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Japan will nicht auf die Anklagebank

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Der amerikanische Präsident Bush feierte Neujahr mit einer Reise zu seinen Alliierten Australien, Singapur, Südkorea und Japan im Pazifischen Raum, der sich heute rasch zum Zentrum der Weltwirtschaft entwickelt, was sich an der Tatsache ablesen läßt, daß die amerikanischen Exporte in diesem Raum auf 300 Milliarden Dollar stiegen und damit bereits mit einem Drittel über den Werten für Europa liegen.

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Der amerikanische Präsident Bush feierte Neujahr mit einer Reise zu seinen Alliierten Australien, Singapur, Südkorea und Japan im Pazifischen Raum, der sich heute rasch zum Zentrum der Weltwirtschaft entwickelt, was sich an der Tatsache ablesen läßt, daß die amerikanischen Exporte in diesem Raum auf 300 Milliarden Dollar stiegen und damit bereits mit einem Drittel über den Werten für Europa liegen.

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Dieser Staatsbesuch wurde, nach zwei vorherigen Verschiebungen, ziemlich unvermittelt von den Beratern angesetzt im Bestreben, die rapid sinkenden Aussichten für die Wiederwahl des Präsidenten zu verbessern. Da ihm Gleichgültigkeit gegenüber der Rezession im eigenen Land angekreidet wird, inszenierte man den Besuch als Werbespot für das amerikanische Fernsehen: der Sieger im Golfkrieg als Vorkämpfer für Arbeitsplätze. Begleitet wurde er von 21 Wirtschaftskapitänen, darunter die Präsidenten der „drei Großen" aus Detroit General Motors, Ford und Chrysler.

Von vorneherein wurde Japan auf die Anklagebank versetzt. Es erreichte 1990 im Verkehr mit den USA einen Überschuß von 41 Milliarden Dollar, drei Viertel allein in der Auto-branche. Detroit dagegen hatte im vergangenen Jahr eine Einbuße von zehn Prozent zu beklagen, sodaß alle amerikanischen Autorinnen im Augenblickrote Zahlen schreiben (siehe FURCHE 3/92, Seite 4), wofür Japan verantwortlich gemacht wird. General Motors kündigte für die kommenden Jahre die Schließung von 20 Fabriken und die Entlassung von 74.000 Arbeitern an.

Bush rückte daher mit einer langen Wunschliste an: Erhöhung der Einfuhren von Fertigwagen und Bestandteilen, dazu auch von Papier, Holz, Glas und Computern, sowie die Freigabe der Reis-Importe. Um die Einfuhren zu erleichtern, müsse Japan

zudem ein Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent verwirklichen.

In den US A selbst stieß dieses Spektakel auf scharfe Kritik der Fachleute. Es sei ein Aberglauben anzunehmen, die strukturellen Schwächen der amerikanischen Wirtschaft ließen sich durch Exporte nach Japan auffangen, das ehedem der größte Abnehmer amerikanischer Waren war. Die Präsidenten der Autofirmen, die Millionenge-hältef dafür beziehen, daß sie ihre Firmen in die Katastrophe führen, sollten sich fragen, warum Amerikaner selbst die japanischen Wagen den eigenen Produkten vorziehen und warum Japaner, wenn sie aus Prestigegründen auf einen ausländischen Wagen umsteigen, sich einen Mercedes oder BMW leisten.

Unbefriedigendes Resultat

Die Deutschen haben in zehn Jahren systematisch Verkaufs- und Dienstleistungsbetriebe landesweit aufgebaut und konnten deshalb die Exporte um das Zehnfache steigern. 1991 verkauften sie 119.573 Modelle, während die Amerikanernur32.230 absetzten, die meisten zudem aus japanischen Fabriken in den USA. General Motors verkaufte nur 9.261 Wagen. Die amerikanischen Firmen hatten sich nie über die Präferenzen potentieller Kunden in Japan orientiert, zum Beispiel Rechtssteuerung wegen des hier herrschenden Links-verkehrs, Pollutionskontrolle, Benzinverbrauch und so weiter. .

Die Demokraten erhoben den Vorwurf, General Motors habe nicht weniger als 74.000 Arbeitsplätze ins Ausland verlegt, Ford 16.000. Japanische Firmen erzeugen bereits 1,9 Millionen Autos in den USA und schaffen damit Arbeitsplätze und vermitteln moderne Technik. Ein Forschungsinstitut in Detroit berechnet, daß diese Firmen für die Produktion einer Million Wagen 41.154 Arbeiter einsetzen, während amerikanische Firmen dafür 124.355benötigen. Wäre es da nicht angebracht, nachzusinnen, wie sie durch bessere Technik und gutes Arbeitsklima ihre Produktion

erhöhen könnten? Ein Komiker in der Maske Bushs erklärte in einem Programm von NCC, er wolle die Japaner dazu bringen, ein Drittel ihrer Qualitätsproduktion auf Ramsch umzustellen, damit die Amerikaner im Wettbewerb eine Chance hätten. Die Kritiker im eigenen Land fanden sich bestätigt.

Das Resultat der dreitägigen Verhandlungen befriedigte keinen der Partner. Die Japaner ließen sich auf keine bindenden Versprechen ein, sondern gaben nur Zielsetzungen für die nächsten drei Jahre an: Import von 20.000 Fertigwagen der „großen Drei" und Steigerung der Importe von Bestandteilen von zehn auf 19 Milliar-

den Dollar, unter der Voraussetzung, daß sie in Qualität und Preis den Ansprüchen genügten. Die Amerikaner geruhten erstmals, Modelle zu entwickeln mit Rechtssteuerung. Unklar bleibt nur, wer diese Modelle, die den hiesigen Verhältnissen für Parken und Straßenverkehr wenig entsprechen und zudem in bezug auf Qualität sich keinen guten Rufes erfreuen, kaufen wird. Zudem sanken letztes Jahr die Autoimporte um 10,7 Prozent. 23 Konzerne in der Elektronik- und Maschinenbranche versprachen ebenfalls, ihre Importe um zehn Milliarden Dollar zu erhöhen.

Aber alle diese Maßnahmen, die auf einem freiwilligen Einverständnis der Firmen beruhen, da die Regierung keine Druckmittel besitzt, reichen nicht aus, um die amerikanische Rezession zu beheben. Das haben Bushs Kritiker im eigenen Land sofort bemerkt: Gaishi Hiraiwa, der Präsident des einflußreichen Unternehmerverbandes Keidanren, gab zu bedenken, daß die japanischen Maßnahmen einer Langzeitstrategie entsprechen, während die Amerikaner sofortige Wirkungen fordern, was im letzten auf kulturellen Differenzen beruht. Er riet den Amerikanern, ihre Wirtschaft von der Wurzel her zu sanieren durch Erhöhung der Sparrate, Verbesserung der Produktivität und Drosselung des Budgetdefizits.

In der Beurteilung der Japaner war Bushs Besuch völlig unnötig, denn

die Maßnahmen hätten in Gesprächen auf Ministerebene erreicht werden können. Für den neuen Ministerpräsidenten Kiichi Miyazawa kam der Besuch ungelegen, weil ihm in den zwei Monaten seiner Tätigkeit jeder Erfolg in der Innenpolitik versagt blieb. Weder gelang ihm die Entsendung von Blauhelmen für die UNO-Truppen, noch die Erhebung einer Steuer für Hilfsprojekte im Ausland, noch die Parteireform und gerechtere Einteilung der Wahlkreise. Einmal mehr bewahrheitet sich die Tatsache, daß Japan kein Machtzentrum besitzt, das zu schnellem, dezidiertem Handeln fähig wäre, weil nach den archaischen Strukturen dieser Feudalgesellschaft unsichtbare Mächte hinter den Kulissen die Fäden ziehen. Der Premier ist kein Präsident mit starker Exekutivgewalt.

Trotzdem zeichnet sich ein Trend ab zu einer engeren Zusammenarbeit der beiden stärksten Wirtschaftsmächte, die zusammen 40 Prozent des Bruttosozialprodukts aufbringen. Die freie Marktwirtschaft wird abgelöst durch bilaterale Abkommen, wonach Japan eine Mitverantwortung für die Sanierung der maroden US-Wirtschaft tragen wird, damit die US A die Verteidigungsaufgaben bewältigen können, während die USA Japan beistehen, in der internationalen Politik eine größere Rolle zu spielen, zum Beispiel durch Einnahme eines permanenten Sitzes im Sicherheitsrat der UNO.

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