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Japans Inspiration

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Verborgene Impressionen: Japonismus in Wien 1870-1930" heißt die große Ausstellung im öster- reichischen Museum für Ange- wandte Kunst in Wien, die Anfang April eröffnet wird. Aus den Samm- lungen des Hauses - ergänzt um einige in- und ausländische Objek- te - soll die Verbindung österrei- chischer und japanischer Kultur dargestellt werden und zeigen, wie bedeutend der Einfluß Japans auf unsere Kultur um die Jahrhundertende war.

Geschichtlich gesehen setzte die Öffnung der japanischen Häfen durch den amerikanischen Comodore Perry im Jahre 1854 den Beginn eines regen wirtschaftlichen Austausches, aber auch den von Begegnungen auf kulturellem Ge- biet, aus dem der Einfluß Ostasiens auf alle Bereiche der europäischen Kunst folgerte. Auf der Wiener Weltausstellung von 1873 und an- schließend auf der von Paris um 1900 zeigte man bereits japanische Exponate von großer künstlerischer Qualität.

Die avantgardistischen Kunst- richtungen dieser Zeit suchten in der orientalischen Ästhetik Wege zur Bekämpfung des Naturalismus, japanisches Kunsthandwerk be- gann den Jugendstil und die Art Nouveau zu inspirieren. Man be- gann, die Symbolismen der ost- asiatischen Kunst den Europäern verständlich zu machen.

Die Franzosen Emile Galle und Jean Daum dekorierten ihre Vasen mit japanischen Pflanzen und Tie- ren und die Wiener Secession orga- nisierte eine japanische Ausstel- lung, die entscheidend auf den Geschmack der Secessions-Maler wirkte.

Auch bei Gustav Klimt wuchs das Interesse für Japan, so wie schon vor ihm die französischen Impres- sionisten oder Vincent' van Gogh japanische Einflüsse aufnahmen. Er verschaffte sich die in Paris von Sa- muel Bing herausgegebene Zeit- schrift „Japon Artistique", die lan- ge Zeit die europäischen Künstler- kreise beeinflußte, inspirierte sich in Brüssel an Stoclets japanischer Kunstsammlung und fuhr nach London um James Whistlers Pfaunzimmer zu studieren.

Laut Egon Schiele sammelte Klimt auch selbst japanische Male- rei aus der Meiji-Periode und Holz- stiche mit erotischen Themen von Harunobu und Moronobu. Emil Orlik, einer der wichtigsten künst- lerischen Gestalter der Zeitschrift „Ver Sacrum", machte sogar zwei Reisen nach Japan, um dort die Holzschnitt-Technik und abstrak- te Dekorierung zu erleben. So wurde auch „Ver Sacrum", dieses einzig- artige Gesamtkunstwerk des Ju- gendstils, auf indirektem Wege japanisch beeinflußt.

Der Japonismus ist charakteri- siert durch eine Aufwertung der Dekoration, durch die Stilisierung als Alternative zur Imitation der Na- tur und durch das Konzept des„pars pro toto", das heißt der Teilung in Fragmente, von denen ein einzel- nes jeweils für den Sinn des Ganzen steht.

Mit dieser Vor- gangsweise haben nicht nur Edouard Monet und Henri de Toulouse-Lau- trec die moderne Malerei revolutio- niert, sondern sie ist auch die Basis für die Haiku- Dichtung. Mit Er- staunen sind Hai- kus im späten Rai- ner Maria Rilke zu entdecken, seine von ihm selbst, ein Jahr vor seinem Tod verfaßte, Grabinschrift „Rose, o reiner Wi- derspruch, Lust / Niemandes Schlaf zu sein unter so- viel / Lidern"

wurde der Form nach dem Haiku zugeschrieben.Unter dem Einfluß der japanischen Kultur wählten eu- ropäische Künstler Motive, die An- alogien in der orientalischen Male- rei haben: die Welle, den Park, Blumen wie die Lilie, die Iris, die Tulpe, oder Tiere wie den Schwan und den Schmetterling.

Der Japonismus inspirierte aber auch die Literaten der „Jung- Wien"-Bewegung, die auf der Su- che nach neuen künstlerischen und literarischen Vorbildern wa- ren. Der Einfluß des Japonismus, der in seinen formellen Auswirkun- gen den Ideen der Secession nahe- kam und außerdem eine neue Art

zu wohnen und zu leben und somit eine neue Weltanschauung lehrte, paßte gut in das Programm der „Jung-Wiener ". Hermann Bahr, ihr wichtigster Vertreter, war sich dessen bewußt als er behauptete, daß Peter Altenberg und der Kreis um Stefan George ohne Japonis- mus undenkbar seien.

Die Worte Peter Altenbergs „Die Japaner malen einen Blütenzweig und es ist der ganze Frühling. Bei uns malen sie den ganzen Frühling und es ist kaum ein Blütenzweig. Weise Ökonomie ist alles!" bringen die Philosophie über die Wichtig- keit des Fragments anstelle des Ganzen zum Ausdruck. Oder aus einem Selbstgespräch Altenbergs: „Wissen Sie, mein lieber Herr Pe- ter, mit wem ich Sie am liebsten... vergleichen möchte? Mit dem japa- nischen Maler Hokusai... vor zwei- tausend Jahren. Er malte zwei En- ten und man sah trotzdem einen Sumpf mit wildem, schnatternden Geflügel... wie er das zusammen- brachte dieses pars pro toto? Der Teil für das Ganze? Nun wie brin- gen Sie es zusammen, mit etwas Gemüt, Intelligenz und Ge- schmack!"

Auch Ernst Schnur veröffentlich- te im „Ver Sacrum" sein „Theefest am Hakonensee" und mehrere ja- panisch inspirierte, kurze impres- sionistische Erzählungen. Die Ger- manistin Flavia Arzeni bringt in ihrem 1987 erschienenen Japonis- mus-Buch sogar Hugo von Hof- mannsthal in engen Zusammen- hang mit japanischem Gedanken- gut, das er sich in seiner reichhalti- gen Bibliothek in Rodaun angeeig- net hatte. In den „Gärten" (1906) meditiert er über den metaphysi- schen Sinn japanischer Gärten, in „Über die Pantomime" (1911) be- wundert er die Echtheit der Bewe- gungen der japanischen Tänzerin Sada Yakko. Im Orient und in Ja- pan war noch ein Lichtstrahl jener Lebensfülle, die der Europäer der Dekadenz nicht mehr sein eigen fühlte.

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