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Jarrings x-ter Akt

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Die politischen Beobachter wissen es nie genau — ist es ein geplanter Konkurrenzkampf oder Naivität oder einfach nur zufällige Gleichzeitigkeit. Jedenfalls, als vor etwa einem Jahr die Verhandlungen über eine Teillösung des Nahostkonflikts zwecks Wiedereröffnung des Suezkanals auf amerikanische Initiative hin beginnnen sollten, intensivierte plötzlich der UNO-Friedensemissär Dr. Gunnar Jarring seine Mission. Er forderte in einem Memorandum an Israel den völligen Rückzug auf die alten Genzen vom Jahre 1967, bevor man mit Friedensverhandlungen beginnen könne, eine Forderung, die vorher schon von Ägypten und der Sowjetunion gestellt wurde. Daraufhin wurden die Teillösungsverhandlungen wieder vertagt.

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Die politischen Beobachter wissen es nie genau — ist es ein geplanter Konkurrenzkampf oder Naivität oder einfach nur zufällige Gleichzeitigkeit. Jedenfalls, als vor etwa einem Jahr die Verhandlungen über eine Teillösung des Nahostkonflikts zwecks Wiedereröffnung des Suezkanals auf amerikanische Initiative hin beginnnen sollten, intensivierte plötzlich der UNO-Friedensemissär Dr. Gunnar Jarring seine Mission. Er forderte in einem Memorandum an Israel den völligen Rückzug auf die alten Genzen vom Jahre 1967, bevor man mit Friedensverhandlungen beginnen könne, eine Forderung, die vorher schon von Ägypten und der Sowjetunion gestellt wurde. Daraufhin wurden die Teillösungsverhandlungen wieder vertagt.

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Vor wenigen Wochen nun teilte der amerikanische Ünterstaatssekre-tär Josef Sisco dem israelischen Botschafter in Washington, Jizchak Rabin, mit, daß Ägypten nun zu Verhandlungen zwecks Wiedereröffnung des Suezkanals bereit sei. Er verhandelte bereits mit dem Botschafter, wie weit die Israeli sich vom Suezkanal zurückziehen sollten. Ungefähr zur gleichen Zeit deutete Ägyptens Staatspräsident Sadat in einem Interview mit dem amerikanischen Nachrichtenmagazin „Newsweek“ an, daß er zu Verhandlungen über eine Teillösung des Nahostkonflikts bereit sei.

Dieser Zeitpunkt wurde von dem neuen UNO-Generalsekretär Doktor Waldheim dazu gewählt, seinen Friedensapostel Jarring wieder auf Reisen zu schicken. Als erstes besuchte er den Präsidenten von Senegal, Dr. Leopold Senghor, welcher an der Spitze einer vierköpfigen Präsidentenkommission des „Schwarzen Kontinents“ stand, die sich mit dem Friedensproblem des Nahen Ostens befaßten. Sein zweiter Besuch galt dem Präsidenten von Mauretanien, Ould Dada, der an der Spitze des Rates der „Zehn weisen Männer“ stand (so nennt man iri Afrika diese Kommission), welche in größerem Forum sich mit demselben Friedensproblem beschäftigte. Beide Gesprächspartner betonten, daß Israel bereit sei, auf Annexionen zu verzichten.

Ob auch über die israelische Forderung nach Grenzrevisionen gesprochen wurde, ist nicht bekannt. Nun ging die Reise nach Kairo, und zwar am gleichen Tag, an dem der russische Verteidigungsminister Marschall Gretschko eintraf. Letzterer inspizierte ägyptische Waffenübungen und versprach seinen

Freunden vom Nil neue und moderne Waffen, obwohl oder weil die Sympathie für den großen Bruder Rußland gerade im Sinken begriffen ist. Außenminister Morad Al'b machte Dr. Jarring klar, daß Ägypten zwar für Verhandlungen bereit sei, doch erst dann, wenn die Israeli alle besetzten Gebiete geräumt haben.

Nun begab sich Dr. Jarring nach Zypern, in sein sogenanntes Hauptquartier, welches er allerdings seit zwei Jahren nicht aufgesucht hat. Von dort ging es weiter nach Amman, wo König Hussein sich verhandlungsbereit erklärte, sobald der ägyptische Staatspräsident mit am Verhandlungstisch säße. Mit diesen altneuen Botschaften, die eine verhärtete Position weiter verhärten, begab er sich nach Jerusalem. Doktor Jarring konferierte hier mit Außenminister Abba Eban und dem stellvertretenen Ministerpräsidenten Yigal Allon, die auch ihren altneuen Standpunkt bekanntgaben: „Direkte oder indirekte Verhandlungen, jedoch ohne Vorbedingungen“ (wie Rückzug aus den besetzten Gebieten).

Die Israeli erinnerten Jarring daran, daß man gerade jetzt mit den Verhandlungen über eine Teillösung beginnen wolle. Doch Friedensapostel Jarring meinte nur abfällig: „Diese Verhandlungen interessieren mich nicht, ich bin am vollen Frieden interessiert und nicht an Teillösungen.“ Ein Friedenspatent hatte Dr. Jarring nicht in der Tasche, doch sein plötzliches Auftreten in Ägypten bewirkte, daß sich erneut die ägyptische Verhandlungsbereitschaft verhärtete. Die vermeintliche

Kompromißbereitschaft des Präsidenten Anver Sadat schien verflogen. Diese Tatsache führte auch zu einer weiteren Versteifung der israelischen Positionen und die mühsamen Verhandlungen des- amerikanischen Unterstaatssekretärs Josef Sisco schienen so gut wie vergebens.

Man war wieder da, wo man schon vor einem Jahr stand als Jarrings Mission völlig eingefroren war. Doch der Friedensemissär des UNO-Generalsekretärs ist ein unverbesserlicher Optimist, er glaubt trotzdem, den Frieden erreichen zu können.

Sadat ist heute schwerem innenpolitischem Druck ausgesetzt. Er ist mehr als je von seinen Militärs abhängig und muß auch auf die unzufriedenen Studenten seines Landes Rücksicht nehmen. Er hat ihnen eine Entscheidung versprochen, sei sie politisch oder militärisch, letzteres ist scheinbar nicht möglich und politisch glaubt Sadat so balancieren zu können, daß die Israeli von sich aus und entgeltlos Konzessionen anbieten.

Der Nahe Osten ist einer der Berührungspunkte der beiden Großmächte USA und Sowjetunion. Letztere fürchtet, daß eine Teillösung auf amerikanische Initiative hin die eigene Position in Ägypten schwächen könnte, und will diese nun vereiteln. Wenn man nichts Besseres tun kann, schickt man Waffen. Auch die USA wollen auf ihre Positionen nicht verzichten — wenn sie keinen Frieden verkaufen können, verkaufen auch sie lieber Waffen an Israel, denn das Gleichgewicht der Kräfte muß auch hier gewahrt werden.

Man nimmt an, daß der Nahostkonflikt eines der Gesprächsthemen Nixons bei seinem Moskau-Besuch im Mai sein wird. Bis dahin wird bestimmt keine Entscheidung fallen. Was danach geschieht, weiß keiner.

Die Israeli wollen zwar Frieden, sind auch zu Kompromissen bereit, doch wollen sie niemals mehr auf alle besetzten Gebiete verzichten. Sie weigern sich, der Gegenseite bedingungslos zu trauen. Ein Mißtrauen, welches auch von arabischer Seite gegenüber Israel an den Tag gelegt wird. Der gute Wille von Dr. Jarring genügt nicht, um dieses Mißtrauen zu beseitigen. Er wird noch viele Male von der einen zur anderen Seite pendeln müssen, bis — vielleicht — die Friedenstauben am Horizont erscheinen.

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