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Japan lehrt Tee-Trinken

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Japanische Meisterköche in Frankreich. Neue Strategien der Söhne Nippons in vielen anderen Lebensbereichen: Europa und die USA im Schock. Das Ganze war aber vorhersehbar.

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Japanische Meisterköche in Frankreich. Neue Strategien der Söhne Nippons in vielen anderen Lebensbereichen: Europa und die USA im Schock. Das Ganze war aber vorhersehbar.

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Der ganze Erdball ist unsere Heimat“, sagte der japanische Premier Takeshita kurz nach seiner Wahl im Herbst des Vorjahres. „Da Japan eine wichtige militärische Rolle nicht spielen darf, muß es auf anderen Gebieten internationale Verantwortung übernehmen, etwa in Wirtschaft und Kultur.“

Was mit letzterem gemeint ist, davon konnte vor einigen Monaten ein TV-Bericht einen Eindruck vermitteln. Darin zeigten aufgeregte US-Journalisten, wie ein japanischer Manager seinen amerikanischen Untergebenen in einer Niederlassung eines japanischen Konzerns in den Vereinigten Staaten demonstrierte, wie der feine Japaner sich benimmt und wie er beispielsweise Tee trinkt. Die US-Angestellten des Konzerns hätten sich gefälligst dem anzupassen.

Für US-Bürger war dieser Bericht wohl ein Tief schlag sondergleichen. Waren es doch bisher eher sie selbst, die anderen Ländern den „way of lif e“ vorzeigten.

Nach dem Prinzip der Wellen nach dem Steinwurf ins Wasser breitet sich der japanische endlich immer weiter aus. Der Stein selbst ist im Warenaußenhandel zu sehen. Zunächst in den fünfziger und sechziger Jahren bescheiden mit der Imitation anderswo entwickelter Technologien beginnend, wurden den internationalen Märkten bald Produkte offeriert, die in Preis und Qualität vergleichsweise günstig waren. Etablierte andere Produzenten hatten häufig nicht nur auf Drittmärkten, sondern auch im eigenen Land das Nachsehen.

Später besetzten die Japaner überfallsartig mit ausgewählten Produkte bestimmte Auslandsmärkte und zwangen die eingesessenen Erzeuger mit Kampfpreisen zum Aufgeben. So geschehen mit der Kamera- und Uhrenindustrie in der Bundesrepublik, mit der Fernsehgeräteerzeugung in den USA, mit der Motorradindustrie in verschiedenen Ländern. Offenkundig ist auch das weltweite Hegemoniestreben der Japaner im Bereich der Mikroelektronik.

Selten zuvor hat ein Land so aggressiv versucht, ganze Branchen mit Weltmaßstab zu beherrschen. Vom wirtschaftspolitischen Ziel der ausgeglichenen Leistungsbilanz wurde dabei nie viel gehalten, im Gegenteil: die Außenwirtschaftspolitik war und ist in erster Linie auf die Erzielung eines möglichst hohen Uberschusses ausgerichtet.

1987 belief sich dieser Uberschuß auf nicht weniger als 87 Milliarden Dollar. Beliebtes Mittel zu dessen Erreichung ist die systematische Behinderung der Einfuhr ausländischer Güter. Mit immer neuen subtilen Mitteln versuchen Japans Bürokraten, Importe zu blockieren. Jahrzehntelang wurden die Handelspolitiker anderer Länder mit Lippenbekenntnissen zum Freihandel und zur demnächst bevorstehenden Marktöffnung für ihre Waren hinters Licht geführt.

Die im Laufe der Jahrzehnte über die Außenhandelsüberschüsse angehäuften Reichtümer suchen naturgemäß Veranlagung. Da war es sinnvoll und zum Zwek-ke der Gewinnung weiteren und stärkeren Einflusses zielführend, als nächstes das Finanzgewerbe selbst als Gegenstand einer weiteren Eroberung auszuwählen.

Schon im Jahresbericht für 1986 hob die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel besonders die zunehmende Bedeutung japanischer Banken hervor, die zur weitaus größten Nationalitätengruppe auf dem internationalen Kreditmarkt aufgestiegen seien.

Der Hauptanteil bei Vergabe von Neukrediten internationaler Banken und fast Dreiviertel der Ausweitung des Interbankmark-tes gingen auf das Konto japanischer Banken. Ebenso haben japanische Wertpapierhäuser in rund um die Welt entstehenden Niederlassungen einen immer größeren Teil der internationalen Kapitalmarktgeschäfte an sich gezogen.

Im Jahresbericht 1987 mußten sich die BIZ-Experten wiederholen: „Die Entwicklung des internationalen Bankgeschäftes wurde von den japanischen Banken dominiert.“ Etwa seit Herbst des Vorjahres ist Japan der größte Gläubiger der Welt - eine Position, die hinsichtlich ihrer weltpolitischen Bedeutung gar nicht überschätzt werden kann. Zu diesem Zeitpunkt überschritten die Auslandsforderungen japanischer Banken mit 509 Milliarden Dollar erstmals diejenigen der US-Geldkonzerne. Von den 20 größten Banken der Welt sind 13 japanischer Provenienz.

Das bekommen vor allem die Amerikaner zu spüren, die von einer japanischen Geldflut überschwemmt werden. Dabei gilt insbesondere Kalifornien als Einfallstor, wo bereits 22 Prozent des Kreditmarktes kontrolliert werden. Aber auch in Europa, in London und Frankfurt, wird immer besser Fuß gefaßt. Umgekehrt haben es europäische und amerikanische Banken nach bewährter Strategie recht schwer, sich in Ja-

Fernost-Wolken über Amerika pan über Wasser zu halten.

Ähnliches spielt sich auf den Immobilienmärkten ab, wo in großem Stil Grundstücke, Gebäude und Unternehmen aufgekauft werden. Ein Beispiel für viele: der 50. Bundesstaat der USA, Hawaii, geht nicht einmal langsam, aber dafür umso sicherer in japanische Hände über. Seit Anfang 1986 wurden drei Milliarden Dollar in Hawaii für diese Zwecke von japanischer Seite investiert.

Selbst das Sinnbild amerikanischer Lebensart, nämlich 25 Filialen von Burger-King, haben Japaner unlängst an sich gerissen.

Gerade für Hawaii gilt ganz besonders, was manche Beobachter als den eigentlichen Antrieb für den japanischen Expansionsdrang ansehen: die Niederlage im Zweiten Weltkrieg wurde nie verwunden. Und was militärisch mißlang, wird nun auf wirtschaftlicher Ebene versucht.

Doch auch im Rüstungsbereich ist einiges in Bewegung gekommen. Die Verteidigungsausgaben sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Das erreichte Niveau entspricht zwar erst einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (in den USA sind es 6,5 Prozent), doch ergibt auch dies bereits den drittgrößten Verteidigungsetat der Welt (nach den USA und der UdSSR).

Die nach dem Zweiten Weltkrieg unterstrichene Friedfertig-

(Foto-Montage Begsteiger/Noll) keit und die von den USA vorgegebene pazifistische Verfassung werden nun allmählich aufgeweicht. Die Industriekonzerne haben die Rüstungsbranche offen als Wachstumsbereich erkannt, und auch die Öffentlichkeit scheint nun nichts mehr einzuwenden zu haben. Bisher galt jedenfalls ein offizielles Ausfuhrverbot für Rüstungsgüter, das nun von der Rüstungsindustrie unter Hinweis auf zu hohe Stückkosten, wenn nur für den Inlandsmarkt produziert wird, und daher mangelnde Konkurrenzfähigkeit bekämpft wird.

Die japanische Regierung wird hier mit Rücksicht auf die Weltmeinung und die militärische Vergangenheit des Landes sehr behutsam vorgehen, doch ist der Fall dieses Exportverbots nur eine Frage der Zeit. Dann steht der Eroberung auch dieses unerfreulichen, aber sehr profitablen Marktes nichts mehr im Weg.

Es bleibt zu hoffen, daß Österreichs weltpolitische Bedeutung im Rahmen dieser Entwicklungen für viel zu gering erachtet wird, sodaß wir unseren Tee noch einige Zeit so trinken können, wie wir es wollen.

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