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Jagern inOberösterreich

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Straßen und Jäger gibt es immer mehr, Wild aber immer weniger - so ist die Situation auch in Oberösterreich. 1978 schössen die rund 14.000 Waidmänner noch mehr als 60.000 Rehe im Bundesland, im vergangenen Jagdjahr keine 50.000.

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Straßen und Jäger gibt es immer mehr, Wild aber immer weniger - so ist die Situation auch in Oberösterreich. 1978 schössen die rund 14.000 Waidmänner noch mehr als 60.000 Rehe im Bundesland, im vergangenen Jagdjahr keine 50.000.

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Dank bewährten Landesjägermeistern wurde in Oberösterreich die Jagd nie zu einem Politikum. „Im Land ob der Enns gibt es keine schwarzen, roten und blauen, sondern nur grüne Jäger", wird der Ausspruch eines Jägers, der im Land ob der Enns zufällig auch Politiker war, überliefert.

Freilich ging es auch in Oberösterreich im jagdlichen Bereich nicht immer so friedlich zu wie heute. Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre erholten sich die Wildbestände nach den schweren Eingriffen der Besatzungsmächte wieder. Da gab es viel Streit unter den Jägern. Die Wildschadensfragen waren ungeregelt. Die Jagdvergabe ging in den Gemeindestuben -nicht so wie heute in den unabhängigen Jagdausschüssen - vor sich. In dieser Zeit lösten sich einige Gemeindeausschüsse wegen jagdlicher Streitfälle sogar vorzeitig auf.

Erst das jahrelang ausgiebig diskutierte Landesjagdgesetz aus dem Jahre 1964 brachte eine Wandlung. Der Konkurrenzdruck ausländischer Pächter ging zurück und die Jagden blieben wieder mehr in den Händen der Einheimischen und der Bauern.

In Oberösterreich gibt es auch keine Gegensätze zwischen Jägern und Naturschützern. „Es liegt im Interesse des Jägers, den Lebensraum des Wildes nicht nur zu erhalten, sondern zu verbessern", betont Landesjägermeister Hans Reisetbauer.

Freilich hegen und schützen die Jäger in Oberösterreich nicht nur. Sie schießen auch. Das gehört zur Jagd. 3200 Hirsche, 17UU Gemsen, 151 Wildschweine und 25.000 Hasen blieben im abgelaufenen Jagdjahr auf der Strecke. Tot auf der Straße als Opfer von meist zu schnellen Autolenkern blieben 36 Hirsche, 8400 Rehe und 7400 Hasen. Das sind die amtlichen Zahlen der Statistik. Wie hoch die Dunkelziffer bei Wildunfällen ist, weiß man nicht.

Die Zeiten für das Wild sind heute im allgemeinen nicht die besten. Die Ab„Es liegt im Interesse des Jägers, den Lebensraum des Wildes zu verbessern"

schußzahlen bei Fasan, Hase und Rebhuhn sprechen jedes Jahr eine deutliche Sprache. Der Lebensraum des Rebhuhns wird durch die intensive Bewirtschaftung des Bodens eingeengt. Der Einsatz von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln zeigt ebenso Folgen wie die starke Mechanisierung der modernen Landwirtschaft. Ein Rehkitz, das in die rotierenden Messereines modernen Mähwerks kommt, ist nur mehr ein Brei. Dies alles zwingt die Jäger zu Naturschutz und Hege - oft mehr zu wissenschaftlicher Arbeit als zum Schuß.

Es gibt in Oberösterreich Jäger, die sich mit Begeisterung der Wildmarkierung widmen. Ein Bergfink, der in Aigen im Mühlkreis beringt wurde, wurde im Nordural, 4000 Kilometer von seinem Geburtsort entfernt, verendet aufgefunden. Die Ruderknochen (Fußknochen) einer Ente, die in Schlägt beringt wurde, fand man vor einem Fuchsbau im Nachbarrevier von St. Oswald.

Rehkitze erhalten Ohrmarken in den ersten Tagen, nachdem sie „gesetzt" (geboren) wurden. Der Jäger kennt an der Farbe der Ohrmarke, wie alt dann das erwachsene Reh ist. An den Ohrmarken kann man auch sehen, wie weit Rehe wandern und welche Hindernisse sie überwinden. Nicht selten werden Rehe 60 bis 80 Kilometer von dem Ort erlegt, wo sie zur Welt kamen und nachdem sie Flüsse wie Donau und Steyr „durchronnen" (durchschwömmen) haben.

„Jagd ist angewandter Naturschutz" und „Der Jäger als Schützer der Natur": das sind die Themen, unter denen die Jäger Oberösterreichs zur Diskussion mit den Natur- und Umweltschützern antreten. Dieses Gefühl für Naturschutz geht so weit, daß die offizielle Zeitschrift des Landesjagd-verbandes in der Oktoberausgabe den Schutz von Ameisenhaufen propagiert. Es sei zu überlegen, ob man nicht neue Ameisenhaufen mit Drahtkörben bewußt schützen sollte, damit sie auch von ihren natürlichen Feinden, dem Specht und dem Dachs, nicht gestört würden.

Bei allem Sinn für solches Neues geht der Blick für die überlieferte Jagdtradition und Waidgerechtigkeit nicht verloren. Nicht umsonst gibt es in der Nähe des Stiftes St. Florian bei Linz ein großes Jagdmuseum, das zu einem wesentlichen Teil die Jägerschaft unterhält.

In ganz Österreich gibt es 95.000 Jagdkartenbesitzer. Man weiß aber nicht, wie viele davon Frauen sind. So weiß man auch in Oberösterreich nicht, wie viele Jägerinnen es gibt. Sicher ist nur, daß mangels Jagdgelegenheit manche von ihnen noch kein Stück Wild zur Strecke gebracht haben, sagt Edith Gruber aus dem Oberen Mühlviertel und fügt hinzu: „Frauen als Jägerinnen werden vielfach von den Jägern abgelehnt. Fühlen sich die Männer benachteiligt?"

Bei den herbstlichen Treibjagden knallt es auch in Oberösterreich laut und oft. Sonst geht es ruhig her im Jagdwesen des Landes ob der Enns. Waidgerechte Jäger verlieren ihre Ruhe nur dann, wenn es um Grundfragen der Waidgerechtigkeit und des jagdlichen Systems überhaupt geht. Beispiel: In einem bestimmten Revier wurden bei einer Treibjagd zahme und teilweise schon flugunfähig gewordene Fasane in Kisten verpackt. Die Kisten wurden in ein Maisfeld gestellt, die Deckel geöffnet und dann wurde geschossen. Die Jagdkartenbesitzer, so der Landesjägermeister, wurden dadurch zu Schießsportlern, die das ganze Jagdsystem in Frage stellten. Damit stempelte der oberste Jagdleiter des Landes diese Schießer zu Außenseitern.

In einem Monat, am 3. November, treffen sich auch in Oberösterreich wieder traditionsbewußte Jäger, um den Namenstag ihres Schutzheiligen, des heiligen Hubertus, zu feiern. Gestaltung und Rahmen sind unterschiedlich. Allen Feiern gemeinsam aber ist das Bewußtsein einer gemeinsamen Aufgabe: den Schöpfer im Geschöpf zu ehren, und die Natur zu erhalten auch für kommende Generationen.

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