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Ja zur Familie Nein zur Politik

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Sie setzen nicht ausschließlich auf Elvis Presley oder John Travolta. Ihre Vorbilder sind vielmehr die eigenen Eltern. Sie wünschen sich Sicherheit und Geborgenheit im Schöße der Familie, träumen vom eigenen Haus mit Garten. Sie hoffen auf einen sicheren Job, nehmen den Wohlstand als Selbstverständlichkeit, wissen aber genau, daß Geld allein nicht glücklich macht: das sind die Jugendlichen der zu Ende gehenden siebziger Jahre.

Das ist in groben Zügen das Bild von Österreichs Jugend, wie es eine vom österreichischen Cartellver-band in Auftrag gegebene empirische Studie zeichnet. Die Untersuchung „Lebenskonzepte und Wertvorstellungen österreichischer Jugendlicher“ wurde vom Linzer Soziologie-Assistenten Erich Brunmayr betreut. Die Daten für die Untersuchung lieferten 2000 Schüler zwischen 15 und 19 Jahren; die Fragebogen wurden im Oktober und November letzten Jahres ausgefüllt.

Die 68 Seiten starke Studie lieferte eine beachtliche Reihe überraschender Ergebnisse:

Ehe und Familie: „Ein gutes Familienklima zu erleben, hat bei den österreichischen Jugendlichen mit Abstand das stärkste Gewicht“ heißt es in der Studie. Nur ein Prozent der Befragten stufte das „gute Familienklima“ als unwichtig ein. 80 Prozent der Befragten meinten hingegen, ein gutes Familienklima sei sehr wichtig.

Der zentrale Lebensbereich der Jugendlichen scheint in einer eher abgeschlossenen Privatsphäre zu liegen. Diese Annahme stützt auch der hohe Stellenwert, den der Freund oder die Freundin einnehmen: Der Partner, „der überall mitmacht“, ist für 56 Prozent der befragten Jugendlichen sehr wichtig, für 31 Prozent eher wichtig. Mit dem Eingehen einer Partnerschaftsbeziehung büßen die Freunde an Bedeutung ein. Auch der berufliche Erfolg ist weniger wichtig als Familie und Partner.

Bezeichnend sind die Erwartungen, die in die Eigenschaften des Partners gesetzt werden. Dabei unterscheidet sich der „Traumfreund“ („Traumfreundin“) kaum vom zukünftigen „Traum-Ehepartner“: Der Freund bzw. Freundin soll absolut treu (63 Prozent; Ehepartner: 70 Prozent), zärtlich (72 Prozent; Ehepartner: 76 Prozent) und kinderliebend (51 Prozent; Ehepartner: 66 Prozent) sein. Ein hohes Einkommen des Freundes halten nur 6 Prozent für sehr wichtig (beim Ehepartner: 10 Prozent).

Beruf und Arbeitsplatz: Der Beruf wird insgesamt positiv bewertet, rangiert jedoch im Lebenskonzept der jungen Menschen eindeutig hinter der Familie. Zwei Drittel der befragten Schüler gaben an, lieber „weniger angestrengt arbeiten und das Privatleben genießen“ zu wollen als „intensiv zu arbeiten und sich viel leisten zu können“; für die zweite Alternative entschieden sich nur 32 Prozent.

Die stärkste Zustimmung („sehr richtig“ und „eher richtig“) gab es auf folgende Fragen: Der Beruf „müßte mich sehr interessieren“ (98 Prozent), „müßte ein gutes Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten bieten“ (96), er „müßte mir Sicherheit bieten“ (87), mich „selbständig arbeiten“ lassen (86), ich „müßte Verantwortung übernehmen können“ (82); weniger interessant sind die Motive „viel Geld verdienen“ (74), „es müßte ein angesehener Beruf sein“ (64), „dürfte nicht zu weit von Zuhause entfernt sein“ (53) oder „müßte mir viel Freizeit lassen (39 Prozent).

Besitzvorstellungen: Ein hohes Maß an Lebensstandard wird als selbstverständlich angenommen. 96 Prozent der Befragten wollen über gleich viel oder mehr materielle Güter verfügen als ihre Eltern. Daß 69 Prozent der Jugendlichen „unbedingt“ ein Auto wollen, ist wohl kein Wunder. Gleich danach kommt aber schon das „eigene Haus mit Garten“ (46 Prozent), gefolgt von der Stereoanlage (41) und dem Farbfernseher (33). Eine Eigentumswohnung wollen nur 24 Prozent „unbedingt“, 32 Prozent halten sie für „nicht wichtig“.

Religion: Ein Drittel der Befragten besucht fast jeden Sonntag den Gottesdienst. Auffallend ist aber, daß nur 14 Prozent „voll von den Lehren der Kirche überzeugt“ sind. Ein anderes Drittel besucht zwar nie oder fast nie die Sonntagsmesse, aber nur 14 Prozent glauben, „daß mit dem Tod alles aus ist“.

Interessante Differenzen gibt es zwischen grundsätzlich religiösen Einstellungen und dem Verhältnis zur Kirche: Die Haltung der Kirche oder des Klerus werden mehrheitlich skeptisch gesehen, während die grundsätzliche Feststellung,

„schwierige Situationen lassen sich ohne einen Glauben an Gott kaum bewältigen“, doch mit 55 Prozent positiv bewertet wurde. Insgesamt sind religiös orientierte Jugendliche noch Stärker an die Familie gebunden und eher bereit, Konsumverzicht zu üben als nicht religiös einzustufende Jugendliche.

Staatsbürgerliches Bewußtsein:

Die Jugendlichen haben ein nahezu alarmierend distanziertes Verhältnis zur Politik. Nur 15 Prozent der Befragten lesen täglich den politischen Teil einer Zeitung, mehr als zwei Drittel können sich nicht vorstellen, einmal eine politische Funktion in der Gemeinde oder im Betrieb zu übernehmen. Bei einer Bedrohung der Demokratie würden 43 Prozent für die Demokratie aktiv kämpfen, 24 Prozent der Burschen würden dies auch im Rahmen des Bundesheeres tun. Daß fast ein Drittel in einem solchen Fall versuchen würde, „für mich das Beste daraus zu machen“, setzt in der Studie einen Schlußpunkt, der reichlich Gelegenheit zum Nachdenken bietet.

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