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Ist Schamir friedensfähig?

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Erst 43 Jahre nach dem israelischen Unabhängigkeitskrieg (1948/49) begann in Madrid, am 30. Oktober 1991, die erste umfassende Friedenskonferenz zwischen Israel, den Palästinensern und seinen arabischen Nachbarn (außer Ägypten). Irak, Libyen und Iran nahmen an dieser Konferenz nicht teil. Sie bedrohen Israel auch weiter mit Krieg.

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Erst 43 Jahre nach dem israelischen Unabhängigkeitskrieg (1948/49) begann in Madrid, am 30. Oktober 1991, die erste umfassende Friedenskonferenz zwischen Israel, den Palästinensern und seinen arabischen Nachbarn (außer Ägypten). Irak, Libyen und Iran nahmen an dieser Konferenz nicht teil. Sie bedrohen Israel auch weiter mit Krieg.

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Für die arabischen Staaten war es nicht leicht, sich zu diesem Schritt durchzuringen, denn sie sehen heute noch in Israel einen Fremdkörper, den sie am liebsten aus dem Nahen Osten ausmerzen würden. Zweimal, 1948/ 49 und 1967, haben sie dies auch versucht - ohne Erfolg. Beim ersten Mal verloren die Palästinenser die unmittelbare Gelegenheit, einen eigenen Staat zu gründen, obwohl die UNO dies beschlossen hatte. Beim zweiten Mal, 1967, mußte Ägypten auf die gesamte Sinai-Halbinsel und den Gazastreifen verzichten, Syrien auf die Golanhöhen und Jordanien auf das 19 Jahre vorher besetzte Cisjordanien.

Nach dem Friedensabkommen mit Ägypten (1979) erhielt Ägypten die

Sinaihalbinsel zurück, den Gazastreifen behielt Israel auch weiter, jedoch Syrien und Jordanien mußten sich zumindest vorläufig damit abfinden, daß die von Israel eroberten Gebiete auch weiter in israelischer Hand bleiben. Über die Rückgabe dieser Gebiete wollen die Araber verhandeln. Die Palästinenser hingegen wollen in Cisjordanien und im Gazastreifen den ersten Palästinenserstaat errichten. Hierbei berufen sich die Araber auf die UNO-Beschlüsse 242 und 338. die die Rückgabe der besetzten Gebiete fordern. Die Amerikaner unterstützen diese UNO-Beschlüsse und bezeichneten diese als die Grundlage der Konferenz, mit den Worten: Gebiete für Frieden. Schamir und seine Delegation hingegen sprechen von Frieden für Frieden, da es nach Auffassung der Likud-Regierung in Israel keine Möglichkeit für die Rückgabe der Gebiete gibt.

Israels rechte Regierung sieht in den Golanhöhen einen integralen Teil des Judenstaates und in Cisjordanien. das von den Israelis Judäa und Sama-ria genannt wird, einen Teil des von Gott verheißenen Landes. Die Israelis betonen, daß diese Gebiete in einem ihnen von den Arabern aufgezwungenen Krieg erobert wurden und heute ein Teil des Verteidigungskonzepts bilden, denn der Judenstaat - so Premier Schamir - kann niemals mehr zu seinen alten Grenzen zurückkehren, in Anbetracht dessen, daß zwischen Haifa und Tel Aviv der Staat nur eine Breite von 15 Kilometern hatte.

Die Palästinenser fordern für sich einen unabhängigen Staat, doch sind sie bereit, fürs erste eine Autonomie mit Israel auszuhandeln, deren Ausmaß in den Verhandlungen festgesetzt und sich nur auf fünf Jahre erstrecken soll. Nach drei Jahren Autonomie sollen die Verhandlungen über eine endgültige Lösung des Palästinenserproblems beginnen, unter der Annahme, daß diese sich zwei Jahre lang hinziehen werden. Danach hoffen die Palästinenser unabhängig zu sein, oder eine Konföderation mit Jordanien einzugehen..

Bekanntlich wollten seinerzeit die Araber die Israelis ins Meer jagen und auch aus dieser Angst heraus, daß sich solch eine Situation wiederholen kann, wollen die Israelis heute Frieden gegen Frieden und dabei auf keine Gebiete verzichten.

Inzwischen errichtet Israel weitere Neuansiedlungen in den besetzten Gebieten, um eine Rückgabe dieser Gebiete an die Palästinenser zu vermeiden oder wenigstens zu erschweren.

Als im November 1977 Sadat das erste Mal nach Jerusalem kam, um den Israelis Frieden anzubieten, bebte das ganze Land vor Aufregung. Man hatte das Gefühl, daß nun endlich der Frieden einkehrt. Doch weder König Hussein noch Hafez Assad sind Sadat.

Heute betrachtet die israelische Bevölkerung diese Friedenskonferenz nüchtern und die Euphorie von damals besteht schon lange nicht mehr. Man hofft zwar auf Frieden, doch man glaubt noch lange nicht an ihn und hat das Gefühl, daß weder Schamir noch seine Delegation dazu fähig sind. Schamir persönlich ist in der revisionistischen Bewegung und später in der Untergrundbewegung dieser Partei großgeworden. Diese Partei, der spätere Likud. betrachtete die Araber immer mit Mißtrauen und wollte eine ..Eiserne Wand" gegen sie errichten.

Kernwaffen gegen Kernwaffen

Trotzdem, das Land und seine Leute, alle wollen Frieden, 91 Prozent der Bevölkerung, erklärten sich für diesen. Jedermann weiß, daß, wenn es zu keinem Frieden kommen sollte, der Krieg vor der Türe steht. Der wäre dann mit Syrien fällig, das heute über Mittelstrecken-Raketen und andere moderne Waffen verfügt.

Der ehemalige Verteidigungsminister General Eser Weizmann glaubt, daß es zum Frieden kommen muß. denn die moslemische Welt verfügt heute über die Atombombe, und gegen diese nützt es auch nicht, wenn Israel selbst Kernwaffen haben sollte.

Jedenfalls, Aussichten auf Frieden bestehen, obwohl Israels heutige Regierung gegen jeglichen Gebietskompromiß ist, ohne den es keinen Frieden geben kann.

Auch die Araber kamen zu dem Schluß, daß der Frieden notwendig ist, denn die verbündete Sowjetunion hat schon lange ihr Bündnis mit Syrien abgesagt und ist heute nicht, wie in der Vergangenheit, bereit, eine Luftabschirmung zu geben.

Die wirtschaftliche Lage in Syrien, Ägypten und bei den Palästinensern ist heute so katastrophal, daß ohne Hilfe der USA, Japans und der EG-Staaten diese ihre Wirtschaft nicht sanieren können; und ohne Frieden wird diese Hilfe ausbleiben.

Israel ergeht es nicht viel anders. Ohne Frieden wird es von der EG und den USA niemals mehr so viel Hilfe erhalten, um seine Neueinwanderer eingliedern zu können und seine Wirtschaft zu gesunden.

Israel muß mit Syrien Frieden schließen und sei es sogar auf Kosten der Golanhöhen, dann würde sich auch das Problem von Südlibanon lösen lassen.

Israel muß auch mit den Palästinensem zu einem modus vivendi kommen; sonst gibt es keine Möglichkeit, mit Jordanien Frieden zu schließen. Die Gefahr besteht dann, daß in solch einem Fall, ohne Frieden, die Fundamentalisten in dieser Region erstarken werden.

Zur Zeit sieht es jedoch nicht rosig aus. Israel hat zu dieser Tagung keine Pläne für eine Rückgabe der besetzten Gebiete oder Teile der besetzten Gebiete mitgebracht.

Die Araber hingegen sehen auch nicht die heutigen Tatsachen so, wie sie sind. Sie fordern einen völligen Rückzug aus allen besetzten Gebieten, was völlig unreal ist. denn seit 1967 hat sich vieles geändert.

Israel und die Araber brauchen den Frieden, doch müssen sie an erster Stelle einsehen, daß man mit Maxi-malforderung nichts erreichen kann. Es wäre schade, wenn man nun diese einmalige historische Gelegenheit vorüberstreichen läßt, sodaß der so nahe Frieden wieder in die Feme rückt.

Nun. nach Abschluß derersten Phase der Friedenskonferenz sollen die Direktgespräche zwischen Israel und seinen Streitparteien geführt werden. Wieder konnte man sich auf den Gesprächsort nicht einigen und wieder wartet man auch hier auf die amerikanischen Vorschläge. Noch wird es viele Hindemisse geben, bis diese Konferenz auf Hochtouren geht.

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