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Ja zu einem Mittelweg

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Nach den Wahlen 1979 begeisterten sich alle für eine Wahlrechtsreform: das personale Element sollte gestärkt werden. Geschehen ist nichts. Warum eigentlich?

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Nach den Wahlen 1979 begeisterten sich alle für eine Wahlrechtsreform: das personale Element sollte gestärkt werden. Geschehen ist nichts. Warum eigentlich?

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Von welchen Forderungen an ein gerechtes Wahlsystem man auch ausgehen mag: es wird sich kaum ein Wahlrecht finden lassen, das alle Zielvorstellungen einer Wahlrechtsordnung — wie etwa Gleichheit, Aktivierung des Bürgers, Dynamisierung politischer Strukturen — gleich perfekt verwirklichen könnte.

Ein reines Mehrheitswahlrecht, kann zu groben Ungerechtigkeiten gegenüber kleineren Parteien führen; ein reines Listenwahlrecht bewirkt, daß es zu einem äußerst geringen Kontakt zwischen den Bürgern und ihren gewählten Volksvertretern kommt. Beides sind extreme Ausformungen eines Wahlrechts.

Was auch in anderen Bereichen gilt, gilt auch hier: der vernünftige Mittelweg, der Übertreibungen nicht zuläßt, ist auch hier der tragfähige. Absicht muß es jedenfalls sein, ein Wahlrecht zu schaffen, das den Wünschen der Bürger entgegenkommt und zu mehr direkter Demokratie auch bei der Wahl der Volksvertreter führt.

Die Wahlrechtsreform 1970 hat die Möglichkeit des Reihens und Streichens beseitigt; die neu geschaffenen neun großen Landeswahlkreise tragen ebenfalls nicht dazu bei, die Distanz Wähler — Gewählter zu verkürzen. Diese Maßnahmen haben vielmehr den Abgeordneten von seinem Wähler noch weiter „entfernt”. Die Reform hat somit zur „Entpersonali-sierung” beigetragen.

Die ÖVP hat versucht, dieser Tatsache entgegenzuwirken: innerhalb der ÖVP werden Vorwahlen durchgeführt. Diese gewährleisten Mitsprache, die dem Wähler bei der Personalauswahl am offiziellen Wahltag nicht zugestanden wird.

Um diesem Manko zu begegnen und die persönliche Beziehung zwischen Abgeordneten und Wählern zu stärken, die gerade im Medien-Zeitalter Voraussetzung einer lebendigen Demokratie ist, hat die ÖVP am letzten Parteitag (im „Modell Österreich”) verlangt, neben der Einführung der Brief wähl ein verstärktes Persönlichkeitswahlrecht vorzusehen. Die bisherigen Vorarbeiten und der politische Auftrag des Parteitages vom 5. März 1982 werden sicherlich in den nächsten Monaten zu einem konkreten Gesetzesentwurf führen.

Der Bürger sollte aufgrund eines Vorzugsstimmensystems Wahlmöglichkeiten unter den Kandidaten der von ihm bevorzugten Partei zu haben. Das bedeutet, daß einerseits die Partei gewählt wird und andererseits der Wähler maximal drei Kandidaten der von ihm gewählten Parteiliste ankreuzen kann. Nach der Ermittlung der auf die Partei entfallenden Mandate gelten dann jene Kandidaten als gewählt, welche die höchste persönliche Wahlziffer erreicht haben.

Mit diesem System etwa konnten in Südtirol positive Erfahrungen gesammelt werden. Es scheint überdies-das System zu sein, das am besten mit dem Verfassungsgrundsatz der Verhältniswahl vereinbar ist.

Letztlich ist von dieser Personalisierung zu erwarten, daß der persönliche Kontakt zwischen Gewähltem und Wähler gestärkt und die Kandidatenauswahl der Parteien positiv beeinflußt wird.

Der Autor ist Bundespartei- und Klubobmann der OVP.

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