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Je länger, desto lieber?

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Die Aufgabenstellung an ein Krankenhaus hat sich im Lauf der Jahrzehnte sehr verändert. Die Entfaltung des Hospitalwesens im 13. und 14. Jahrhundert brachte zahlreiche Spitalsstiftungen hervor, die den Personenkreis in Pflege nahmen, für den sie gestiftet waren: Bürger, Zunftangehörige, Arme oder Pilger.

Im selben Zeitraum kristallisierten sich zwei Bautypen heraus, die bis in das 18. Jahrhundert beibehalten wurden. Das alte Allgemeine Krankenhaus in Wien ist ein typischer Hofbau mit der damals üblichen Konzentration vieler Krankenbetten. Ende des 18. Jahrhunderts erkannte man jedoch die enormen Nachteile von „Bettenburgen”, mit 1.000 bis 2.000 Betten, und zwar sowohl für die Pflege der Patienten als auch für die Verwaltungsfähigkeit. Dennoch dürften die damals gewonnenen Erkenntnisse trotz ihrer Aktualität in Vergessenheit geraten sein.

Heute sind die wichtigsten Aufgaben einer Krankenanstalt die Pflege und Heilung kranker Menschen, die Linderung ihrer Leiden und der Dienst für die Wissenschaft.

Je länger nun ein Patient in einem Krankenhaus liegt, desto größer wird sein Bedürfnis nach geistiger Betätigung und desto mehr benötigt er die Zuwendung des Pflegepersonals.

Hand in Hand mit der Intensivierung der Betreuung des Patienten sollten daher auch Möglichkeiten gesucht werden, allzulange Verweildauern zu senken.

Soferne der Aufenthalt durch eine langsamere Heilung der Patienten bedingt ist, sollte eine Trennung der Akutpatienten vom Langzeitpatienten erfolgen, zum

Beispiel durch die Errichtung von Nachsorgekrankenhäusern. Abgesehen von den Vorteilen einer kostengünstigeren Unterbringung und intensiveren Betreuung könnten auch die Kosten dieser Betreuung und Behandlung sinken.

Denn das Problem längerer Aufenthaltsdauer kann auch in einem Kostendeckungssystem liegen, das wirtschaftlichen Grundsätzen widerspricht. Der in Österreich gebräuchliche „Pflegegebührensatz” beispielsweise ist nur ein Teil der tatsächlich auflaufenden Kosten. Der zur Zeit gültige Pflegegebührensatz der Krankenkassen in Wiener Spitälern — öffentlich und privat — beträgt für stationär aufgenommene Patienten 899,80 Schilling pro Tag. Mit diesem Pauschalbetrag werden alle Leistungen der Krankenanstalt für den jeweiligen Patienten einschließlich der Arztleistungen abgefunden—ohne Rücksicht auf die tatsächliche Höhe der Behandlungskosten. Ein an sich entlassungsfähiger Patient wird nur mehr geringe variable Kosten verursachen, die geringer sind als der pauschalierte Gebührensatz. Bleibt der Patient länger als erforderlich, scheint dies ein Vorteil für das Spital zu sein. Abgesehen von der seelischen Belastung des Patienten bewirkt eine solche Denkungsart eine Aufblähung der Bettenzahl in den Krankenanstalten, die größeren Bauten, damit verbundene höhere Baukosten, Betriebskosten...

Das nicht auf den Leistungsfall bezogene Kostenersatzsystem ist gemeinsam mit zu großen Spitalskomplexen in Österreich eine der Hauptursachen der Spitalsdefizite.

Der Autor ist Generalsekretär des Verbandes der Privatkrankenanstalten für Wien, Niederösterreich und das Burgenland.

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