. Und in den letzten Jahren ist es - von König Konstantin in Griechenland über Kaiser Haile Selas­sie und zuletzt den Schah - gewisserma­ßen die Taktik der Amerikaner gewe­sen, einen immer schwächer werdenden Verbündeten noch schnell selbst aus dem Sattel zu heben, ehe er direktes Opfer einer erklärt sowjetfreundlichen Revolution werden konnte ...

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